Archive für Beiträge mit Schlagwort: Freispruch

Leipzig, 17. Dezember 2014 (ADN). Höchst fehlerhafte Sachbearbeitung und grob mangelhafte Organisation im Rechtsamt der Stadtverwaltung Leipzig führten zum Verkauf fremder Häuser und Grundstücke – sogenannter „Herrenloser Häuser“. Das ist jedoch nicht strafbar. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt Richter Rüdiger Harr vom Landgericht Leipzig am Mittwoch bei der Urteilsverkündung in einem langwierigen Strafprozess gegen drei ehemalige Mitarbeiter des Rechtsamtes und eine Rechtsanwältin, die vom Rechtsamt als sogenannte gesetzliche Vertreterin bestellt worden war. Eine Verurteilung hätte es nur bei nachgewiesenem Vorsatz und systematisch strafbarem Vorgehen geben können. Die Staatsanwaltschaft habe nicht einmal bedingten Vorsatz oder auch billigende Inkaufnahme von Unrecht belegt. Angesichts des hohen Arbeitsanfalls und der knappen Personaldecke im Rechtsamt sei mit Defiziten zu rechnen gewesen. Dass konkrete Arbeitsanordnungen und Dienstanweisungen nicht da waren, habe begünstigend gewirkt. „Die Struktur war wohl sehr hierarchisch geprägt“, so Harr. Zudem sei das Rechtsamt ein Amt mit vielfältigen Aufgaben in „stürmischen Zeiten“ gewesen. Die Fehler dürften zwar nicht bagatellisiert werden, aber für ein Strafurteil reichten sie eben nicht aus. Sie seien eher geeignet, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Keiner der Angeklagten habe sich bereichert. Insoweit fehle auch das Motiv. Auf gar keinen Fall handelt es sich um Korruption, betonte Harr. Die Angeklagten wurden allesamt „in vollumfänglichen Maße“ freigesprochen.

Das Strafverfahren war vor rund drei Jahren in Gang gekommen, nachdem Medien mehrfach über den unrechtmäßigen, von der Stadt Leipzig veranlassten Verkauf von Immobilien berichteten. Danach häuften sich die Verdachtsfälle, in denen das städtische Rechtsamt private Grundstücke verkaufte oder zum Verkauf freigab, indem es für die betreffenden Immobilien gesetzliche Vertreter bestallte. Das geschah sogar dann, wenn die wirklichen Eigentümer bekannt waren. Zudem wurde zumeist keine gründliche Erbenermittlung betrieben. Dass dazu keine Pflicht der Verwaltung besteht, darauf beriefen sich sowohl die Mitarbeiter des Rechtsamtes als auch gesetzliche Vertreter – meist Rechtsanwälte. Seit Bekanntwerden der zwielichtigen Praktiken stieg die Zahl der auf diese Weise von juristischen Dilettanten im Rechtsamt Leipzig in den vergangenen zwei Jahrzehnten verhökerten „Herrenlosen Häuser“ in Leipzig auf  700 bis 800. Nach vorherrschender Meinung der Justiz ist die Mehrzahl dieser Unrechtstaten ohnehin verjährt. Deshalb wurden exemplarisch fünf weitgehend aktuelle Fälle verhandelt.

Der Verband Deutscher Erbenermittler (VDEE) bestätigt, dass es in Sachsen keine gesetzliche Erbenermittlungspflicht gibt. Das betreffe im Übrigen fast alle Bundesländer außer Baden-Württemberg und Bayern. Der Verband, der darin eine erhebliche Verletzung von Artikel 14 Grundgesetz (GG) sieht,  bemängelt das in einem an die Bundesregierung gerichteten Forderungspapier.

Die Anklageseite in dem Leipziger Strafverfahren, namentlich Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz, erklärte, dass seine Behörde nummehr prüft, ob Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen ist. Dies müsse innerhalb der Frist von einer Woche geschehen. ++ (kr/mgn/17.12.14 – 350)

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München/Regensburg, 29. Juli 2014 (ADN). Zwischen dem jahrelang zu Unrecht in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik festgehaltenen Gustl Mollath aus Franken und seinem vom Landgericht Regensburg zugeordneten Pflichtverteidiger Gerhard Strate ist ein offener Konflikt ausgebrochen. Darüber berichtete das ARD-Magazin „report München“ am Dienstagabend. Mollath, der im Jahr 2003 auf Betreiben seiner in dubiose Schwarzgeldgeschäfte bei der Hypovereinsbank verwickelte Ehefrau wegen angeblicher an ihr begangener Straftaten angezeigt,  inhaftiert und per Gerichtsentscheidung zwangspsychiatrisiert worden war, hat in dem nunmehr in Gang gekommenen Wiederaufnahmeverfahren seinen Anwalt entlassen und will sich offensichtlich selbst verteidigen. Auch Strate ist bestrebt, das augenscheinlich unbequeme Verfahren loszuwerden. „report München“ stellt fest: „Sein Anwalt musste vom Gericht gezwungen werden, ihn weiter zu verteidigen. Schon zum zweiten Mal. Der Riss geht tiefer.“ Mollath hatte beispielsweise ohne Kenntnis und Einverständnis Strates einen eigenen Antrag vor Gericht gestellt.

