Archive für Beiträge mit Schlagwort: Dritter Stand

Berlin, 27. Juli 2014 (ADN). Die eurozentristische Sicht der Dinge war nie unumstritten. Sie muss inzwischen mit einer Gegenrede rechnen, die lauter wird. Das stellt Andrea Dernbach in einer Berliner Tageszeitung am Sonntag fest. Nach ihren Worten erforschen und publizieren Aktivisten, Migranten und Wissenschaftler, „welche Gewalt es brauchte und braucht, um den Abstand zwischen denen da im Norden und denen da im Süden der Welt herzustellen und zu halten.“ In einem Land, dessen Unter-Sechsjährige  schon in der Mehrheit die Kinder von Migranten sind, sei die Festlegung von Oben und Unten soziales Gift. Der weltweite Dritte Stand  werde auch in Deutschland bald alles sein.

Warnend verweist die Autorin auf die Unerbittlichkeit der Geschichte. Jede Revolution beginne in den Köpfen. Und zwar in den Köpfen derjenigen, die auf die Barrikaden steigen, die etwas zu gewinnen und wenig zu verlieren haben. Sie verkörpern den „Dritten Stand“, der um 1789 im revolutionären Frankreich 98 Prozent der Bevölkerung -also so gut wie alle – umfasste. Die erstplazierten Adligen und Kirchenfürsten waren ein verschwindend geringer Teil. Fast 200 Jahre später klinge das im Slogan der Occupy-Bewegung in dem Satz nach „Wir sind die 99 Prozent“. Adels- und Priesterkaste sind inzwischen noch um einen Prozent kleiner.

Die Erkenntnis, alles zu sein, ist ein Weg der Selbstermächtigung, so Dernbach. Die alten Schlachten seien nie vollständig geschlagen. Die Revolutionäre von 1789 seien aber weit gekommen. Eine neue Emazipation stehe aber noch gänzlich aus: die des globalen Dritten Standes, der einmal Dritte Welt hieß.  ++ (gl/mgn/27.7.14 – 207)

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Paris/Zürich, 18. Juni 2014 (ADN). Als „Geburtsstunde des kontinentalen Parlamentarismus“ würdigt die „Neue Zürcher Zeitung“ am Mittwoch die Konstituierung der französischen Nationalversammlung vor 225 Jahren. „Am 17. Juni 1789 erklärte sich das französische Bürgertum zur Nationalversammlung. Dieser Bruch mit den bisher geltenden Regierungsprinzipien läutete die Französische Revolution ein“. Das Schweizer Blatt schreibt weiter: „Nach vier Wochen ergebnisloser Beratungen der in Versailles versammelten Generalstände beschlossen am 17. Juni 1789 die Deputierten des dritten Standes mit grosser Mehrheit, sich als Nationalversammlung zu konstituieren. „Das habe mehr bedeutet als nur eine Umbenennung einer ständischen Versammlung. Es sei ein großer revolutionärer Akt gewesen. Das Bürgertum habe damit die traditionelle politische Gesellschaft des Ancien Regime zerstört und eine neue vom König unabhängige, souveräne Gewalt geschaffen.

Nach zweitägiger Debatte habe man den Vorschlag des völlig unbekannten Abgeordneten Legrande, sich als „Nationalversammlung“ zu bezeichnen, mit großer Mehrheit angenommen. Durch einen feierlichen Treueeid band man sich an das Amt, das man sich gerade selbst verliehen hatte. Das Recht auf Steuerbewilligung wurde erlassen und die Gläubiger des Staates unter den Schutz der Nation gestellt. Dies war wichtige Garantie für die Financiers. Zudem bot das den Schutz der Nationalversammlung vor dem ersten Zorn des Königs und des Hofes.

Eine erste Bekräftigung bekam die Verfassungsrevolution vom 17. Juni drei Tage später, indem sich eine Mehrheit der Geistlichkeit und eine Minderheit des Adels dem revolutionären dritten Stand anschlossen. Die Versammlung war nun nicht mehr nach strengen ständischen Regeln geordnet, sondern hatte sich als Versammlung unabhängiger Individuen zu lockeren Gruppen zusammengefunden. Dieses Prinzip heute wieder einzuführen, wäre Balsam für die Zivilgesellschaft und würde die verkrusteten Partei-Strukturen zum Wohl der Bürger wirkungsvoll zertrümmern. ++ (rv/mgn/18.06.14 – 168)

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