Archive für Beiträge mit Schlagwort: Genossenschaften

Berlin, 7. Juli 2015 (ADN). „Bildung geht immer. Völkerverständigung auch. Mit Menschenrechten haben Finanzbeamte dagegen ein Problem, und auch mit Homosexuellen oder den Interessen schwarzer Menschen in Deutschland.“ Das stellt die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ am Dienstag fest. Vereine, die sich von Finanzämtern als gemeinnützig anerkennen und damit steuerrechtlich begünstigen lassen wollen, beißen daher hinsichtlich bestimmter Inhalte ihrer  Satzungen bei den bundesdeutschen Verwaltungen auf Granit. „In der Abgabenordnung sind genau 25 Betätigungsfelder für zivile Organisationen aufgeführt, die steuerrechtlich als gemeinnützig gelten. 2007 wurden sie zuletzt überarbeitet, doch auch Menschenrechte zählen noch immer nicht dazu“, heißt es in der Zeitung weiter. Sie zitiert Jörg Rohwedder, der eine Allianz von 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen koordiniert: „Die Abgabenordnung trägt der Entwicklung der Zivilgesellschaft nicht Rechnung.“. Das größte Hindernis sei das „Beharrungsvermögen der Verwaltung“.

Dass die Ursache der äußerst makabren Praxis der Finanzämter in der Rechtsgeschichte zu suchen sein könnte, geht aus dem Pressebeitrag nicht hervor. Bemerkenswerterweise nämlich wurde vor kurzem im Strafgesetzbuch ein lupenreiner Paragraph aus der Nazi-Zeit „plötzlich und unerwartet entdeckt“. Es geht um den Tatbestand des Mordes, der in der bundesdeutschen Rechtspraxis immer noch bis in die Gegenwart uneingeschränkt angewendet wird. Bedauerlicherweise ist es kein Einzelfall. So werden im Gesellschaftsrecht Genossenschaften immer noch unter Berufung auf eine Novelle aus dem Jahre 1934 zur Zwangsmitgliedschaft in einem Prüfverband verdonnert. Auch auf einem Nazigesetz aus dem Jahr 1934 fußt die Abgabenordnung von 1977, mit der die gesamte heutige deutsche Bevölkerung zur Kasse gebeten – besser zum Zahlen gezwungen  – wird. Beim genauen Hinschauen wird der Betrachter an zahllosen weiteren juristischen Baustellen fündig. Und das, nachdem die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren die gesamte undemokratische Gesetzgebung der nationalsozialistischen Diktatur von 1933 bis 1945 fristlos für null und nicht erklärt haben.  ++ (mr/mgn/07.07.15 – 146)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), adn-nachrichtenagentur, SMAD-Lizenz-Nr. 101 v. 10.10.46

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Hamburg/London, 5. Juli 2014 (ADN). Der von den Vereinten Nationen (UNO) ausgerufene Internationale Genossenschaftstag jährt sich am Sonnabend zum elften Mal und rückt bislang unbekannte Tatbestände zutage. So würdigte am Vortag das „Hamburger Abendblatt“  das Erscheinen einer von deutschen und englischen Genossenschaftern herausgegebenen gemeinsamen Zeitung, die unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges energisch für Pazifismus eintritt. Dieses „Internationale Genossenschafts-Bulletin“ stand ausdrücklich unter dem Leitsatz „Frieden und Eintracht zu verbreiten, das ist der Grundgedanke unserer Bewegung, die sich nicht auf riesenhafte Heere, sondern einzig und allein auf Menschenrechte aufbaut.“ Auf einen kompletten deutschsprachigen Bestand dieser Printreihe ist kürzlich der Historiker Burchard Bösche in einem österreichischen Archiv gestoßen. Mitten im Krieg habe der Präsident des niederländischen Genossenschaftsverbandes den Kontakt zwischen Hamburger und Londoner Genossenschaftern hergestellt, um die Fortsetzung der deutschen Ausgabe des Mediums zu verabreden.

