Archive für Beiträge mit Schlagwort: Bürgerrechtler

Leipzig, 17. Juni 2015 (ADN). Mehr als eine Million DDR-Bürger in 700 Städten und Gemeinden waren vor 62 Jahren auf die Straßen gegangen, um gegen ihre Regierung zu demonstrieren. Zunächst protestierten vor allem Bauarbeiter gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen, dann folgten massive Forderungen nach freien und geheimen Wahlen. Darauf wies am Mittwoch in Leipzig der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Stephan Hilsberg in Leipzig in einer Gedenkrede hin. Der Regierung und SED-Führung unter Walter Ulbricht, die am Hauptstandort der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) in Berlin-Karlshorst Zuflucht fanden, sprangen die Truppen der Roten Armee zu Hilfe. Mit militärischer Gewalt wurde der Volksaufstand unterdrückt. Nach den Worten von Hilsberg folgten diverse Repressionen, darunter die Verhaftung von etwa 6.000 Bürgern. Die Behinderung der Kirchen gipfelte in Verfolgung. An der mecklenburgischen Ostseeküste begann die Aktion „Rose“.

Dies schildert Hilsberg und nannte seltsamen Phänomene der Jetzt-Zeit deutlich beim Namen. So regiere heute in Sachsen ein direkt aus dem DDR-Kadersystem stammender Ministerpräsident. Als noch weitaus bedenklicher zu beurteilen sei der Tatbestand, dass am heutigen Gedenktag des 17. Juni zwei ehemalige SED-Opfer von den gegenwärtigen bundesdeutschen Behörden in Erfurt zwangsweise aus ihren Wohnungen geworfen werden.

Die Ansprachen von Hilsberg und weiterer Redner gingen teilweise im Lärm von Baumaschinen, quietschender Straßenbahnen und aufheulender Motoren der Straßenfahrzeuge unter. Die Würde der Gedenkveranstaltung war – wie übrigens im Vorjahr auch schon – mehr als gefährdet. Die mehrfach ausgesprochenen Warnungen, dass der 17. Juni ins Reich des Vergessen zu fallen droht, erwiesen sich als berechtigt.

Eine Abendveranstaltung des Comenius-Clubs bestätigte das auf stille, aber erschreckende Weise. Es wurde zur Kenntnis genommen, dass sich die bürgerlichen Kräfte im Zustand permanenter Erstarrung befinden und die Extremisten sich auf intelligente Weise Oberwasser verschaffen. Vera Lengsfeld erinnerte daran, dass die westdeutsche RAF noch Banken überfallen hat, um an Geld zu kommen. Heute bräuchten die Extremisten – links oder rechts – nur die richtigen Förderanträge auszufüllen, um aus der Staatskasse alimentiert zu werden. Der Leiter der Leipziger Stasi-Gedenkstätte, Tobias Hollitzer, äußerte – in Abwandlung des geflügelten Wortes von Bärbel Bohley – den äußerst bedenkenswerten Satz: „Zum Glück bekamen wir den Rechtsstaat und nicht die Gerechtigkeit.“ ++ (dk/mgn/17.06.15 – 127)

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Fürstenwalde, 10. September 2014 (ADN). Das unter schweren Opfern erkämpfte Selbstbestimmungsrecht der ehemaligen DDR-Bürger wurde von westlichen Kapital- und Machtinteressen in kürzester Zeit an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Das vor genau 25 Jahren im brandenburgischen Grünheide bei Fürstenwalde gegründete zivile Bündnis „Neues Forum“, das sich binnen weniger Wochen zur stärksten Bürgerrechtsbewegung entwickelte, wurde in fast ebenso rasantem Tempo wieder marginalisiert. Einer der Protagonisten der neuen Organisation, deren Anerkennung von den DDR-Behörden in Gestalt des Innenministeriums zunächst verweigert wurde, war der Physiker und Kernkraftgegner  Sebastian Pflugbeil. Er formuliert es im Deutschlandradio Kultur so: „Die Basis, die wir damals hatten, in der Bevölkerung, die war von der einen Minute auf die andere weg..“ Im Februar 1990 schlossen sich „Neues Forum“ und andere Bürgerbewegungen zur Wahlvereinigung „Bündnis 90“ zusammen, um an der DDR-Volkskammerwahl am 18. März 1990 teilzunehmen. Sie kamen nur auf zwei Prozent. Der zivile Ungehorsam und das Programm der Bürgerrechtler sowie weiterer Dissidentengruppen war binnen kürzester Zeit von einer kaum zu beschreibenden Proapanda-, Macht- und Geldwalze der herkömmlichen Parteien – an der Spitze  die Christlich Demokratische Union (CDU) – überrollt und zerquescht. Wahlplakate mit einem montrösen Porträt von Helmut Kohl wurden allerorten aufgestellt, geklebt und angehängt. Sogar auf den Gebäudetrümmern eines wenige Monate zuvor von einer Bergbau-Katastrophe heimgesuchten Ortes in der südthüringischen Rhön wurden ohne jede Pietät Aufsteller mit dem überlebensgroßen Abbild des „Eroberers“ aus Oggersheim installiert. 

