Archive für Beiträge mit Schlagwort: Autonomie

Comrath/Chisinau, 25. März 2015 (ADN). Die prorussische Kandidatin Irina Vlah hat die Gouverneurswahl am Wochenende in der innerhalb der Republik Moldawien gelegenen autonomen Region Gagausien mit mehr als 60 Prozent der Wählerstimmen gewonnen. Darüber berichtet der Nachrichtenblog „Sputnik Deutschland“ am Mittwoch. Die frisch gewählte Gouverneurin habe sich für eine Verbesserung  der Beziehungen mit der moldawischen Zentralregierung in Chisinau ausgesprochen.

Im vergangenen Jahr hatten 98 Prozent der Bevölkerung in einem Referendum für eine enge Hinwendung zur Russischen Förderation gestimmt. Zudem plädiert eine überwältigende Mehrheit der Gagausen für eine Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan. Das „Mutterland“ Moldawien hat die Autonomieregion in den vergangenen beiden Jahrzehnten vernachlässigt.

Gagausien wird seit 1995 von einem direkt gewählten Gouverneur regiert, hat ein eigenes Parlament und eine eigene Verfassung. Amtssprachen sind Gagausisch, Russisch und Rumänisch bzw. Moldawisch. Das Territorium des im Süden Moldawiens liegenden Gagausiens ist nicht zusammenhängend. Es besteht aus dem Kernland um die Hauptstadt Comrath, einer „Insel“ um die Stadt Vulcaneti und zwei weiteren Enklaven. Der Osteuropa-Experte Stefan Troebst von der Universität Leipzig hält die administrativen und staatlichen Regelungen um Gaugasien für eine Musterlösung, um ethnische Konflikte zu schlichten und gewaltfrei zu normalisieren. ++ (25.03.15 – 74)

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Köln, 26. Oktober 2014 (ADN). Seit der Rückkehr Hongkongs nach China im Jahr 1997 wurde stets an der Politik „Ein Staat, zwei Systeme“ festgehalten. Das erklärte der chinesische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland (BRD),Shi Mingde, am Sonntag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Hongkong habe eine Kolonialgeschichte von 155 Jahren und in dieser Zeit 28 Gouverneure erlebt. „Kein einziger Gouverneur wurde dort gewählt. Und alle Gouverneure sind Briten, die von London eingesetzt wurden“, betont Shi. Nach dem Übergang der Kronkolonie zur Volksrepublik China habe in Hongkong nach der Maxime „Ein Staat, zwei Systeme“ höchste Autonomie geherrscht. Jetzt erfolge die Verwaltung durch Hongkonger. Auch das von Peking gegebene Versprechen, dass der Demokratisierungsprozess Schritt für Schritt weitergeht, werde gehalten. Zunächst werde ein Wahlgremium von 1.200 Wahlmännern und Wahlfrauen benannt, deren Nominierung auf Empfehlungen aus allen sozialen Schichten beruht. Bis 2017 habe jeder wahlberechtigte Hongkonger das Recht, seine Stimme abzugeben. Der amerikanische Präsident und der deutsche Bundespräsident würden auch nicht direkt gewählt. Die Direktwahl sei nicht die einzige Form der Demokratie.

Der chinesische Botschafter schilderte in dem Interview die ganz eigene bemerkenswerte Sicht seines Heimatlandes auf die jüngste deutsche Geschichte: „Von Anfang an haben wir die Deutsche Einheit unterstützt – schon in den 50er Jahren, als die DDR noch für die Einheit war. Und dann Ende der 60er Jahre hat die DDR die Position zur Deutschen Einheit geändert und betrachtete die Menschen in der DDR als die sozialistische Nation und die in Westdeutschland als die kapitalistische Nation. Wir hatten damals auch eine große Auseinandesetzung mit der SED-Führung. Wir sollten eine Nation letztlich nicht in Ideologien aufteilen. Eine Nation verbindet eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Tradition.“

Der Spitzendiplomat sprach sich für eine Reform des UNO-Sicherheitsrats aus. Europa habe in dem Gremium ständiger Mitglieder zu viele Sitze. Über nur einen verfüge Asien. Lateinamerika und Afrika seien gar nicht vertreten. Hinsichtlich der veränderten politischen Gewichte verwies der Botschafter auf den enorm raschen Wandel in China: „Wir haben einen Stand erreicht, für den die Industrieländer mehr als 100 Jahre gebraucht haben.“ ++ (dk/mgn/26.10.14 – 298)