„Dass sich ein solches Projekt über die Front hinweg tatsächlich realisieren ließ, ist fast unglaublich, “ schreibt das „Hamburger Abendblatt“. „Der organisatorische Ablauf lässt sich wie folgt rekonstruieren: Ab Frühjahr 1915  wurde die englische Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitung von London über die Zwischenstation Amsterdam nach Hamburg gebracht. Hier übersetzte man die Beiträge und produzierte die deutsche Ausgabe, die während der nächsten Jahre eine Auflage von 1.500 Exemplaren erreichte.“ Es habe sich aber keineswegs um eine rein britische Zeitschrift gehandelt, sondern um ein wirklich deutsch-englisches Projekt. So seien in umgekehrter Richtung deutsche Beiträge über die Niederlande nach London gebracht worden, wo sie in der englischen Ausgabe veröffentlicht wurden. Die Zeitung gab es seit 1907 in englischer, deutscher und französischer Sprache. Die deutsche und französische Ausgabe waren zunächst gleich nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges eingestellt worden, ist dem unter der Überschrift „Dialog über die Schützengräben hinweg“ stehenden Bericht zu entnehmen.

Nach Auskunft von Bösche hat das „Internationale Genossenschafts-Bulletin“ bisher so gut wie keine Rolle in der historischen Forschung gespielt, obwohl es sich um eine einzigartige Quelle zur Erforschung des Ersten Weltkriegs handelt. Um das zu ändern, beabsichtige er, die Jahrgänge 1915 bis 1918 als Reprint herauszugeben. ++ (gn/mgn/05.07.14 -185)

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Leipzig, 14. März 2014 (ADN). Die Genossenschaftsidee soll immaterielles Weltkulturerbe werden. Ein entsprechender Antrag, der deutschlandweit mehr als 220 Unterstützer gefunden hat, ist bei der UNESCO eingereicht worden. Darüber informierte der Vorsitzende der Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft, Dr. Dietmar Berger, am Freitag in Leipzig auf einer Veranstaltung der Schweizer Genossenschaft „Zeit-Fragen“. Im Jahr 2015 sei mit einer Entscheidung zu rechnen. Er teilte mit, dass es in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig 21, 6 Millionen Mitglieder in Genossenschaften gibt. In diesen Wirtschaftsunternehmen, die eine demokratische und staatlich unabhängige Geschäftstätigkeit im Sinne der Selbsthilfe pflegen, sind rund 910.000 Mitarbeter beschäftigt. Allerdings würden Genossenschaften trotz ihres enormen volkswirtschaftlichen Gewichts sehr stiefmütterlich behandelt. Beispielsweise bestehe über Genossenschaften sehr viel Unkenntnis – sogar bei den Wirtschaftsverbänden. So habe eine Analyse von 37 Gründungsfibeln aus regionalen Wirtschaftsorganisationen ergeben, das nur  einer dieser Ratgeber für Existenzgründer einen Hinweis auf Genossenschaften enthielt.

Kritische Anmerkungen zur Position maßgeblicher politischen Kräfte über Genossenschaften machte der Historiker Dr. Rene Roca vom schweizerischen Forschungsinstitut direkte Demokratie. Sogar in seinem Heimatland, das im Ausland als sehr genossenschaftsfreundlich gilt, seien erhebliche Vorbehalte gegenüber dieser Wirtschaftform zu verzeichnen. Der 2012 als UNO-Jahr der Genossenschaften ausgerufene Zeitraum habe in dem Alpenland nur sehr wenig Widerhall gefunden und keine bemerkenswerten Initiativen ausgelöst. Der Wissenschaftler kündigte an, dass im Jahr 2015 ein großer Weltkongress der Genossenschaften stattfindet. Er arbeite in einer der Arbeitsgruppen zur Vorbereitung.

