Ankara, 25. Dezember 2011 (ADN). „Plattform für eine neue Verfassung“ nennt sich eine Bürgerbewegung in der Türkei. Mit dieser Initiative sollen die in Gang befindlichen Parlamentsberatungen für ein modernes konstitutives Fundament befördert und begleitet werden. Zu den Protagonisten der Bewegung gehören Wissenschaftler, Anwälte und Journalisten.  Mehr als drei Dutzend öffentliche Veranstaltungen haben dazu inzwischen landesweit stattgefunden – in Kinosälen, Gemeindezentren und Schulen. Politiker, Staatsrechts-Experten oder Vertreter der Machteliten  haben nicht teilgenommen. Die auf den rege besuchten Foren geäußerten Meinungen wurden und werden gesammelt, geordnet und dem Parlament in Ankara zugeleitet. Ein Teilnehmer erklärte: wir wollen eine Verfassung, die von uns – und nicht von denen da oben geschrieben wird.

Die Mitinitiatorin und Menschenrechtlerin Ruken Calikusu bezeichnete die Beteiligung der Bürger an der ihre ureigenen Angelegenheiten betreffenden Debatte als sehr eindrucksvoll. Mit nur wenigen Worten und Sätzen haben die Bürger sehr klare und konkrete Vorstellungen über notwendige Veränderungen geäußert, um wahrhafte Demokratie lebendig werden zu lassen. Das beziehe sich auch auf die administrative Struktur der Türkei.

Im Frühjahr 2012 soll ein erster Verfassungsentwurf vorliegen. Bis dahin werden die öffentlichen Anhörungen der „Plattform für eine neue Verfassung“  fortgesetzt.

Die Vorgehensweise in der Türkei dürfte den deutschen Bürgern nachahmenswert erscheinen.  Spätestens seit den Jahren 1989/90 stand eine vom deutschen Volk zu beschließende neue Verfassung auf der Tagesordnung. Dieser Tagesordnungspunkt wurde – warum auch immer – gestrichen.  Bis heute – mehr als 20 Jahre später – wurde die gründliche Diskussion und der vom Volk verabschiedeten Verfassung verabsäumt oder sogar hintertrieben. Der Blick vieler Deutscher richtet sich  deshalb ein wenig neidisch nach Kleinasien und zum Bosporus. ++ (dk/mgn/25.12.11 – 42)

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