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München, 27. September 2014 (ADN). Die kirchlichen Gemeindefusionen wiederholen die gravierenen Fehler der kommunalen Gebietsreformen der zurückliegenden Jahrzehnte in einigen  Bundesländern. Dort wurden ungefähr 400.000 ehrenamtlich tätige Bürger aus den Gemeindeparlamenten „wegrationalisiert“. Darauf weist der Essener  Geograph, Prof. Gerhard Henkel, am Sonnabend in einer in Süddeutschland herausgegebenen überregionalen Zeitung hin. Dies habe zum Desinteresse an der Kommunalpolitik geführt. Gleiches stehe nun auch der Kirche bevor. Durch den Wegfall der lokalen Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände würden Hunderttausende gewählter und ehrenamtlich tätiger Christen nicht mehr gebraucht. Offenbar fehle den Kirchenleitungen das Vertrauen in die Gläubigen, in deren Kompetenzen und Kräfte sowie in die Selbstregulierungsfähigkeit der dörflichen Gemeinden. Auch die katholische Kirche befinde sich in diesem Sog. 

Als Alternative schlägt Henkel die Verbandsgemeinde vor. Diese schaffe eine starke zentrale Organisation und Verwaltung, ohne den zugehörigen Ortsgemeinden die Autonomie zu rauben. In den Bistümern Osnabrück und Mainz werde dies praktiziert. Dörfliche Pfarreien haben sich zu Pfarrverbänden zusammengeschlossen.

Andernfalls sind nach den Worten des Wissenschaftlers die negativen Erscheinungen bereits zu beobachten. Kirchen, Pfarrhäuser und andere sakrale Bauwerke werden geschlossen, entweiht und verramscht. Mit der Auflösung der Ortspfarreien schade die Kirche nicht nur sich selbst, sondern auch dem Land und seinen Menschen. Das Dorf verlöre seine älteste und über Jahrhunderte mit Leben gefüllte, selbst organisierte und getragene gemeindliche Institution. Die geistliche, kulturelle und soziale Mitte verschwinde – und damit – der Kern lokaler Identifikation. Schulen, Post und Bürgermeister seien schon weg. Mit den Kirchen gehe das Herz verloren. ++ (re/mgn/27.09.14 – 270)

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München, 5. September 2014 (ADN). Die Landesparlamente sind nur ein Schatten dessen, was sie sein könnten und sein müssten.  Der jeweilige Landtag müsste das Herz der Demokratie sein in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Er ist es dort aber genauso wenig wie in den anderen 13 Bundesländern. Diese niederschmetternde Erkenntnis hält Heribert Prantl am Freitag in der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) schriftlich fest. Der Landtag sei überall nicht das Herz, sondern die Milz der Landes-Demokratie. Die Milz habe der Satiriker Karl Kraus als „notwendig, aber überflüssig“ bezeichnet. Das dürfe man in diesen Wochen, in denen wieder Landtage gewählt werden, eigentlich nicht schreiben; aber es sei nun einmal so.

Zu den Gründen dafür äußert sich der Autor überzeugend. „Die gesetzgeberische Tätigkeit der Landtage ist entkernt worden. Und die Haushaltsgesetzgebung, das Königsrecht  eines Parlaments, verdient seinen Namen nicht mehr. Steuergesetzgebungshoheit hat ein Landtag nur noch in Spurenelementen. Zuletzt ist den Ländern per Schuldenbremse auch noch die Kreditaufnahme verboten worden. Was bleibt da von der Haushaltshoheit der Länder eigentlich noch übrig ? Im Grundgesetz steht, dass ‚Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und unabhängig sind‘. Aber der Satz gilt nicht mehr“, schreibt Prantl. Nicht einmal die Höhe der Biersteuer könne ein Land wie Bayern selbst bestimmen; das mache der Bund. Das Land dürfe nur die Steuern kassieren und verwalten, deren Höhe der Bund vorgegeben hat. „Pecunia nervus rerum, das Geld ist der Nerv der Dinge: Den Landtagen ist der Nerv gezogen“, schlussfolgert der Autor.

