Archive für Beiträge mit Schlagwort: Große Koalition

Berlin, 29. November 2013 (ADN). Der erstmals in der bundesdeutschen Geschichte installierte Hauptausschuss wird sich wohl kaum der gegenwärtig im Sekretariat des ehemaligen Bundestags-Petitionsauschusses befindlichen und bislang unbearbeitet gebliebenen 7.000 Petitionen annehmen. Diesen berechtigten Zweifel äußerte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau, am Freitag in Berlin angesichts des im Schnellverfahren aus dem Boden gestampften, aus knapp 50 Abgeordneten bestehenden Superausschusses. Der auf diese Weise in Notbetrieb versetzte Bundestag, dessen deutliche Herabsetzung als Volksvertretung keiner so richtig wahrgenommen hat, sei ein „ärgerlicher Vorgang“. Erst gestern abend zwei Stunden vor Mitternacht habe der Bundestag „alles Nichtgeklärte in den Hauptausschuss verwiesen“. Ob sich das die Petenten – also die Bürger, die Beschwerden vorgetragen haben – so einfach gefallen lassen, stehe in Frage. Es sei mit Klagen zu rechnen. Auch einige Abgeordnete wollen die ungewöhnliche parlamentarische Lage beim Bundesverfassungsgericht (BVG) prüfen lassen.

Pau gehört mit acht weiteren Bundestagsabgeordneten zu den Mandatsträgern, die am Vortag das ungewöhnliche Vorgehen der Koalitionsparteien CDU/SPD abgelehnt und dies in einer Erklärung begründet hatten. Darin heißt es: „Wir haben der Einsetzung des ‚Hauptausschusses‘ nicht zugestimmt, weil wir erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen seine Einsetzung haben. Der Hauptausschuss stellt eine Entmündigung des Parlaments dar.“ Der Hauptausschuss unterlaufe die Regelungen des Grundgesetzes (GG) und der Bundestags-Geschäftsordnung, die explizit Ausschüsse vorschreiben. Ein solches Gremium belebe einen Vorschlag aus dem Unterausschuss III des Herrenchiemsee-Konvents zum Entwurf eines Grundgesetzes aus dem Jahr 1948. Dem betreffenden Protokoll vom 13. August 1948 sei zu entnehmen, dass er von der Mehrheit abgelehnt wurde. Desweiteren teilen die Unterzeichner der Erklärung wörtlich mit: „Der Hauptausschuss war also bereits seiner Konzeption nach als ein Krisenzeiten vorbehaltenes Konstrukt gedacht, welches gerade keinen Eingang in das Grundgesetz gehalten hat. Die Einrichtung eines Hauptausschusses widerspricht damit auch dem erkennbaren Willen des historischen Verfassungsgebers.“ Hang zu Rechtsbruch, Willkür und Geschichtsvergessenheit dürfte wohl eine treffende Charakteristik für das Verhalten der Großen Koalition in spe sein. ++ (dk/mgn/29.11.13 – 327)

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Berlin/Düsseldorf, 28. November 2013 (ADN). Die Kompetenzen des am Donnerstag im Deutschen Bundestag eingesetzten Hauptausschusses erstrecken sich – schlichtweg gesagt – auf „alles“. Er soll bis nach Bildung der neuen Bunderegierung sämtliche Fachausschüsse des Parlaments ersetzen. Ein solches Gremium hat es seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) noch niemals gegeben und es ist auch nirgends vorgesehen. Diese inzwischen mehrfach als Notkonstrukt bezeichnete Arbeitsgruppe ist nach den Worten des sozialdemokratischen Innenexperten Thomas Oppermann ein demokratisches Experiment, auf das einzugehen, er die Abgeordneten inständig bat. Es bereichere die parlamentarische Arbeit. Die von den vorläufigen Koalitionären Christlich Demokratische Union (CDU) und Sozialdemokratische Partei (SPD) aus der Taufe gehobene Neuschöpfung wird von der Fraktion Bündnis 90/die Grünen abgelehnt und von der Partei „die Linke“ als Verfassungsbruch deklariert.

