Archive für Beiträge mit Schlagwort: Berufsbild

Köln, 23. August 2014 (ADN). Gibt es wirklich eine Grabsteinrüttelverordnung ? Die kaum fassbare Frage wird gleich zu Beginn einer Deutschlandfunk-Sendung am Sonnabend gestellt. Und die noch weniger wahrscheinliche und an Komik kaum noch zu überbietende Antwort folgt prompt: Ja. Es handelt sich bei dem Wortkonglomerat nur um einen klitzekleinen Mosaikstein bundesdeutscher Regulierungswut und des sich austobenden Bürokratieterrors. Dabei ist es bereits ein gewissermaßen popularisiertes Wortungetüm, das besser ausgesprochen werden kann und zungenverträglicher ist.  Eigentlich bildet es den Dachbegriff für zwei rechtlich verbindliche Verordnungen: Das sind die Richtlinien des Bundesinnungsverbandes der Steinmetze und die Technische Anleitung Grabmal. Beide Paragraphenmonster dienen dem Zweck, Verantwortung von oben nach unten abzuwälzen, das heißt von Behörden, Unternehmen und Institutionen auf den einfachen Bürger. Nicht einmal auf dem Gottesacker befindet er sich in himmlischer oder zumindest überirdischer Hand, sondern auch dort im Klammergriff der Bürokraten. Berufsgenossenschaften sind häufig die treibenden Kräfte, weil das Wegdelegieren des Haftungsrisikos zu ihrem Hauptbetätigungsfeld gehört.

Der Inhalt der detailreichen juristischen Machwerke unter dem Oberbegriff Grabsteinrüttelverordnung lässt sich auf wenige Sätze zusammenstutzen: Die Friedhofsträger, also die Friedhofsverwaltungen, müssen einmal jährlich die Standfestigkeit jedes Grabsteins prüfen, indem sie einen kräftigen Rütteltest vornehmen. Inzwischen reicht es nicht einmal, dies gefühlvoll mit der Hand zu tun, sondern es werden dazu ausgefeilte technische Gerätschaften eingesetzt und ausgeklügelte Methoden angewandt. Ist dieser Testlauf an einer Grabstätte negativ verlaufen und der Stein hat irgendwie nachgegeben, werden darüber unverzüglich die Angehörigen des Verstorbenen schriftlich informiert. Damit geht automatisch die Haftung für eventuell umkippende Grabsteine und deren Folgeerscheinungen auf die Familie über. Steinmetze, die das Grabmal liefern, stehen dafür nur in den ersten fünf Jahren in der Pflicht. Angesichts des sich auf diesem Sektor entwickelnden Expertentums dürfte der Zeitpunkt nicht mehr fern sein, an dem die Wirtschaftsverbände  ein neues Berufsbild samt Aus- und Fortbildungsprogramm präsentieren – nämlich das des „Grabsteinrüttlers“.

Diese und weitere Idiotien summieren und multiplizieren sich ins kaum Messbare auf viele andere Bereiche. Besonders beliebt sind ausufernde Schikanen bei Bauvorschriften. In Nordrhein-Westfalen ist darauf  eine Teuerungsrate von 30 Prozent im Hausbau in den vergangenen zehn Jahren zurückzuführen. Die Schuldigen für den Schwachsinn sucht man meist in Brüssel, obwohl dort nur das verordnet wird, was aus den einzelnen Mitgliedsländern angeregt oder gar angefordert wird. Der krankhafte Absicherungswahn, von dem Juristen, Verwaltungen und andere Bürokratien prächtig profitieren, erreicht immer mehr Lebensbereiche. Ein Kölner Psychologe sieht besondere Gipfelpunkte und Superlative in der Tätigkeit von Gestapo, NSA und anderen Geheimdiensten, die überall Feinde suchen und finden wollen. Täten sie das nicht, wären die Spionageapparate überflüssig.  ++ (bk/mgn/23.08.14 – 234)

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Hamburg/Wien, 28. Januar 2014 (ADN). Der Journalismus erlebt einen grundlegenden Wandel. Die sogenannte vierte Gewalt spaltet sich. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich den Macht-Hierarchien der Verlage unterwerfen sowie als Angehörige von Berufsverbänden, Verwertungsgesellschaften und Finanzamt nach außen anerkannt sind. Auf der anderen Seite befinden sich die Öffentlichkeitsarbeiter, die sich als agierende Personen mitten in die oftmals verwirrende Welt der Probleme begeben, dort agieren und gleichzeitig darüber berichten. Sie haben den Vorteil, vor Ort hautnah die Wirklichkeit zu atmen und ungefiltert Informationen in allen Facetten aufzusaugen. Das gelingt denen, die sich in das bisher propagierte klassische Bild des Journalisten als objektiver, unbeteiligter Beobachter eingliedern, nicht, auch wenn sie sich noch so sehr bemühen. Häufig gehören sie als sogenannte Edelfedern zu den gutbetuchten und hoch honorierten Vertretern der herrschenden Oberschicht. Es sind Protagonisten der Meinungsführerschaft, des Main-Stream.

Jetzt erwächst ihnen gleichwertige Konkurrenz. Diese sich als Antipoden herausschälenden Kollegen erweisen sich als Dualisten. Sie kennen mindesten beide Seiten der Medaille aus eigener Anschauung und Erfahrung. Dadurch werden letztlich ihre Berichte, Kommentare und Dokumentationen lebensnäher und glaubwürdiger.

Diese Spaltung einer Berufsgruppe ist wesentlich von den NSA-Enthüllungen zwar nicht ausgelöst, jedoch stark forciert worden. Die neuartige Journalistenriege tritt mit beachtlicher Artikulation an die Massen heran. Der inzwischen bekannteste ist Glenn Greenwald, der das publizistische Echo von Edward Snowden verkörpert. Auch Christoph Twickel, der die Hamburger Szene nach dem Motto „Recht auf Stadt“ aktiviert und dokumentiert, hat sich in dieser neuen medialen Disziplin profiliert. Der Wiener Schriftsteller und Kommunikationswissenschaftler Günter Hack nennt treffende Gründe dafür, dass die Grenzen zwischen Aktivisten und Journalisten in dieser Art verschwimmen. Der zivilrechtliche Zusatzschutz eines Journalisten, seine Quellen nicht offenbaren zu müssen, bietet die Bewahrung vor eventuellen Sanktionen. Das beweise die am 12. September vergangenen Jahres vom USA-Kongress bei laufender NSA-Debatte verabschiedete neueste Version des „Free Flow of Information Act“. Sie regelt den Umgang mit Whistleblowern.

In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) ist das Berufsbild so verwaschen und ambivalent, weil der Staat seine klare Abgrenzung absichtlich vermeidet. Genau das haben, so Hack, nämlich die Nationalsozialisten getan und mit ihrem Schriftleitergesetz diese Tätigkeit „so richtig exakt definiert.“ Danach war geregelt, wer als Journalist zu gelten und welche Aufgaben er zu erfüllen hat. „Speziell in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten wird man es verstärkt mit Menschen und Organisationen zu tun bekommen, die Anwälte oder Akteure des Themas sind, das sie bearbeiten“, formuliert Hack in Zeit-online.de. ++ (me/mgn/28.01.14 – 028)

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