„Solange Landtage gewählt werden, wünscht man sich, dass die Länder mehr sind als autonome Verwaltungsprovinzen, die sich einen oft leerlaufenden Parlamentsbetrieb leisten, deren Regierungschefs aber im Bund mitmischen“, schreibt Prantl und beruft sich auf den renommierten Staatsrechtler Hans-Peter Schneider. Der habe herausgefunden, dass in keinem Bundesstaat der Welt die Autonomie der Teilstaaten und ihrer Parlamente bei Steuern und Finanzen so gering ist wie in Deutschland. Starke Landtage seien notwendig. Das bedeute nämlich, wenn sie etwas zu entscheiden hätten, mehr Demokratie, mehr Bürgernähe und mehr politische Stabilität. ++ (sv/mgn/05.09.14 – 248)

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Barcelona/München, 28. März 2014 (ADN). „Wir sollten uns am Begriff der Nation des Philosophen Johann Gottfried Herder orientieren.“ Diese Empfehlung gibt der frühere katalanische Regierungschef Katalaniens, Jordi Pujol, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, das am Freitag veröffentlicht wurde. Der Begriff „Nationalismus“ störe. Nach Auffassung von Herder seien alle Nationen gleichwertig und ihre Unterschiedlichkeit dürfe keinesfalls Anlass geben, sich gegeneinander zu wenden. „Die Katalanen sind keine engstirnigen Nationalisten, sie gehören vielmehr zu den proeuropäischen Nationen“, so Pujol. Diese Haltung seiner Landsleute liege in der vom Seehandel geprägten Wirtschaft begründet, die immer vielfältige Beziehungen zu anderen Ländern hatte. Das gelte auch auf kulturellem Gebiet. Katalonien sei in der Geschichte südlicher Vorposten des karolingischen Reiches gewesen, eine Art Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft.

Pujol, der von 1980 bis 2003 an der Spitze der Regionalregierung Kataloniens stand und gegen den Widerstand der konservativen Zentralregierung für eine Sezession von Spanien kämpft, hat keine Furcht vor einer Abspaltung von Spanien und der Europäischen Union (EU). Sie sei ein Präzedenzfall, über den man rechtzeitig Einigung erzielen müsste. „Falls unsere Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit ein Votum für die Unabhängigkeit abgibt, so werden weder Brüssel noch Madrid  diesen Wunsch ignorieren können“. In Spanien handele es sich bei weitem nicht nur um eine Krise der Wirtschaft. Es gehe um eine Krise aller staatlichen Institutionen, der Parteien, der Justiz, der Verwaltung, sogar der Monarchie.

Als deutliches Zeichen für den Stimmungsumschlag nannte Pujol einen konkrete Vorgang: Als das Verfassungsgericht, das die in Madrid regierende konservative Partido Popular (PP) angerufen hatte, 2010 das neue Autonomiestatut für Katalonien aufhob. „Dieses Statut, das unsere Rechte bei Selbstverwaltung und Kultur festschreiben sollte, war bereits von den Parlamenten angenommen worden, unsere Bevölkerung hatte in einem Referendum zugestimmt, der König hatte es unterzeichnet. Doch die Partido Popular organisierte eine Kampagne dagegen, die die Katalanen in einem schlechten Licht darstellte, die von uns daher als aggressiv und erniedrigend empfunden wurde. Wir sahen daher dem Konsens aufgekündigt, der Spanien auch mental zusammengehalten hat.“ ++ (vk/mgn/28.03.14 – 087)

