Prag, 21. Februar 2012 (ADN). Die Kenntnis über dubiose Provisionszahlungen, überteuerte Einkäufe und andere Arten, Geld aus öffentlichen Haushalten in private Kanäle abzuzweigen, dringt in der Tschechischen Repubik seit kurzem auf besonders originelle Weise ins Publikum. Die zu Zeiten der römischen Antike eingeführte „res publica“ – die öffentliche Sache – wird in Prag ganz in Schwejk’scher Tradition sehr populär gemacht. Ein gerade sehr erfolgreich gegründetes Korruptionsreisebüro führt seine Touristen an die Originalstätten der größten Betrügereien des Landes und seiner Hauptstadt an der Moldau. Einer der Schauplätze ist ein glamouröses, im Jahr 1929 errichtetes Haus. Die Stadt Prag hätte es kürzlich für 48 Millionen Euro kaufen können. Darauf wurde verzichtet. Nun wird es von einem privaten Investor an die Stadt vermietet. Dazu fließen in den ersten 20 Jahren des Mietverhältnisses 192 Millionen Euro – also das Vierfache – aus der Stadtkasse an den Investor. So erfahren die Touristengruppen an einem und zahlreichen anderen praktischen Beispielen, wie die Steuergelder der tschechischen Bürger vertragssicher und mit der Garantie des öffentlichen Segens in den Taschen von Spekulanten, Neureichen und anderen Gaunern landen.

Inzwischen erfreut sich das neuartige Tourismus-Konzept höchster Beliebtheit. Der Gründer von „CorruptTour“ ist Petr Sourek, der sonst am Theater arbeitet. Dem Deutschlandfunk gegenüber erklärt er: „Am Anfang haben alle gedacht, das sei ein Witz. Aber jetzt sehen sie: Natürlich hat das Reisebüro eine ironische Komponente, aber es ist eben kein Scherzprojekt.“ Und der tschechischen Tageszeitung „Hospodarske Noviny“ teilt er mit: „Wichtig ist, dass die Leute sehen, wie die Korruption funktioniert und was um sie herum passiert.“

Sourek will zur Aufklärung der Fälle beitragen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Er betrachtet die Korruption als eine Art kulturelles Erbe. Prag habe so viele historische, denkmalgeschützte Gebäude. Fast jedes von ihnen birgt das Geheimnis eines bereits vollzogenen, laufenden oder noch bevorstehenden Immobilienskandals. Diese Rätsel touristisch zu erschließen und zu lösen, versprechen dem Reisebüro „CorruptTour“ weiteren Zulauf und unabsehbare Geschäftserfolge.

Jüngster Beweis für die kommerzielle Expansion – auch im europäischen Ausland – ist die Gründung einer Dependance in Berlin. Zielsicher und schnell hat Sourek dort nicht nur die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland erkannt, sondern auch eine, wenn nicht gar „die“ Kapitale der Korruption. So macht genau 100 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Sammelbandes „Der brave Soldat Schwejk und andere merkwürdige Geschichten“ von Jaroslav Hasek in Prag eine weltweit bekannte, markante Symbol-Figur eine neue glanzvolle und ehrenwerte Karriere. ++ (kr/mgn/21.02.12 – 53)

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