Justizopfer Gustl Mollath, dem von der Justiz ursprünglich Wahnvorstellungen vorgeworfen wurden und der als gemeingefährlich bezeichnet wurde, will die wirklichen Hintergründe seiner Haft und gesellschaftlichen Isolierung aufdecken und  generell eine Art Systemfrage lösen. Das scheint nicht im Interesse von Gerhard Strate zu liegen. Gleiches gilt für das Landgericht Regensburg, das durch einen möglichst kurzen Prozess in Verbindung mit einem Freispruch des unübersehbar zu Unrecht Inhaftierten die mehr als peinlichen juristischen Pannen zu übertünchen oder auszuklammern versucht. Der Fernsehbericht zitiert Mollath mit dem Satz „Ich bleibe auf der Strecke und die Wahrheit allemal“.  Strafrechtler Prof. Henning Ernst Müller von der Universität Regensburg, der den Prozess beobachtet, springt den Justizbehörden zur Seite. Er sagte: „Es geht nicht darum, in einem Strafverfahren zu klären, wer anders hat Schuld daran, dass Herr Mollath untergebracht wurde.“ ++ (jz/mgn/29.07.07.14 – 209)

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Karlsruhe/München, 7. November 2012 (ADN). Die allseits gefeierte Marktwirtschaft ergreift alle Lebensbereiche und gefährdet damit fundamentale Werte einer Gesellschaft. Inzwischen sind auch Recht und Justiz zum Basar geworden.  Es wird gefeilscht, was das Zeug hält. Hauptakteure dieses Handels sind Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Richter, die dann den Kauf und Verkauf letztlich absegnen. Die Handelserlaubnis der Ware Recht heißt Paragraph 257c und ist Teil des Strafgesetzbuches (StGB). „Aus den Strafrichtern sind juristische Makler geworden, aus dem Strafgesetzbuch wurde ein Handelsgesetzbuch“, schreibt Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ im Vorfeld einer am heutigen Mittwoch stattfindenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in Karlsruhe. Seit dem Gesetz mit dem harmlosen Namen „zur Regelung von Absprachen im Strafprozess“ aus dem Jahr 2009 dürfe in jedem Strafprozess mit gesetzlicher Erlaubnis gedealt werden. Seitdem sei das von Kritikern „Handel mit der Gerechtigkeit“ genannte Prozedere offizieller Teil und Wesenskern des deutschen Strafrechts. Damit wurde die von der Bürgerrechtlerin Bärbel Boley aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geäußerte Befürchtung, dass die Ostdeutschen mit der Wiedervereinigung statt Gerechtigkeit den Rechtsstaat bekommen hätten, bei weitem in negativer Weise überboten. Da die ehemaligen Bürger der DDR jedoch in der Regel wesentlich weniger Geld in ihrer Schatulle haben als ihre Schwestern und Brüder in den sogenannten Alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland (BRD), sitzen sie demzufolge in überproportional hoher Zahl hinter den Gittern der Justizvollzuganstalten (JVA). Dort arbeiten sie für Stundenlöhne um einen Euro herum, unter anderem um Billgwaren möglicherweise für diejenigen herzustellen, die sich mit dem betreffenden Absprache-Gesetz freikaufen konnten. Ein praktisches Beispiel aus der JVA Berlin-Plötzensee belegt das eindrucksvoll. Während sich ein wohlhabender, soeben verhafteter Architekt aus dem Westteil der Metropole binnen weniger Stunden die Freiheit wieder einkaufen konnte, musste ein arbeitsloser armer Schlucker aus Weißensee im Ostteil Berlins mehr als ein Jahr im Knast verbringen.

Dass diese äußerst brisante und schändliche Regelung nicht erst vor drei Jahren erfunden wurde, sondern bereits viele Jahre praktiziert wird, belegt der Autor des Beitrags in der Münchner Tageszeitung ausführlich. Seit einem Vierteljahrhundert sei dieser Deal nun tägliches Geschäft bei den Strafgerichten. Schon 1990 habe eine Strafverteidiger-Vereinigung das bestätigt. Dieses tägliche Geschäft wurde sogar noch im Jahr 2005 per Grundsatzurteil des Großen Senats im BVG abgesegnet.

Prantl vergleicht das Verfahren mit dem Ablass-Handel der katholischen Kirche vor 500 Jahren. Gläubige konnten sich damals ihre Sünden abkaufen lassen. Der Freispruch des Mönches Johann Tetzel lautete „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“.  Nach den Worten von Prantl, der vor seiner journalistischen Laufbahn selbst einmal als Richter tätig war,  zerbrach an diesem Ablass-System, das den Priester zum Händler machte und die ewige Seligkeit ökonomisierte, damals der Glaube an die Kirche. Die Kritiker des gegenwärtigen Deals hegen die Befürchtung, dass der Glaube an das Recht wegen dessen Ökonomisierung zerbrechen könnte.  

Viel näher liegt wohl die grausame Erkenntnis, dass dieser Glaube längst zerbrochen ist.  Diese Wahrheit muss nur laut ausgesprochen und entsprechend oft wiederholt werden, damit sie auch die entlegenen Winkel der Gesellschaft erreicht.  Dazu ist „dem Volke auf’s Maul zu schauen“, um mit dem Mönch Martin Luther zu sprechen. Er hatte vor fast einem halben Jahrtausend seinen Berufskollegen Tetzel überführt und die Reformation ausgelöst. Dergleichen ist heute wieder vonnöten. Das bevorstehende 500jährige Jubiläum der Reformation bietet dafür beste Gelegenheit. Die Aufklärungs-Thesen müssen auch nicht nur an die Wittenberger Schloßkirche genagelt werden. Es gibt genügend Gotteshäuser und Kirchentüren in jeder Stadt und jedem Dorf, um  diese Tatsachen zu verkünden. ++ (ju/mgn/07.11.12 – 217)

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