Archive für Beiträge mit Schlagwort: Auschwitz-Prozess

Frankfurt am Main, 20. Dezember 2013 (ADN). Vor 50 Jahren begann im Stadtverordnetensaal von Frankfurt am Main der erste Auschwitz-Prozess. „Man musste ja die Leute freiwillig in die Gaskammern hereinbringen und in Unwissenheit, mit List,“ erklärte damals der Zeuge Rudolf Vrba. An diesem 20. Dezember 1963 stehen sich SS-Männer als Täter und ihre Opfer zum ersten Mal seit 1945 wieder gegenüber. Hessens Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war einer der Hauptinitiatoren dieses juristischen Aufarbeitungsversuchs. Er hatte eine Selbstaufklärung der deutschen Gesellschaft über das gefordert, was da „im Osten“ geschehen war.

Der Prozess im Landgericht Frankfurt firmierte unter „Mulka und andere“. Er richtete sich gegen 22 Angehörige der Waffen-SS. Die Anklagebehörde ist selbst von Nazi-Juristen durchsetzt. Sie wollten den Prozess abschieben, hatten keinen Bock darauf. Dennoch setzte sich der hessische Generalstaatsanwalt durch und bringt junge, weitgehend unbelastete Ankläger zum Einsatz.
Auch der Untersuchungsrichter Dr. Heinz Düx trifft auf Widerstand beim Landgericht. Der Unwille in Justizkreisen ging soweit, dass sogar die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Bausch und Bogen in Frage gestellt wurde. Ein Vorsitzender Richter war der Auffassung, alle KZ-Häftlinge seien Lügner. Sogar Dienstreisen zum Tatort, die das überprüfen sollten und der Aufklärung dienten, wurden verhindert. Letztlich unternahm Düx eine „Dienstreise“ auf eigene Privatkosten zu den Mordstätten. Erst als er später seine Erkenntnisse präsentierte, entschloss sich das Gericht ebenfalls ein eigenes Bild vor Ort zu gewinnen.
Letztlich fallen die Urteile milde aus: Sechsmal lebenslang Zuchthaus, eine zehnjährige Jugendstrafe, zehn Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und 14 Jahren. ++ (mo/mgn/20.12.13 – 348)

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München, 2. Februar 2013 (ADN).  Die Bundesrepublik Deutschland steht an der Schwelle zu einem ihrer bedeutsamsten Gerichtsprozesse der Nachkriegsgeschichte. Er beginnt am 17. April dieses Jahres.  Die „Süddeutsche Zeitung“ versuchte in ihrer Wochenendausgabe die Dimensionen des Verfahrens zu verdeutlichen, das nicht als Fall im klassischen Sinne, sondern eher als Staat und Gesellschaft prägendes Mammut-Ereignis zu bewerten ist. Auslöser sind zehn innerhalb eines Jahrzehnts begangene Morde, die bislang unaufgeklärt blieben und ein Sittengemälde des vollständigen Versagens des administrativen Konstrukts Bundesrepublik Deutschland  zeichnen. 

Die Anklageschrift hat einen Umfang von 488 Seiten versehen mit 1.600 Fußnoten. Allein die Verfahrensakte zählt rund 700 Ordner.  27 einzelne Anklagepunkte sind zu verhandeln. Zudem steht der Vorwurf der Mitgliedschaft und Unterstützung in einer terroristischen Vereinigung auf dem Programm. Es wird das größte bundesdeutsche Verfahren zum Rechtsterrorismus, so die „Süddeutsche Zeitung“. Vergleiche mit dem Stammheim-Prozess und dem Auschwitz-Prozess, die unterschiedliche Zäsuren für die Republik mit sich brachten, drängten sich auf.

Auch das Personal-Tableau der unmittelbar im Münchner Oberlandesgericht beteiligten Akteure beeindruckt: Fünf Angeklagte, fünf Berufsrichter,  zwei Schöffen als Reserve, bis zu fünf Vertreter der Bundesanwaltschaft als Ankläger, zehn Verteidiger, 64 Nebenkläger und 46 Nebenklagevertreter, drei Sachverständige, zwei Dolmetscher und ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe.

Als besonders sensibles Kapitel dürfte sich der Umgang mit den Hinterbliebenen der Mordopfer auswachsen. Schon jetzt steht die Berücksichtigung ihrer Gefühle und Interessen in einem speziellen Fokus. Ganz aktuelle Diskussionen lassen darauf schließen, dass die lange Zeit selbst unter Mordverdacht stehenen Betroffenen gar nicht am Prozess teilnehmen können. Ein ganz profaner Grund dafür sind die hohen Reise- und Übernachtungskosten am Verhandlungsort in München.

Einem ebenfalls veröffentlichten Interview mit dem Münchner Gerichtspräsidenten Karl Huber ist zu entnehmen, dass der Prozess voraussichtlich ein Jahr dauert.  Hinsichtlich der äußerst geringen Platzkapazitäten für die interessierte Öffentlichkeit einschließlich der Presse weist der Jurist darauf hin, dass es sich um ein rechtsstaatliches Verfahren handele, nicht um einen Schauprozess.  Insofern gebe es einen Unterschied zu dem Breivik-Verfahren in Norwegen, in das sich das ganze Land einbezogen fühlte und ein Befriedungseffekt in der Gesellschaft erreicht wurde. ++ (pl/mgn/02.02.13 – 028)

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