Als eine wesentliche Ursache für die geringe Wertschätzung und Aufmerksamkeit gegenüber der Genossenschaftsidee bezeichnete der Kulturpublizist Urs Knoblauch aus Zürich die vernachlässigte Bildung von Elementarschulen über mittlere Institute bis hin zu Hochschulen. Der freie und kreative Geist, der durch Genossenschaften geformt und gefördert wird, verkümmere zusehends. ++ (gn/mgn/14.03.14 – 073)

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Marseille/Buenos Aires, 1. Februar 2014 (ADN). Die internationale Konferenz „Die Ökonomie der Arbeiter“ endet nach zweitägigen Beratungen und Diskussionen am Sonnabend in Marseille. Das seit dem Jahr 2007 regelmäßig unter der Regie der „Offenen Fakultät“ der Universität Buenos Aires organisierte Treffen fand erstmals in Europa statt.  Tagungsort in der französischen Stadt am Mittelmeer ist die von Arbeitern besetzte Teebeutel-Fabrik Fralib. Die  Vorgängerveranstaltungen waren ausnahmslos in Lateinamerika – Argentinien, Brasilien und Mexiko – ausgetragen worden.

Zu den Aktivisten auf diesem Gebiet gehört der Sozialwissenschaftler Andres Ruggeri. Er leitet an der Universität Buenos Aires eine Arbeitsgruppe, die seit dem Jahr 2002 den Sektor „Reaktivierte Betriebe“ erforscht. Diese systematischen Untersuchungen des Wandels kapitalistisch geleiteter in selbstverwaltete Firmen begannen zu Zeiten der tiefen Krise in Argentinien vor mehr als einem Jahrzehnt. Dort gibt es aktuellen Statistiken vom November 2013 zufolge inzwischen 310 Betriebe mit Selbstverwaltungsstruktur, in denen 15.500 Arbeiter tätig sind. Wie der Sozialforscher gegenüber der Tageszeitung „neues deutschland“ (nd“) weiter erklärte, liegen aus den anderen lateinamerikanischen Staaten weniger exakte Zahlen vor. In Brasilien gebe es einer Erhebung zufolge 70 reaktivierte Betriebe mit rund 8.000 Beschäftigten. In Uruguay, wo derzeit Daten erfasst werden, ist mit etwa 30 Betrieben und rund 2.000 dort Tätigen zu rechnen. Er vermutet, dass es in den USA und in Ostasien auch Beispiele gibt, über deren Existenz jedoch wenig bis nichts bekannt ist. Zu den Chancen selbstverwalteter Unternehmen in Europa sagte Ruggeri: „Die staatlichen Institutionen sind einflussreicher, die ökonomischen und repressiven Kapazitäten der Mächtigen sind wesentlich größer.“ Die reaktivierten Betriebe in Europa entstünden oftmals aus Konflikten gegen Standortverlagerung nach Osteuropa und Asien.     

Europa hat in der jüngeren Vergangenheit wenig Erfahrung mit wirtschaftlicher Selbstverwaltung gesammelt. Eine Ausnahme ist Jugolawien. Dort wurde im Jahr 1953 die Selbstverwaltung als Eigentumsform sogar in der Verfassung verankert. Drei Jahre zuvor hatte die Tito-Regierung ein Dekret erlassen, wonach in 215 großen Kombinaten Arbeiterräte gegründet wurden. Sie durften über sämtliche innerbetrieblichen Angelegenheit mitbestimmen.

Aufgrund der Wirtschaftskrise in Südeuropa befinden sich Selbstverwaltungs- und Genossenschaftsmodelle insbesondere in Spanien, Griechenland und der Türkei im Aufwind. Sie stehen auch im Mittelpunkt eines Konferenz-Workshops in Marseille.