Nach den Worten von Pflugbeil haben die Oppositionellen um 1989/90 für einen Rechtsstaat gekämpft. „Die andere Frage ist, ob wir jetzt einen haben.“ Es gebe gegenwärtig harte Probleme, die beinahe für gravierender zu halten sind, als das, was die Ostdeutschen vor 25 Jahren geplagt hat. Als Beispiel nannte er die Enthüllungen um geheimdienstliche Überwachungen in Europa. Die Bürgerrechtler setzten sich in der DDR dafür ein, Überwachung mit Abhörgeräten, Videokameras und Postkontrollen durch den Staatssicherheitsdienst abzuschaffen. Was in den vergangenen Monaten zu erfahren gewesen sei, „da sind wir durchaus nicht besser dran jetzt.“ Auch die Bürgerbeteiligung heute hält er für bedenklich: „Wir wollten Dialog mit den Mächtigen, den haben wir jetzt auch nicht.“  ++ (dk/mgn/10.09.14 – 253)

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Leipzig, 6. Juli 2014 (ADN). Der prominenteste und bekannteste Vertreter der Friedlichen DDR-Revolution in Leipzig, Christian Führer, hat die reformatorischen Erkenntnisse bewusst ins Leben übertragen. Das erklärte Pfarrer Bernhard Stief am Sonntag in seiner Predigt beim Trauergottersdienst für Christian Führer in der Leipziger Nikolaikirche. Mit den Friedensgebeten vor Ort in den 80er Jahren und der von ihm für die Nikolaikirche ausgegebenen Losung „Offen für alle !“ habe der  Theologe, Pfarrer und Bibelinterpret Christian Führer, der vor knapp einer Woche 71jährig in seiner Heimatstadt Leipzig gestorben war, stets auf Augenhöhe mit der DDR-Staatsmacht gestanden und gehandelt. Mit dem unaufdringlichen, aber unwiderlegbaren Argument, Gott kenne keine Zugangsbeschränkungen, habe der leidenschaftliche Sympatisant der Bekennenden Kirche und ihrer Vertreter Dietrich Bonhöfer und Martin Niemöller ausnahmslos jedem Zutritt zu „seiner“ Nikolaikirche ermöglicht. In der Endphase der DDR füllten sogar viele Ungläubige und Atheisten das Gotteshaus, um von dem unerschütterlichen Friedensenthusiasten Führer Trost und Zuspruch für scheinbar aussichtslose Lebenssituationen zu finden. Führer bezog seine innere Überzeugung aus der Bibel im Allgemeinen und der Bergpredigt Jesu im Besonderen.  Das verdeutlichte er unzählige Male während seiner 40jährigen Amtszeit als Seelsorger – davon die letzten von 1980 bis 2008 in Leipzig. Als er vor wenigen Wochen den Nationalpreis erhalten hatte, reagierte Christian Führer auf für ihn befremdend wirkende Presseberichte mit dem eindeutigen, auf den christlichen Glauben gestützten Credo: „Ich bin kein Bürgerrechtler, sondern Pfarrer“. Deshalb verkörpere die Friedliche Revolution ein Ereignis biblischen Ausmaßes. Auch die Befreiung von Südafrika sei durch Gebete vollzogen worden.

Nach den Trauergottesdienst wurde der Verstorbene auf dem Friedhof von Langenleuba-Oberhain an der Seite seiner im vorigen Jahr verstorbenen Frau Monika beigesetzt. In dem mittelsächsischen Ort, in dem er zusammen mit zwei älteren Schwestern aufgewachsen ist und in dem sein Vater ebenfalls als Pfarrer tätig war, befindet sich auch das Grab seiner Eltern. ++ (rv/mgn/06.07.14 – 186)