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Venedig, 20. März 2014 (ADN). Veni, vidi, vici ! (er kam, er sah, er siegte !) – Der klassische auf den antiken römischen Kaiser Julius Cäsar gemünzte Satz gilt heute für den Autonomie-Virus. Er geht in Europa um, hat durch die Ereignisse auf der Krim einen neuen Infektionsschub ausgelöst und  ein weiteres Ausbreitungsgebiet in Europa erobert: Venetien und die einst stolze Republik Venedig wollen sich aus dem Krisenstaub der italienischen Wüstenei erheben und eigenständig werden. Ihr Julius Cäsar heißt Alessio Morosin. Der Anwalt ist Wortführer der Unabhängigkeitsbewegung und hat ein gewaltiges und überzeugendes Argumentations-Arsenal auf Lager. Der wirtschaftliche Erfolg der seinerseits von den Dogen geführten Stadtrepublik ist weltweit bekannt, ihr Rezept bewährt. Marco Polo, der die Einflüsse der Handelsmacht an den Lagunen bis nach China ausdehnte, war und ist nicht nur eine symbolträchtige Leitfigur, sondern ausgesprochen sympathisch und friedfertig. Unter seinem Banner bläst Morosin kräftig per Internet ins Horn. Die Wirkung seiner im Mai 2012 unter dem Motto „Selbstbestimmung“ gegründeten Bewegung ist beeindruckend. Die Frage „Willst Du, dass die Region Venetien eine unabhängige und souveräne Republik wird ?“ ist inzwischen von  rund 700.000 Bürgern bejaht worden. Ende dieser Woche wird das virtuelle Referendum abgeschlossen und sein Ergebnis bekanntgegeben. Morosins „Autodeterminazione“, deren aktuelle Fortentwicklung unter plebiscito.eu nachzuverfolgen ist, will die Regionalregierung dazu zwingen, den Kurs Unabhängigkeit einzuschlagen. Das Volk müsse mitwirken können. In Veneto werde zudem eine eigene Sprache gepflegt, es gebe eine eigene Tradition und Identität. Bis zur Okkupation durch Napoleon 1797 habe es einen eigenen Staat gegeben.

Auch die ökonomischen Gründe sind nicht wegzuwischen. Export ist nach wie vor ein Schlager der starken Region. Von 70 Milliarden Euro, die jährlich an Steuern in die Zentrale nach Rom fließen, kommen nur 50 Milliarden wieder zurück. Morosin steht politisch – je nach Blickwinkel – in Konkurrenz oder in Übereinstimmung mit dem Tun des Überraschungs-Kometen der jüngsten Wahl Beppe Grillo und seiner Fünf-Sterne-Bewegung sowie der Lega Nord, die den Zenit ihres Wirkens wohl schon überschritten hat  Nach Grillos Meinung gibt es weitere Souveränitätskandidaten: Sardinien, Sizilien, Friaul, Triest und Lombardei. ++ (vk/mgn/20.03.14 – 079)

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Edinburgh, 15. Oktober 2012 (ADN). „Sind Sie dafür, dass Schottland ein unabhängiges Land sein soll ?“Das ist die Frage, die im Jahr 2014 den wahlberechtigten Bewohnern im Norden des Vereinigten Königreiches Grobritannien und Nordirland gestellt werden wird. Damit haben die Befürworter der schottischen Autonomie noch mehr Zeit gewonnen, um die 5,2 Millionen schottischen Bürger auf diese wichtige britische Gretchenfrage einzustimmen.

Dies ist Teil der Vereinbarung über ein Unabhängigkeitsreferendum, das am heutigen Montag, vom britischen Premierminister David Cameron und dem schottischen Regierungschef Alex Salmond unterzeichnet werden soll. Das Abkommen, in dem Cameron zahlreiche Zugeständnisse – wie beispielsweise den Wortlaut der eigentlichen Schlüsselfrage – machen musste, wurde neun Monate lang verhandelt. Wenn die Teilnehmer des Volksentscheids entsprechend votieren, wird Schottland demnächst ein selbständiger Staat.

Neben dem Zeitgewinn durch die Verschiebung des Referendum vom nächsten auf das übernächste Jahr, in dem auch die durch die kürzliche Olympiade erzeugte britische Einheits-Euphorie verblassen dürfte, fallen den Anhängern der schottischen Autonomie weitere Vorteile zu. So dürfen 16- und 17jährige mit abstimmen. Diese Regelung – so fürchten die britischen Unionisten – könnte dann in weiteren Landesteilen Großbritanniens Schule machen und dem Spaltpilz im Mutterland des ehemaligen britischen Weltreichs zusätzliche Nahrung geben.