In Deutschland, wo genossenschaftlich im tatsächlichen Sinne und der Mitarbeiterbeteiligung verpflichtete Firmen  lediglich ein Schattendasein fristen, wurden derartige breitenwirksame Bestrebungen wirtschaftlicher Selbstverwaltung mit diversen Mitteln zum Scheitern gebracht. Als herausragendes Symbol dessen gilt die berühmt-berüchtigte Treuhandanstalt (THA). Sie machte nach der Friedlichen Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) unzählige Versuche der Betriebsbelegschaften zur Übernahme ihrer Unternehmen, zunichte. Die meisten Firmen wurden trotz hoffnungsvoller Signale zur Selbstbefreiung durch die Betriebsangehörigen einfach stillbelegt und in die Insolvenz getrieben.  ++ (sv/mgn/01.02.14 – 032)

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Frankfurt am Main/Berlin, 30. Mai 2013 (ADN). Die DZ Bank zieht sich in ihrer Geschäftstätigkeit aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln zurück. Das bestätigte das Finanzinstitut in einem Schreiben an die Verbraucherorganisation „foodwatch“. Die Maßnahme gelte auch für das Tochterunternehmen Fondsgesellschaft Union. Details zu dem Rückzug erörterten DZ-Vorstand Lars Hille und „foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode in einem persönlichen Treffen. So sollen Wertpapiere auf der Basis von Agrarrohstoffen im Jahr 2013 auslaufen. Zudem werden keine Nachfolgeprodukte emittiert und keine Agrar-Derivate anderer Banken mehr vertrieben. Finanz-Produkte ohne Laufzeitende seien bereits von der Börse genommen oder den Kunden zum 3. Juni 2013 gekündigt worden.

Nach den Worten von Bode ist der Schritt des viertgrößten Kreditinstituts, zu dem 900 genossenschaftliche Volks-, Raiffeisen-, Sparda- und PSD-Banken gehören, ein Vorbild für andere Banken. Damit übernehme die DZ Bank die notwendige politische Verantwortung. Unter dem Motto „Der Nächste bitte !“ forderte Bode speziell die Deutsche Bank zu einer ähnlichen Entscheidung auf. Der ehemalige Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Josef Ackermann hatte dies noch zu seiner Amtszeit der Verbraucherorganisation zugesagt, jedoch später wieder einen Rückzieher gemacht. Der Verein „foodwatch“ hatte im Oktober 2011 mit der Schrift „Die Hungermacher“ auf die unseligen Folgen der Spekulation mit Nahrungsmitteln aufmerksam gemacht.

Zu den engagierten Gegnern der Börsenspekulation mit Agrarrohstoffen zählt auch der UN-Experte Jean Ziegler, der das Problem mit besonders drastischen Fprmulierungen zu beschreiben pflegt. In seinem Buch „Wir lassen sie verhungern“ schildert er das Schicksal von 2,2 Milliarden Menschen, die von der UNO als extrem arm eingestuft werden. Die Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel wie Reis oder Mais führe zu ihrer Vernichtung. Er scheut auch nicht vor den Vokabeln „Mord und Totschlag“ zurück, um die brutalen Finanz-Praktiken westlicher Konzerne zu charakterisieren. Zu ihnen gehöre das Finanzunternehmen Goldman Sachs, das sich nach seiner verstärkten Abkehr von Immobiliengeschäften nun vordergründig der Spekulation beispielsweise mit Zucker und Soja zugewandt hat. ++ (fi/mgn/30.05.13 – 144)

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Jena, 20. Januar 2012 (ADN). Die Satzung der vor mehr als 50 Jahren gegründeten Wohnungsgenossenschaft „Carl Zeiss“ Jena hat sich allmählich von den eigentlichen demokratischen Prinzipien einer Genossenschaft entfernt. Sie bedarf einer grundlegenden Überarbeitung und Neufassung. Das stellten die rund 200 Teilnehmer einer Mitgliederversammlung der Genossenschaft am Donnerstagabend in Jena fest. Inzwischen habe sich die Führungsspitze der Genossenschaft von dem eigentlichen Ziel guter, sicherer und sozial verantwortbarer Wohnungsversorgung abgewandt und sie zu einem rein gewinnorientierten Immobilienunternehmen degradiert. Nach den Worten von Michael Schmidt ist der Eindruck entstanden, dass die Genossenschaftsmitglieder als Miteigentümer entrechtet und zu Melk-Kühen instrumentalisiert werden.

