Archive für Beiträge mit Schlagwort: Bundessozialgericht

Stuttgart/Frankfurt am Main, 1. März 2014 (ADN), „Dies ist eine rechtsstaatliche Bankrotterklärung des Gesetzgebers und der Sozialrechtsjudikatur.“ Mit diesem vernichtenden Urteil endet ein juristischer Fachbeitrag von Prof. Christina Escher-Weingart von der Universität Hohenheim in der jüngsten Ausgabe der Publikation „Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht“. Das bittere Fazit der Juristin fasst eine Analyse zusammen, die ein gespenstisches Bild auf die bundesdeutsche Sozialgesetzgebung wirft. An konkreten Beispielen wird gezeigt, mit welch unerbittlicher Rigorosität die Rentenkasse gegen Erben, Rechtsnachfolger oder Dritte nach dem Tod von Rentnern vorgeht. Dabei geht es um über das Sterbedatum hinaus im überzüchteten automatischen Geldsystem gezahlter Rentenzahlungen auf ein Bankkonto. Obwohl eigentlich nur gegenüber den Erben ein solcher Herausgabeanspruch der Rentenkasse besteht und diskutabel wäre, werden mit einem willkürlich in das Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) eingefügten Paragraphen ganz andere – besonders häufig Vermieter – geplündert. Escher-Weingart kommt zu dem Schluss:“ § 118 Abs. 3 und 4 SGB sind daher ein zivilrechtlicher Albtraum.“

An der Entstehungsgeschichte des Absatzes 4 dieses Paragraphen sehe man, dass er ohne Rücksicht auf die Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit eintgeführt worden ist, um der Rentenkasse „ohne Rücksicht auf Verluste“ einen solventen Zahlenden zu verschaffen. „Die Norm ist verfassungswidrig, was die Sozialgerichte, ohne überhaupt eine gründliche inhaltliche Prüfung vorzunehmen, mit lapidaren Plattitüden ablehnen,“ schreibt die Rechtsprofessorin. So werde in einem Urteil die Rüge des Artikel 14 Grundgesetz (GG) mit der Begründung abgelehnt, dass das Bundessozialgericht die Norm schon im Hinblick auf Artikel 3 GG geprüft habe und diese deshalb nicht verfassungswidrig sei. ++ (ju/mgn/01.03.14 -062)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn)

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Berlin, 12. Dezember 2012 (ADN).  Rentenansprüche aus Ghetto-Arbeit standen am Mittwoch im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zur Diskussion. Zwölf Experten gaben bei der öffentlichen Anhörung ihre Sachkommentare zu Rentenansprüchen ab, die bei der Beschäftigung und Arbeit in Ghettos während der nationalsozialistischen Zeit entstanden sind. Anlass der Sitzung waren Anträge von drei Oppositionsparteien, die auf die rückwirkende Auszahlung solcher Renten ab dem Jahr 1997 hinauslaufen. Das verweigerten die damit befassten Bundesregierungen bislang weitgehend. Hintergrund ist, das das Bundessozialgericht 23.818 Holocaust-Überlebenden im Jahr 2009 einen Rentenanspruch zuerkannt hat. Wie es in einer Parlamentskorrespondenz des Deutschen Bundestages weiter heißt, haben die Anspruchsteller entsprechende Zahlungen erst ab dem Jahr 2005 bekommen, obwohl das vor zehn Jahren verabschiedete „Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto“ (GZRBG) eine Geldauskehr ab 1997 vorsieht. Die Ausrede der Bundesregierung für ihre Verweigerungshaltung lautet, das Sozialrecht beinhalte ein maximale Rückwirkung von vier Jahren.

Der Vertreter des Center of Organization of Holocaust Survival in Israel, Uri Chanoch, berichtete zu Beginn der Ausschuss-Sitzung über seine Erfahrungen im Ghetto. Es habe sich nicht um Zwangsarbeit gehandelt, denn „wir wollten arbeiten“. Diese Unterscheidung ist maßgeblich, weil nach bundesdeutschem Recht Rentenansprüche nur durch freiwillige Arbeit entstehen.  Deswegen ist auch eine rentenrechtliche Lösung der Vorrang vor einer Entschädigungsleistung zu geben, erklärte der Sozialrichter Jan-Robert von Renesse aus Essen. Diese Variante ist nach Auffassung des Einzelsachverständigen auch die am wenigsten aufwendige.

Die Vertreter der Deutschen Rentenversicherung, Christoph Skipka und Franz Ruland, beharrten jedoch auf Einmalzahlungen als Entschädigung, die an das Lebensalter gekoppelt ist. Ähnlich äußerte sich ein Vertreter des Bundes Deutscher Sozialrichter.

Der Historiker Stephan Lehnstaedt vom Deutschen Historischen Institut Warschau sieht den Grund für die restriktive Haltung des bundesdeutschen Gesetzgebers und der Versicherung in geschichtlicher Unkenntnis und finanziellen Engpässen. In einem Rundfunkinterview bemängelte er, dass die zuständigen Verantwortlichen der Rentenversicherung nur acht Bücher zu dem Problemkreis gelesen haben und damit glauben, genug über das Funktionieren von Ghetto-Arbeit zu wissen. Zudem seien sie lange von einer Bestandszahl von 400 Ghettos in Osteuropa ausgegangen. Die mit der Materie befassten Historiker, die im Übrigen nie von den Rentenversicherern zu Rate gezogen worden sind, hätten in diesem Bereich die Existenz von 1.150 Ghettos – also fast die dreifache Zahl – nachgewiesen. Lehnstaedt bezifferte die Zahl der bis etwa 2005 eingegangenen Renten-Anträge auf etwa 70.000. Nach dieser ersten Runde seien in den vergangenen zehn Jahren noch einmal bis zu 15.000 Anträge dazu gekommen.  Dabei gehe es jeweils um eine monatliche Rentenzahlung zwischen 150 und 200 Euro.

Inzwischen gewinnt der Konflikt eine auffällige internationale Dimension, denn Betroffene haben eine Sammelklage in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) angekündigt. ++ (zw/mgn/12.12.12 – 351)

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