Bislang hat die Einheit des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland mit dem nördlichen Drittel seines Staats-Territoriums drei Jahrhunderte gehalten. Sie steht nun auf dem Spiel. Es naht das Ende einer gemeinsamen historischen Epoche, die im Jahr 1707 mit der Fusion der Königreiche Schottland und England begonnen hatte. Erste sichtbare Risse zwischen beiden in der jüngsten Vergangenheit entstanden im Jahr 1999, als Schottland ein eigenes Parlament bekam. Bald wird über die endgültige Trennung entschieden. Scheidungsschmerz wurde bislang nicht registriert. ++ (au/mgn/15.10.12 – 294)

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Mainz/München/Bozen, 29. Septembner 2012 (ADN). Autonomiebestrebungen nehmen europaweit zu. Sie demonstrieren nachdrücklich das tatsächliche Scheitern des Europamodells von Jean Monnet und Robert Schuman, deren zentrales Lenkungssystem in dieser Woche nochmals von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt in einer von Maybritt Illner moderierten Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) leidenschaftlich verteidigt wurde. Assistiert von Bundespräsident Joachim Gauck, der auf die konkrete Frage einer jungen Frau direkte Demokratie und Volksentscheide in gdrechselten Sätzen wegen der noch immer nicht ganz mündigen Deutschen auf den Sanktnimmerleinstag verschob, sprach sich der 92jährige Hamburger energisch für die derzeit praktizierte repräsentative Demokratie und gegen eine“Volksdemokratie“ aus. Er argumentierte mit dem Schrumpfen der Bevölkerung in Europa – besonders auf deutschem Boden, in Italien und Skandinavien – und der Gefahr, dass der alte Kontinent global bedeutungslos wird. Europa zerbreche allein an der Tatsache, dass dort in rund 30 Sprachen kommuniziert wird. In einigen europäischen Regionen – so in Griechenland und Serbien – würden sogar noch völlig andere Buchstaben verwendet. Schmidt verstieg sich zu der Forderung, es sei das Beste, wenn in Europa nur noch Englisch gesprochen wird. Leider seien die Franzosen dagegen.

Die eigentlichen Wahrheiten waren zu Wochenmitte in einem ganzseitigen Beitrag der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) zu lesen. Berichtet wird über die neuen Aktivitäten der Südtiroler, sich von der staatlichen Lenkung aus der Zentrale in Rom loszulösen. Zitiert wird der Landeskommandant von mehr als 5.000 Südtiroler Schützen, Elmar Thaler.  „Alle wollen doch weg von Italien.“ Er führte im Frühjahr einen von den Schützen „Freiheitsmarsch“ genannten Aufzug an, der unter der Losung „Ohne Rom in die Zukunft“ stand. Nachdem die separatistischen Tendenzen in den vergangenen 20 Jahren nachgelassen hatten, weil ein Autonomieabkommen den Südtirolern die Selbstverwaltung und ungeahnten Wohlstand brachte, ließ die Finanzkrise ihren Widerstand gegen die italienische Zentralgewalt wieder aufflammen.  Dabei wollen die einen eine eigene Bergrepublik zusammen mit den Tirolern in Österreich  und den „Walsch-Tirolern“ im italienischsprachigen Trient. Für einen solchen Freistaat Tirol gibt es bereits einen Verfassungsentwurf.  Die anderen streben nach dem Anschluss an Österreich. Sie nennen das Wiedervereinigung, weil ihre Provinz vor fast einem Jahrhundert den Österreichern weggenommen und den Italienern als Kriegsbeute zugesprochen wurden.  

Gründe finden die Südtiroler für ihre Absetzbewegungen zuhauf. An vorderster Stelle steht der Saugmechanismus, mit dem die italienische Staatskasse das Geld aus den Alpen nach Rom fließen lässt. Nach den Worten des Generalsekretärs der Südtiroler Freiheitlichen, Michael Demanega, verlangt das „Diktat aus Rom“ in Person von Premier Mario Monti 1,2 Milliarden Euro aus Südtirol zur Sanierung des Staatswesens. „Wir haben kein Interesse, einen fremden Staat zu fianzieren. Wir wollen nicht herhalten für Italien“, zitiert die SZ den Parteichef. 

Zu den zahlreichen anderen selbstbewussten Bevölkerungsteilen in europäischen Kernländern zählt der Bericht die Katalanen in Spanien, die Schotten in Großbritannien und die Flamen in Belgien.  ++ (pl/mgn/29.09.12 -277)