Um diese und weitere schwerwiegende Vorwürfe zu erörtern, hatte eine in der Mitgliedschaft entstandene Initiativgruppe den Vorstand und Aufsichtsrat zu der Veranstaltung eingeladen. Die in beiden Führungsgremien Tätigen blieben dem Treffen dennoch ohne stichhaltige Begründung fern.

Zu ersten ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern und dem Vorstand hatte die unverständlich sprunghafte Erhöhung der Nutzungsentgelte im Herbst 2010 für die Genossenschaftswohnungen geführt, obwohl diese keiner spürbaren Sanierung unterzogen worden waren. Es wurde festgestellt, dass dies der bisherige Höhepunkt bereits mehrerer vorausgegangener Nutzungsentgelt-Steigerungen gewesen ist.

Thomas Mempel wies auf weitere Ungereimtheiten hin. So werde von älteren Mitgliedern, die innerhalb des genossenschaftlichen Wohnungsbestandes von einer  großen in eine kleinere Wohnung umgezogen waren, weiterhin der gleiche Betrag als Nutzungsentgelt abverlangt.

Die Versammlung traf mehrere Entscheidungen. So wurde die Initiativgruppe ermächtigt, mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat offiziell Gespräche aufzunehmen, damit die diversen Miss-Stände bereinigt werden. Außerdem soll diese Gruppe eine Zusammenkunft mit den Vertretern organisieren, um diese zwischen Vorstand und Mitgliedschaft stehenden Mitglieder auf ihre Verpflichtung zur Mitsprache nachdrücklich hinzuweisen. Im Übrigen wurde die Existenzberechtigung der Vertreterversammlung, die bei Genossenschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern üblich ist, intensiv diskutiert. Es sollen geeignetere Möglichkeiten der direkten Mitsprache und Mitentscheidungen in der Genossenschaft geprüft werden. So wurde vorgeschlagen, bei den Vorstandssitzungen ein direkt von der Mitgliedschaft ernannten Interessenvertreter zu installieren ähnlich einem Betriebsrat in einem großen Industrieunternehmen. ++ (gn/mgn/20.01.12 – 20)

Jena/Leipzig, 19. Januar 2012 (ADN). Der von den Vereinten Nationen (UNO) als Internationales Jahr der Genossenschaften ausgerufene Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012 steht bereits an seinem 19. Tag vor einer Zerreißprobe. In der thüringischen Industrie- und Wissenschaftsstadt Jena, in der die Sozial- und Industrieprotagonisten Ernst Abbe und Carl Zeiss ihre Ambitionen der Vereinbarkeit von zielstrebiger Industrieentwicklung und angemessener sozialer Begleitung einst ins Werk und in die Wirklichkeit umsetzten, steht am heutigen Donnerstag eine bedeutsame Entscheidungsschlacht bevor. Die Mitglieder der Wohnungsgenossenschaft „Carl Zeiss“ stellen diese hehre Idee auf den Prüfstand von Ist und Soll. Lange Zeit schwelende Auseinandersetzungen im Viereck Mitglieder-Vertreter-Vorstand-Aufsichtsrat stehen auf der Tagesordnung im Begegnungszentrum LISA im Jenaer Stadtteil Lobeda-West.

Zu klären ist, ob die ausgewogene demokratische, in der Genossenschaftssatzung verankerte Beteiligung der Mitglieder an den unternehmerischen Beschlüssen des Genossenschaftsvorstands noch gewährleistet ist. Die seit langem bestehenden Vorwürfe gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat sind gravierend. Haben einzelne Vorstandsmitglieder auf Kosten der Gemeinschaft in ihre eigenen Tasche gewirtschaftet und sind unzumutbar teure Investitionen ohne Rücksichts auf das Gemeinwohl-Interesse einer Genossenschaft in die Wege geleitet worden ? Das sind zwei Fragen eines mittlerweile zu einem explosiven Problemkomplex angeschwollenen Disputs insbesondere zwischen Genossenschaftsmitgliedern und Genossenschaftsvorstand. Am heutigen Abend soll der gordische Knoten zerschlagen werden. Wenn es wenigstens teilweise gelingt, würde das dem UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon gewiss ein Sekunden währendes Lächeln abgewinnen. Immerhin geht es um einen Jahrhunderte alten und bewährten Baustein der Demokratie und des basisorientierten regionalen Wirtschaftslebens. – die Genossenschaft. ++ (gn/mgn/19.01.12 – 19)

