Berlin/Moskau, 16. April 2012 (ADN).  Über Jahrhunderte hinweg meinte der Westen, Russland gehöre nicht zu Europa und müsse deshalb von europäischen Angelegenheiten ferngehalten werden. Das erklärt der profilierte Politiker und Spitzendiplomat der ehemaligen Sowjetunion, Valentin Falin, zum Rapallo Vertrag, der genau am heutigen Montag vor 90 Jahren in dem italienischen Badeort zwischen Deutschland und Sowjetrussland unterzeichnet wurde. Für die sowjetische Seite war von großer Bedeutung, wie sie aus der Isolation, aus der Blockade der Westmächte herauskommen könne und endlich als völkerrechtliches Subjekt anerkannt werden würde, schreibt der 86jährige in einem unter dem Titel „Parrallen und Paradoxien“ in der Tageszeitung „neues deutschland“ abgedruckten Beitrag.

Falin, der zum Stab der Sowjetischen Kontrollkommission 1950/51 in Deutschland gehörte, berichtete über die prinzipiell positiven Absichten und Wirkungen dieses deutsch-russischen Freundschaftsvertrages. Vereinbart wurde, dass beide Länder auf  Kriegsentschädigungen verzichteten, diplomatische Beziehungen aufnahmen und sich die Meistbegünstigung im gegenseitigen Handel einräumten. Der Kontrakt habe schon damals bewiesen, dass es eine Alternative zur Politik der Konfrontationen gab.

Nach Falins Ansicht hatte Josef Stalin seinerzeit gar keine andere Wahl als die ungeliebte Deutsche Demokratische Republik (DDR) gründen zu lassen. „Alle sowjetischen Vorschläge nach dem Krieg – freie gesamtdeutsche Wahlen und Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland etc. – wurden vom Westen und von Bundeskanzler Adenauer abgelehnt“, kritisierte er. Aus den Aufzeichnungen der Gespräche zwischen Wilhelm Pieck und Stalin von 1945 bis 1952 gehe hervor, dass die Spaltung Deutschlands den strategischen Interessen der Sowjetunion widersprach. Stalin habe keine sozialistischen Experimente in der Ostzone gewollt. Die DDR habe er hingenommen, weil der Westen ihm keine Wahl gelassen habe. ++ (ge/mgn/16.04.12 – 111)