Berlin, 20. November 2013 (ADN). Kultur, Freiheit und Demokratie sind die am meisten missbrauchten Begriff des deutschen Sprachschatzes. Zudem hat sich herausgestellt, dass die bundesdeutsche und die DDR-Bürokratie eines Geistes sind. Sie haben sich nach dem Jahr 1990 am reibungslosesten vereinigen lassen im Vergleich zu den anderen gesellschaftlichen Bereichen der beiden deutschen Staaten. Das erklärte der Architekt und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates der Hermann-Henselmann-Stiftung, Prof. Wolf Rüdiger Eisentraut, am Mittwochabend in Berlin bei einem Bürgerforum unter dem Titel „Beruf und Berufung“ m Berliner Freizeitzentrum Marzahn. Die Kulturstätte gehört zu den zahlreichen Bauwerken, die der gebürtige Chemnitzer in Berlin und in Ostdeutschland entworfen und gebaut hat.
Eisentraut, der als harter Kritiker destruktiver Baupolitik nach der Wiedervereinigung Deutschlands gilt, geißelte erneut den „Abriss Ost“. Bei diesem eigentlich von der Bundesregierung aufgelegten und offiziell „Stadtumbau Ost“ genannten Programm wurden Zehntausende Wohnungen in sogenannten Plattenbauten der ostdeutschen Städte liquidiert. Die Behauptung insbesondere von altbundesdeutschen Baufachleuten, die standardisierten Wohnbauten der DDR taugten in Qualität und städtebaulicher Hinsicht nur wenig, sei aus der Luft gegriffen und basiere allenfalls auf Vorurteilen. Mit seinen beiden Architekturbüros in Berlin und Plauen habe er erst kürzlich Plattenbauten im sächsischen Vogtland umgestaltet. Dabei habe sich erwiesen, dass die inneren Strukturen und die Stahl-und Schweißverbindungen der mehr als 30 Jahren alten Häuser so gut wie neu sind. Die in der DDR industriell errichteten Wohngebäude können nach seiner Ansicht bis zu 150 Jahre alt werden, ohne wesentlich an Gebrauchswert zu verlieren. Im Übrigen habe das DDR-Bauwesen auch eine enorme Effizienz bewiesen. „Was damals ein einziges Wohnungsbaukombinat in nur einem Jahr baute, dazu werden heute zehn Jahre benötigt“, so der engagierte Bauexperte und ehemalige Mitarbeiter des bekannten Architekten Hermann Henselmann. Die tatsächlich vorhandene, jedoch häufig geleugnete Flexibilität und Variabilität des Bauens mit industriell vorgefertigten Bauelementen biete enorme individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, die in der DDR nur nicht ausreichend ausgeschöpft wurden. Allerdings gebe es an derart nachhaltigem Bauen bei der Wirtschaft kein Interesse. Sie sei darauf erpicht, auch noch wenig betagte Bauwerke möglichst schnell abzureißen, weil die Bauindustrie an beidem – Neubau und Abriss – verdiene und Umsatz mache. Nach diesem Prinzip vergebe auch eine Bank ihre Baukredite. Den Finanzinstituten seien Erhaltung und Wiederververwertung betagter Bausubstanz keinen Pfifferling wert. Nach seinem jüngsten Projekt befragt, nannte der renommierte Architekt ein Bordell in Berlin-Schönefeld. ++ (ba/mgn/20.11.13 – 318)