Im Rundfunk nach der einmaligen parlamentarischen Kreation befragt nannte der Staatsrechtler Martin Morlok von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf drei komplexe Grundprobleme, die aus konstitutioneller Sicht mit dem Hauptausschuss verbunden sind. So verlange das Grundgesetz einige Pflichtausschüsse. Dazu gehörten die für Auswärtiges, Verteidigung, Europa und für Petitionen. Auch wenn das Grundgesetz nicht explizit vorschreibe, zu welchem Zeitpunkt diese vier Gremien einzurichten sind und deren Bildung mit solchen Motiven hinauszuzögern, stelle dies ein „windeladvokatorisches Argument“ dar. Außerdem bedeute das Fehlen der Fachausschüsse, dass die arbeitsteilige Spezialisierung der parlamentarischen Arbeit nicht gegeben ist. Darunter leide die Kontrollfähigkeit des Parlaments. Als dritte Problemzone betrachtet Morlok den Hauptausschuss mit seinen 47 Mitgliedern von insgesamt 631 Bundestagsabgeordneten als kaum akzeptable Notlösung. Jede Woche mehr ihrer Existenz tut weh, so der Staatsrechtsprofessor. „Das ist eine Art Politbüro, das regiert“, ergänzte er. Das dürfe nicht ins neue Jahr geschleppt werden. Das „Politbüroprinzip“ führe dazu, alles in Koalitionskreisen auszuhandeln. Als Gegenmittel schlug der Experte für öffentliches Recht und Parteienspezialist vor, die alten Fachausschüsse übergangsweise einzusetzen. Diese könnten nach der Regierungsbildung dann personell und vom Arbeitsgebiet her noch modifiziert werden. ++ (pl/mgn/28.11.13 – 326)

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Berlin, 21. November 2013 (ADN). Wir wachen irgendwann in einem Überwachungsstaat auf, in dem es existenzbedrohlich ist, sich zu wehren. Dann ist das Grundgesetz weniger wert als die Verfassung der DDR. Mit dieser düsteren Prognose schließt die bekannte Internet-Aktivistin Anke Domscheit-Berg einen Beitrag in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung „der Freitag“, in dem sie vor den fatalen Folgen des Daten-Totalitarismus der Geheimdienste und Konzerne warnt. Gewiss sei, dass auch die deutschen Geheimdienste außer Kontrolle geraten sind und sich eher ausländischen Diensten gegenüber verpflichtet fühlen als dem Volk, das sie schützen sollen. „Es wäre ja auch schizophren von der Regierung, ernsthaft gegen ausländische Überwachung vorzugehen, aber gleichzeitig selbst seit vielen Jahren am Überwachungsstaat zu basteln. Seit Anfang der neunziger Jahre wurden 39 neue Überwachungs- und Sicherheitsgesetze verabschiedet, 25 davon unter Kanzlerin Merkel. Neun davon erklärte das Verfassungsgericht für verfassungsfeindlich,“ betont Domscheit-Berg. Leider gebe es auch auf Seiten des Verfassungsgerichts offenbar Grundrechte erster Klasse für die analoge Welt und Grundrechte zweiter Klasse für die digitale Gesellschaft. Das Postgeheimnis gelte bestenfalls noch für Papierbriefe. Wer elektronische Briefe schreibe, der pokert. Ganz legal dürften deutsche Geheimdienste ohne Grund und Anlass jede fünfte E-Mail lesen. Bei Ordnungswidrigkeiten – das könne schon Falschparken sein – dürften die „Täter“ nach der noch von der alten Merkelregierung kurz vor der Bundestagswahl beschlossenen Bestandsdatenauskunft von irgendwelchen Webseiten ermittelt werden. Die Vorratsdatenspeicherung sei zwar vom Verfassungsgericht abgelehnt worden, allerdings halte das die Parteien der künftigen Großen Koalition nicht davon ab, neue Versuche für eine anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten zu starten. „Unsere Regierung will offensichtlich gar nichts ändern, denn die eigentliche Absicht ist Machterhalt durch Geheimhaltung und Überwachung,“ schlussfolgert die Autorin.++ (sp/mgn/21.11.13 – 319)

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