Archive für Beiträge mit Schlagwort: Hamed Abdel-Samad

Kairo/Köln, 19. Juni 2012 (ADN). Der Militärrat torpediert und verhindert wirkliche Reformen und Institutionen, die das umsetzen. Das erklärte der ägyptische Politologe und Publizist Hamed Abdel-Samad am heutigen Dienstag im Deutschlandfunk über die derzeitige politische Situation kurz nach der Wahl des ägytischen Präsidenten. Es handele sich um einen sanften Militärputsch, ohne dass Panzer rollen. Zugleich sei dies ein Verfassungsputsch, denn der Militärrat habe die Macht über die Legislative und lasse Gesetze verabschieden, die langfristigen Einfluss ausüben.  So soll laut einer neuen sogenannten Verfassungserklärung der neue Präsident nur repräsentative Funktion haben ähnlich dem deutschen Bundespräsidenten.  Das sei ein Rückschlag für die Demokratie. Wenn ein Präsident vom Volk gewählt wurde und trotzdem nicht regieren dürfe, habe das mit Demokratie überhaupt nichts zu tun.

Mit dieser Einschätzung entlarvt er indirekt und unbewusst die Zustände in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), in der der ohnehin machtlose Bundespräsident nicht vom Volk direkt gewählt,  sondern von einer sorgsam selektierten elitären Kleinstgruppe bestimmt wird,  als scheindemokratisches Staatstheater. Zudem mangelt es Deutschland immer noch an der seit spätestens 22 Jahren fälligen  Verfassung, die unmittelbar vom Volk zu beschließen ist.

In Ägypten hat es der von Mubarak ins Amt gehievte Militärrat von 19 Männern aus Unvermögen oder Kalkül von Anfang an abgelehnt, dass zuerst die Verfassung kommt, dann die Wahlen, dann die Präsidentenwahlen, erklärte Abdel-Samad. Der Grund dafür sei schlicht und einfach: der Militärrat hat viele Leichen im Keller und ist mit dem alten Mubarak-Regime in viele Geschäfte verwickelt. Nun befürchte dieses Gremium, dass diese Akten in einem demokratischen Ägypten geöffnet werden. Die Wut der Menschen, die sich selbst ermächtigt und keine Angst mehr haben, versetze den Militärrat in tiefe Besorgnis.

In dem arabischen Land wird ein in vielerlei Hinsicht aufschlussreiches politisches Lehrstück aufgeführt, dessen deutsche Premiere noch auf sich warten lässt, denn es gibt dort bislang weder die Direktwahl eines Präsidenten noch eine vom Volk beschlossene und in Kraft gesetzte  Verfassung . ++ (dk/mgn/19.06.12 -176)

 

 

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Berlin, 9. März 2012 (ADN). Das Verhalten von Touristen ist so, dass sie in der Regel auf der Autobahn der Vorurteile fahren.  Im Gegensatz dazu ist eine „Revolutionstourismus“ erforderlich, um zu erfahren und zu verstehen, was geschieht und was sich verändert. Das erklärte der ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad am Freitag auf einer Podiumsdiskussion in Berlin, die unter dem Titel „Generation Zukunft ! – Die arabische Revolution hat erst begonnen“ auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) stand.  Auf diese Weise könne die Erhebung in Ägypten im positiven Sinne unterstützt werden. Abdel-Samad verglich die derzeitige politische Situation am Nil nach einem Jahr des grundlegenden gesellschaftlichen Aufbruchs mit der Französischen Revolution 1789. Damals habe ein Jahr nach dem Sturm auf die Bastille in Paris auch die Gegnerschaft der Revolutionäre das Heft in die Hand genommen. So ähnlich sei es heute in Ägypten, wo der Militärrat fast skandalösere Zustände herbeiführt als sie unter dem Mubarak-Regime bestanden haben.

In Touristen-Ghettos ist nichts über die sozialen Veränderungen des Gastlandes  zu erfahren, stimmte der Direktor des Deutschen Orient-Instituts, Gunter Mulack, der Auffassung des 40jährigen Ägypters aus Gizeh zu. Insofern werde die Aussage des Koran erfüllt, derzufolge der Mensch mit Augen und Ohren zur Welt gekommen ist, um sie zu benutzen und über Grenzen hinauszugehen.

Der in Kairo tätige Nahost-Korrespondent des ARD-Hörfunks, Björn Blaschke, wies darauf hin, dass ein Drittel wichtiger Wirtschaftszweige wie die Trinkwasser-Gewinnung und der Automobilhandel in der Hand der Generäle ist. Diese Relation gelte auch für die großen Ressort-Hotels in den Tourismus-Hochburgen. Insofern sei es nicht vewunderlich, dass die Militärs allein aus den laufenden Einnahmen einen Kredit in Höhe von 1, 1 Milliarden US-Dollar der ägyptischen Nationalbank im Dezember 2011 gewährt haben. ++ (rv/mgn/09.03.12 –  73)