Berlin, 29. Dezember 2011 (ADN). „Gorbatschow ist in Russland vollkommen in Verruf geraten. Dabei ist er handfest von Kohl betrogen worden. „Das erklärte der Schriftsteller Rolf Hochhuth in einem Interview mit der Tageszeitung „Neues Deutschland“, das in der heutigen Donnerstagausgabe veröffentlicht wurde. Gorbatschow habe Kohl vertraut, der ihm das Ehrenwort gab, dass die NATO keinen Meter nach Osten vorrückt. Tatsächlich sei dieses westliche Militärbündnis tausend Kilometer in östlicher Richtung ausgedehnt worden.
„Wir Deutschen haben die Russen betrogen“, beklagt Hochhuth. Er habe keine gute Meinung von den Deutschen. Dafür gebe es drei Gründe: erstens, weil er selber einer ist. Zweitens wegen der Geschichte. Drittens wegen der Gegenwart. Das heutige Deutschland sei ihm kulturfremder als das monarchische. Damals seien Kunst und Kultur ehrwürdig gewesen. Als Beleg dafür nannte er ein Beispiel aus der Architektur des gegenwärtigen Potsdamer Platzes in Berlin. Sie sei grauenvoll und keine Spur von Kunst dort auffindbar. Damit werde sogar gegen das Gesetz verstoßen. Selbst Adenauer und Ulbricht hätten gewisse Summen an öffentlichen Gebäuden in Kunst investiert.
Angesprochen auf die neonazistische Mordserie 60 Jahre nach Hitler, bezeichnete Hochhuth Nazis als Kriminelle – zu allen Zeiten und in allen Zonen. Vor allem erschüttere ihn die Tatsache, dass hochgestellte Beamte der BRD sich mit Schuften zusammengetan haben. Er finde das Verhalten des Verfassungsschutzes als vollkommen unentschuldbar. „Die BRD hat sich hier wieder einmal als das entlarvt, als das sie angetreten ist“, kritisierte der Autor scharf. Adenauer, der zynisch und zugleich ehrlich gewesen sei, habe offen zugegeben, viele Nazis in seine Dienste genommen zu haben – vom Vorzimmer bis hinauf zum Staatssekretär. Schließlich sei mit Globke als Staatssekretär im Bundeskanzleramt der höchstgestellte Beamte des Landes ein Nazi in dieser Position gewesen. Er war Kommentator der mörderischen Nürnberger Judengesetze.
Die derzeitige Demokratie bezeichnete Hochhuth in dem Pressebeitrag unter der Überschrift „Von der Schwierigkeit, ein Deutscher zu sein“ als „sehr wehrhaft gegen Linke und andere Menschen, die ihr nicht passen.“ ++ (dk/mgn/29.12.11 – 46)