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Dresden, 29. Juni 2014 (ADN). „Asyl ! Wir am Elbhang sind so lieb & nett, d’rum hat Ed Snowden hier ein Bett“. Dieser Slogan prangt an einer großen Villa in Dresden-Pillnitz und bietet dem US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden ein romantisches Quartier am sonnigen Elbufer für einen dauerhaften Aufenthalt an. Die auf ein großes weißes Transparent gemalte Einladung konnten die Gäste des am Sonntag in Dresden beendeten dreitägigen 24. Elbhangfestes registrieren. Die Veranstalter des aus der Bürgerrechtsbewegung von 1989 hervorgegangenen äußerst beliebten Volksfestes beweisen nicht nur damit ihre weitere kritische Begleitung offizieller Politik in Stadt und Land. So verbreiteten auf einem Wagen des Festumzugs „OSZE-Beobachter“ – personifiziert als Klavierspieler und Gitarrist – unter dem Motto „Es überwache sich, wer kann“ musikalisch äußerstes Misstrauen gegen bundesdeutsche Geheimdienstaktivitäten. Sie absolvierten vor der Winzerei und Straußenwirtschaft des bekannten Pillnitzer Bürgerrechtlers Christian Decker eine Sonderaufführung und wurden dafür vom Inhaber mit einem Glas Wein belohnt. Sein ehemaliger Mitstreiter Jürger Flade dirgierte in der fröhlichen Runde später ein Volksliedersingen. Am Abend genossen zahlreiche Gäste im großen Garten der Familie Eckoldt Marionetten- und Puppentheater-Vorstellungen, bei denen stadt- und landespolitische Miss-Stände aufgespießt wurden. Dabei trat auch Sachsens Ministerpräsident Stanslaw Tillich in Gestalt einer Puppe auf der Bühne in Erscheinung. ++ (bg/mgn/29.06.14 – 179)

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Leipzig, 31. Oktober 2013 (ADN). Der als Widerstandskämpfer, Bürgerrechtler und letzter DDR-Verteidigungsminister seinerzeit bekanntgemachte Theologe Rainer Eppelmann bestach am Vorabend des Reformationsfestes in der Leipziger Thomaskirche mit extravaganten Belanglosigkeiten aus seinem früheren Leben. In der Veranstaltungsserie „Universitätsversper am Paulineraltar“ ergoss sich der Pfarrer aus Berlin-Brandenburg im Erzählen von Histörchen aus der Zeit seines seelsorgerischen Wirkens vor der deutschen Wiedervereinigung. Er erklärte die Genesis des Denkmals „Schwerter zu Pflugscharen“, das in der damaligen Sowjetunion im Jahr 1944 entstanden war und nunmehr den Eingangsbereich zum Gebäude der Vereinten Nationen (UNO) ziert. Das Geschenk der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) an die Weltgemeinschaft symbolisiert den globalen Friedenswillen der Völker. Es wurde später in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) als Miniatur und Auszeichnungsgegenstand an besonders verdienstvolle Parteigänger der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) überreicht. Es sollen zwischen 50 bis 60 Exemplare auf diese Weise ihren Empfänger gefunden haben. Eppelmann schilderte in der Thomaskirche, wie die Symbolik dieses Mahnmals in origineller Weise gegen die DDR-Machthaber umgedreht wurde, indem in seiner Samaritergemeinde ein Jugendpfarrer das Schwerter-Pflugscharen-Symbol als Textilaufdruck entwarf und popularisierte. Letztlich fand es bei den Jugendlichen massenhaften Absatz. Eppelmann gestand, dass das Rohmaterial dafür aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf heimlichem Weg nach Berlin (Ost) geliefert wurde.

Da der Vortrag unter dem Motto „Ansage zur Zeit“ stand, dürfte Eppelmann an diesem Abend von einem fiktivem Oberlehrer das Prädikat „Thema verfehlt“ bekommen haben. Der letzte ostdeutsche Verteidigungsminister, der gern und oft als leidenschaftlicher und uneigennütziger Kämpfer gegen die abnormen Lauschaktivitäten der DDR-Staatssicherheit (Stasi) gehandelt wird, sagte nämlich kein einziges Wort zu dem von der National Security Agency (NSA) flächendeckend ausgelösten Abhör- und Spionagenotstand der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands. Die Krakenarme der US-amerikanischen Sicherheitsorgane haben den streitbaren ehemaligen Pastor offenbar als einen der ganz wenigen nicht erfasst. Er lebt gewiss noch – in nostaligische Rührseligkeit getaucht – zu Zeiten der immer noch unvollendet gebliebenen friedlichen Revolution, zu deren Heerführern er damals gezählt wurde. Das Heldenepos aus Zeitknappheit nicht noch ausführlicher erzählen zu dürfen, bedauerte er außerordentlich. Die Zeitvorgabe war eine halbe Stunde. Eppelmann hat sie dennoch weit unterschritten. So manchem Zuhörer war es dennoch zu lang und er verließ den Ort der Eppelmann’schen „Verbalschlacht“ noch vor dem eigentlichen Ende. ++ (me/mgn/31.10.13 – 298)

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