Archive für Beiträge mit Schlagwort: Francois Mitterand

München, 22. August 2014 (ADN). Europa hat die Fähigkeit zu dauerhaften Friedensschlüssen verloren. Das stellt Gustav Seibt am Freitag in der „Süddeutschen Zeitung“ fest. Seine Schlussfolgerung begründet er unter sorgfältiger Vergleichsbetrachtung des Zeitraums 1814 bis 2014. Nüchtern und überzeugend zieht er Bilanz: „Schon der Krieg zwischen Preußen-Deutschland und Frankreich im Jahr 1870/71 ließ sich nur noch mit Mühe in einem Vertragswerk beenden. Der Versailler Vertrag, der 1919 nach dem ersten Weltkrieg eine neue internationale Ordnung begründen sollte, so wie es die Wiener Schlussakte von 1815 geleistet hatte, scheiterte innerhalb weniger Jahre. Dabei war die Gründung eines Völkerbundes als Versuch einer Verrechtlichung der Staatenordnung 1919 Teil des Vertragswerks, darin vergleichbar dem in Wien verkündeten Prinzip der Legitimität. Doch anders als 1814/15 wurde 1919 die besiegte Macht nicht als gleichberechtigter Partner zugelassen; Abschluss und Unterzeichnung des Vertrages fanden in Formen diplomatischer Brüskierung statt, die in früheren Jahrhunderten unvorstellbar gewesen wären und einen schneidenden Gegensatz zu der herausgehobenen Rolle darstellen, die der französische Vertreter Talleyrand in Wien hatte spielen dürfen.“

Der Trend setzte sich nach 1945 fort. Grenzverschiebungen und Umsiedlungen fanden ohne Zustimmung der besiegten Macht statt. An die Stelle von Friedensschlüssen sind, so der Autor, provisorische Regelungen getreten, die sich in eine neue übernationale, sogar über das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands hinausreichende  Ordnung halten konnten. Demgegenüber habe sich im Schatten der friedensvertragslosen Weltordnung während der Blockkonfrontation Neuartiges abgespielt, nämlich Versöhnungen. Die meisten fanden zwischen Deutschland und seinen Nachbarn Frankreich und Polen statt. Hass sei durch Symbolik abgebaut worden, personifiziert durch geachtete Politiker und Staatsmänner wie de Gaulle, Brandt, Mitterand und Kohl. An solchen mangele es gegenwärtig, wie der Konflikt zwischen Israel und Palästina beweise. „Es ist bitter, dass außer ein paar Intellektuellen, darunter auch Journalisten in Israel, derzeit kein Personal für diese Dimension der Verständigung sichtbar ist“, schließt Seibt. ++ (fr/mgn/22.08.14 – 233)

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Köln/Paris, 3. Mai 2012 (ADN). Der französische Präsident Francois Mitterand drängte darauf, die D-Mark möglichst in einer europäischen Währung aufgehen zu lassen, damit das wiedervereinigte Deutschland nicht zu der großen europäischen Hegemonialmacht werden sollte. Das stellte der Historiker Heinrich August Winkler am heutigen Donnerstag im Rundfunk fest. Resultat dessen sei die Währungsunion. Die Fiskalunion und die politische Union habe man zwar beschworen, aber nicht realisiert. Dieser fundamentale Geburtsfehler des Euro verursacht nach Meinung des Wissenschaftlers die gegenwärtige vehemente Diskussion in den Mitgliedsstaaten der Währungsunion. Viele haderten mit dem Ergebnis der bisherigen Bemühungen, eine Fiskalunion zu bilden.

Dieses Manko ist nach den Worten von Winkler dafür verantwortlich, dass in Europa die Gefahr der populistischen Bewegung mitnichten gebannt ist. „Diese Bewegungen haben in den Niederlanden ihre Stärke bewiesen, auch in den skandinavischen Ländern. Auch der Erfolg, der relative Erfolg der französischen Bewegung um Marine Le Pen mit einem geradezu triumphalen Ergebnis von über 17 Prozent beim ersten Wahlgang der Präsidentenwahl zeigt, wie stark diese Opposition der Globalisierungsverlierer gegen Europa ist“, erklärte der Historiker.

Der Fiskalpakt ist nach Meinung des Buchautors bisher nur ein Abkommen zwischen den Staaten, die zu einer Art engeren Zusammenarbeit, zu einer engeren Union bereit sind. Ob daraus jemals europäisches Recht wird, sei ungewiss. Es komme darauf an, dass keine neuen Parallelstrukturen entstehen. Das erfordere Änderungen der Verträge. „Möglicherweise müssen wir uns in der Bundesrepublik darauf vorbereiten, dass sogar die Frage einer Verfassungsrevision sich stellen wird und einer Abstimmung nach Artikel 146“, erklärte Winkler abschließend im Deutschlandfunk.

Der Grundgesetz-Artikel 146 lautet: Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in Freiheit beschlossen worden ist. ++ (dk/mgn/03.05.12 – 130)