Jena/Berlin, 16. November 2011 (ADN). Genossenschaften sind besonders anfällig für Korruption, Misswirtschaft und persönliche Bereicherung Einzelner. Diese Schwäche greift aber nur, wenn die satzungsgemäß verankerte innergenossenschaftliche Demokratie nicht funktioniert. Eine derartige Feuerprobe hat derzeit Thüringens mit rund 6.500 Wohnungen größte Wohnungsgenossenschaft zu bestehen. Seit Monaten rumort es in den Reihen der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss Jena.  Das Vertrauen der Mitglieder an der Tätigkeit des dreiköpfigen Vorstands und dessen Geschäftsführung ist erheblich angekratzt.  Ein weiterer Siedepunkt im brodelnden Kessel steht am morgigen Donnerstag bevor. Auf einer Podiumsdiskussion sollen schwere Vorwürfe erörtert werden, in dessen Kern ein kostspieliges Bauprojekt im Zentrum der Universitätsstadt Jena und seine finanziellen Rahmenbedingungen stehen. Die Debatte hat sich insbesondere daran entzündet, dass nach Recherchen einiger Genossenschaftsmitglieder und deren Erkenntnissen der Vorstandsvorsitzende Thomas Buckreus plötzlich und unerwartet seinen gerade erst bis zum Jahr 2015 verlängerten Vertrag zum Ende dieses Jahres gekündigt hat. Als Grund nannte Buckreus die „Neuorientierung seiner Lebensplanung“. Da dies unmttelbar infolge der eingetretenen Vertrauenkrise geschehen ist,  wird befürchtet, dass Buckreus  sich seiner Verantwortung zu entziehen versucht.

Zudem besteht der Verdacht eines Zusammenhangs mit dem Berliner Bankenskandal und des Exports von Berliner Betrugsmustern nach Thüringen. Er wird durch die Personalie Klaus-Dieter Boshold genährt, der nach zehnjähriger Tätigkeit in der Berliner Bankgesellschaft AG im Jahre 2006 direkt in den Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss wechselte. Der 52jährige aus Nordrhein-Westfalen stammende Banker wirkte maßgeblich in dem Berliner Kreditinstitut in der Phase, als die Wurzeln für den Finanzskandal in der deutschen Hauptstadt gelegt worden sind. Die korruptiven Netzwerke zwischen Politik, Banken und Wohnungswirtschaft mit dem bekannten CDU-Politiker Klaus-Rüdiger Landowsky an der Spitze waren Gegenstand jahrelanger juristischer Auseinandersetzungen.

Auch Berliner Wohnungsgenossenschaften gerieten seinerseit ins Zwielicht und an den Rand ihrer Existenz. So wurde die Wohnungsgenossenschaft „Eigentum 2000“ in Berlin-Marzahn aus dem Boden gestampft.  Unter Missbrauch eines neuen Genossenschaftsgesetzes saugten einige wenige Personen öffentliche und genossenschaftliche Finanzmittel ab, verschoben überteuerte Bauaufträge und hintergingen die Genossenschaftsmitglieder. Am Ende stand die Insolvenz der Genossenschaft. Krtische Genossenschaftsmitglieder wurden sogar mit körperlicher Gewalt mit Hilfe privater Wachdienste an der  Teilnahme von Mitgliederversammlungen gehindert. Zu den maßgeblichen Akteuren dieser überregional wenig bekannten Vorgänge gehörten Mitglieder des berüchtigten Westberliner Filzes und ehemalige Führungskräfte der DDR-Baupolitik. ++ (nö/mgn/16.11.11 – 20)