Archive für Beiträge mit Schlagwort: berlin-Brandenburg

Leipzig, 31. Oktober 2013 (ADN). Der als Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler und letzter DDR-Verteidigungsminister seinerzeit bekanntgemachte Theologe Rainer Eppelmann bestach am Vorabend des Reformationsfestes in der Leipziger Thomaskirche mit extravaganten Belanglosigkeiten aus seinem früheren Leben. In der Veranstaltungsserie „Universitätsversper am Paulineraltar“ ergoss sich der Pfarrer aus Berlin-Brandenburg im Erzählen von Histörchen aus der Zeit seines seelsorgerischen Wirkens vor der deutschen Wiedervereinigung. Er erklärte die Genesis des Denkmals „Schwerter zu Pflugscharen“, das in der damaligen Sowjetunion im Jahr 1944 entstanden war und nunmehr den Eingangsbereich zum Gebäude der Vereinten Nationen (UNO) ziert. Das Geschenk der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) an die Weltgemeinschaft symbolisiert den globalen Friedenswillen der Völker. Es wurde später in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als Miniatur und Auszeichnungsgegenstand an besonders verdienstvolle Parteigänger der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) überreicht. Es sollen zwischen 50 bis 60 Exemplare auf diese Weise ihren Empfänger gefunden haben. Eppelmann schilderte in der Thomaskirche, wie die Symbolik dieses Mahnmals in origineller Weise gegen die DDR-Machthaber umgedreht wurde, indem in seiner Samaritergemeinde ein Jugendpfarrer das Schwerter-Pflugscharen-Symbol als Textilaufdruck entwarf und popularisierte. Letztlich fand es bei den Jugendlichen massenhaften Absatz. Eppelmann gestand, dass das Rohmaterial dafür aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf heimlichem Weg nach Berlin (Ost) geliefert wurde.

Da der Vortrag unter dem Motto „Ansage zur Zeit“ stand, dürfte Eppelmann an diesem Abend von einem fiktivem Oberlehrer das Prädikat „Thema verfehlt“ bekommen haben. Der letzte ostdeutsche Verteidigungsminister, der gern und oft als leidenschaftlicher und uneigennütziger Kämpfer gegen die abnormen Lauschaktivitäten der DDR-Staatssicherheit (Stasi) gehandelt wird, sagte nämlich kein einziges Wort zu dem von der National Security Agency (NSA) flächendeckend ausgelösten Abhör- und Spionagenotstand der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands. Die Krakenarme der US-amerikanischen Sicherheitsorgane haben den streitbaren ehemaligen Pastor offenbar als einen der ganz wenigen nicht erfasst. Er lebt gewiss noch – in nostaligische Rührseligkeit getaucht – zu Zeiten der immer noch unvollendet gebliebenen friedlichen Revolution, zu deren Heerführern er damals gezählt wurde. Das Heldenepos aus Zeitknappheit nicht noch ausführlicher erzählen zu dürfen, bedauerte er außerordentlich. Die Zeitvorgabe war eine halbe Stunde. Eppelmann hat sie dennoch weit unterschritten. So manchem Zuhörer war es dennoch zu lang und er verließ den Ort der Eppelmann’schen „Verbalschlacht“ noch vor dem eigentlichen Ende. ++ (me/mgn/31.10.13 – 298)

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Mittweida/Schneeberg, 29. Februar 2012 (ADN:). Das Überfall-Kommando stand morgens plötzlich vor der Tür und stellte den gesamten Dienstplan des Tages auf den Kopf. Das erklärte die Inhaberin eines kleinen privaten Hauskranken- und Pflegedienstes in dem sächsischen Geringswalde. Es sei wie im Kriminalfilm gewesen. Zwei Unterschiede gab es. Erstens: Es spielte sich tatsächlich ab. Zweitens: Die scharfen Waffen waren nicht Pistolen und Gewehre, sondern farbige Kugelschreiber, unzählige Fragebögen und Nerven aufreibende Verhöre. Die wenigen anwesenden Angestellten haben sich wie Verbrecher gefühlt. Auftraggeber des Einsatzes war die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Sachsen-Thüringen, Auftragnehmer der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). Der Trupp sollte die Pflegequalität prüfen und zog dazu alle Register denkbarer Repression. Die Leiterin sah sich nahe einer Herz-Attacke.

Das kleine Unternehmen ist nicht nur bodenständig und ortsansässig, sondern auch aufsässig – und zwar gegenüber der allmächtigen AOK Sachsen-Thüringen. Zu Recht, denn vor einiger Zeit hat es gegen die AOK einen Aufsehen erregenden juristischen Sieg vor einem Dresdner Gericht erstritten. Die AOK wollte dem Pflegedienst einen neuen diskriminierenden Rahmenvertrag aufnötigen. Dagegen wehrte sich der Pflegedienst, weil das Vertragsangebot den wirtschaftlichen Ruin bedeutet hätte. Um Druck auszuüben, scheute die AOK nicht einmal davor zurück, direkt auf die Patienten des Pflegedienstes zuzugehen und sie aufzufordern, sich eine andere Betreuungseinrichtung zu suchen. Der Konflikt für den Pflegedienst, der knapp ein Dutzend Mitarbeiterinnen zählt, war existenziell. Den Sieg Davids gegen Goliath besiegelte schließlich die Sozialgerichtsbarkeit, die den neuen AOK-Vertrag als verfassungswidrig klassifizierte. Er verletze die Pflegedienste in ihren elementaren Grundrechten. Das liegt dem Krankenkassen-Monopolisten bis heute schwer im Magen, denn seit mehreren Jahren dürfen jetzt alle anderen Pflegedienste in Sachsen den neuen AOK-Vertrag ignorieren.

Nun sollen die Querulanten in Geringswalde erneut mit Macht diszipliniert werden. Andere Geschütze werden aufgefahren, um die seinerzeitigen Auslöser des juristischen Befreiungsschlags gegen den Knebel-Kontrakt massiv zu diskreditieren und sogar zu kriminalisieren. Dazu wurde Mitte Januar dieses Jahres der MDK in Marsch gesetzt, um die Pflegequalität in Geringswalde zu kontrollieren. Der zentrale Begriff  Pflegequalität ist bis heute ein Phantom,. weil letztlich keiner – weder Experte noch Laie – genau weiß, was hinter dieser elementar lebenswichtigen, stark ethisch belegten Kategorie steckt. Das bestätigt sogar eine umfangreiche aktuelle Studie, die im Auftrag der Pflegekassen selbst entstanden ist. Prof. Martina Hasseler aus Hamburg und Prof. Karin Wolf-Ostermann aus Berlin sind die renommierten Autorinnen. Eine Essenz ihrer umfangreichen wissenschaftlichen und seit 2010 vorliegenden Untersuchung  ist, dass Pflegequalität nach den derzeitigen Kriterien nicht zu beurteilen ist. Das ist eine für die Krankenkassen niederschmetternde Erkenntnis, die sie gerne unter der Decke halten wollen. Um die finanziellen Folgen dessen zu vermeiden, bekämpfen sie deshalb ihre Vertragspartner im Pflegesektor um so verbissener und mit allen Mitteln – von raffinierter Kabale bis Brachialgewalt. Die Einschüchterungsstrategie funktioniert fast flächendeckend in Sachsen bis auf die tapfere Schar  in Geringswalde, die sich nun erneut zum Gang vor die Sozialrichter gezwungen sieht. Inzwischen kann das „Fähnlein der sieben Aufrechten“ seine Hoffnung jedoch in recht frische Muster-Urteile der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie des Sozialgerichts Münster setzen. ++ (zc/mgn/29.02.12 – 62)