Leipzig, 11. Dezember 2014 (ADN). Es besteht die deutlich spürbare Tendenz, dass die „political correctness“ in den zentralen bundesdeutschen Medien zum Arbeits- und Betrachtungsmaßstab gemacht wird. Das gestand der prominente ARD-Dokumentarist und Filmemacher Hubert Seipel am Donnerstag in Leipzig in einer Diskussionsrunde mit angehenden Journalisten ein.  Zudem neigten Journalisten dazu, selbst Marken zu werden und ihre Redaktionen – beispielsweise „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) oder „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) in den Hintergrund treten zu lassen. Öffentlichkeit bedeute eben immer auch Eitelkeit. Darüber hinaus trete häufig das Phänomen zutage, sich zum Missionieren berufen zu fühlen. Davon solle man jedoch absehen und dies der katholischen Kirche überlassen. Seipel wies darauf hin, dass der machtpolitische Einfluss von Zeitungen zerbröselt. „Wir verlieren erstmals unsere Deutungshoheit“, betonte er. Den Medien werde nicht mehr alles geglaubt. Es gebe teilweise sogar grundsätzliche Auseinandersetzungen und heftige Diskussionen zwischen den Fernseh- und Zeitungsredaktionen einerseits und den Zuschauern, Zuhörern und Lesern andererseits. Exemplarisch sei das gestörte Ost-West-Verhältnis. Der Westen habe für eine wachsende Kluft zu Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin gesorgt. „Seit acht oder neun Jahren haben wir uns geeinigt, dass Putin das personifizierte Böse ist. Das geht nicht und wir können Russland nicht wegdiskutieren“, erklärte Seipel. 

Der langjährige Fernsehkorrespondent berichtete ausführlich über das höchst umstrittene Interview, das er kürzlich mit Wladimir Putin in Wladiwostok geführt hatte und das in der ARD-Talk-Sendung mit Günther Jauch ausgestrahlt wurde. Ihm selbst habe es den Ruf eines Putin-Verstehers und der Kreml-Freundlichkeit eingebracht, weil er das Gespräch nicht mit verbaler Brachialität wie sonst andere führte. Wenn er eine solche Alpha-Männchen-Position eingenommen und den Dialog auf einen reinen Schlagabtausch reduziert hätte, wäre das Interview nach zehn Minuten zuende gewesen. Er empfinde sich nicht als typischer Enthüller. Im Übrigen seien die Zuschauer halb so blöd als oft gedacht. Auch sei er keineswegs ein Anhänger von Talk-Shows. Zu der Sendung mit Jauch musste er aber gehen, damit dem Moderator nicht das Feld überlassen wurde. Jauch habe Putin als Symbol des Bösen präsentiert.

Über die Sanktionen gegen Russland äußerte sich Seipel sehr nachdenklich. Bisher hätten sie nichts gebracht, dennoch wirkten sie desaströs. „Sanktionen sind die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, so Seipel. Wenn die Rohstoffpreise weiter fallen, würden die russischen Reserven von derzeit noch 540 Milliarden US-Dollar relativ schnell schmelzen. Zu seinem persönlichen Eindruck über Putin befragt entschloss sich Seipel zu der kurzen Formel „intelligent, schnell und charmant“.

Die zu der Reihe „Leipziger Journalistik-Forum“ gehörende Veranstaltung in der Universität Leipzig wurde von Prof. Ruprecht Eser, einem ehemaligen prominenten Fernsehkorrespondenten und Nachrichtensprecher des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), initiiert. Eingeladen werden renommierte Journalisten, Medienschaffende und Experten. Anhand aktueller Außenpolitik und medialer Berichterstattung wird diskutiert, wie Nachrichten beeinflusst werden und was guten Journalismus ausmacht. ++ (ge/mgn/11.12.14 -344)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), adn-nachrichtenagentur, SMAD-Lizenz-Nr.101 v. 10.10.46 

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