Archive für Beiträge mit Schlagwort: Heinrich August Winkler

Berlin, 6. April 2015 (ADN). Die Friedensordnung von 1989/90 ist in Frage gestellt. Das erklärte der Berliner Historiker Heinrich August Winkler am Montag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Deutliche Zeichen dafür seien, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Unterschrift unter die Charta von Paris zurückgezogen habe und in einem europäischen Land – nämlich in der Ukraine – ein Krieg geführt wird. „Bereits mit Boris Jelzin wurde der Kurs zu einem wilden Kapitalismus eingeschlagen.“ Die orthodoxe Kirche stütze diesen Weg und erweise sich als Gralshüter dieser Ordnung. Moskau sehe sich in einer Position, das dritte Rom als Macht zu werden – nach dem antiken Rom in Italien und dem byzantischen Reich in Kleinasien. Putin befinde sich auf Rechtskurs, indem er den Front National in Frankreich und die Joppik-Partei in Ungarn mit ins Boot nimmt.

Wenn sich die USA und die EU streiten geht es nach Meinung von Winkler immer um die Grundwerte und die Menschenrechte. Letztlich drehe es sich um die Werte der Amerikanischen Revolution von 1776 und der Französischen Revolution von 1789. Verbriefte Bürger- und Menschenrechte umzusetzen, falle einem autoritären Staat wie China schwer. Dieses Land relativiere die Menschenrechte und die 1948 beschlossene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR). „Es gibt generell keine Strukturen, die menschenrechtsunfähig wären“, so der Historiker.  Scheinbar habe China eine Zeit lang einen ganz anders gearteten Einfluss auf Afrika genommen. Inzwischen empfinden aber die Afrikaner das chinesische Engagement als Neokolonialismus, behauptet der Wissenschaftler. Nach seiner Auffassung muss der Westen die islamische Herausforderung viel ernster nehmen. Deshalb müsse Tunesien und dessen positives Beispiel unbedingt unterstützt werden. Im Koran sei eben nicht so klar die Auforderung zu finden, die der Bibel zu entnehmen ist: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist.“  ++ (mr/mgn/06.04.15 – 77)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), adn-nachrichtenagentur, SMAD-Linzenz-Nr. 101 v. 10.10.46

Werbung

Köln/Paris, 3. Mai 2012 (ADN). Der französische Präsident Francois Mitterand drängte darauf, die D-Mark möglichst in einer europäischen Währung aufgehen zu lassen, damit das wiedervereinigte Deutschland nicht zu der großen europäischen Hegemonialmacht werden sollte. Das stellte der Historiker Heinrich August Winkler am heutigen Donnerstag im Rundfunk fest. Resultat dessen sei die Währungsunion. Die Fiskalunion und die politische Union habe man zwar beschworen, aber nicht realisiert. Dieser fundamentale Geburtsfehler des Euro verursacht nach Meinung des Wissenschaftlers die gegenwärtige vehemente Diskussion in den Mitgliedsstaaten der Währungsunion. Viele haderten mit dem Ergebnis der bisherigen Bemühungen, eine Fiskalunion zu bilden.

Dieses Manko ist nach den Worten von Winkler dafür verantwortlich, dass in Europa die Gefahr der populistischen Bewegung mitnichten gebannt ist. „Diese Bewegungen haben in den Niederlanden ihre Stärke bewiesen, auch in den skandinavischen Ländern. Auch der Erfolg, der relative Erfolg der französischen Bewegung um Marine Le Pen mit einem geradezu triumphalen Ergebnis von über 17 Prozent beim ersten Wahlgang der Präsidentenwahl zeigt, wie stark diese Opposition der Globalisierungsverlierer gegen Europa ist“, erklärte der Historiker.

Der Fiskalpakt ist nach Meinung des Buchautors bisher nur ein Abkommen zwischen den Staaten, die zu einer Art engeren Zusammenarbeit, zu einer engeren Union bereit sind. Ob daraus jemals europäisches Recht wird, sei ungewiss. Es komme darauf an, dass keine neuen Parallelstrukturen entstehen. Das erfordere Änderungen der Verträge. „Möglicherweise müssen wir uns in der Bundesrepublik darauf vorbereiten, dass sogar die Frage einer Verfassungsrevision sich stellen wird und einer Abstimmung nach Artikel 146“, erklärte Winkler abschließend im Deutschlandfunk.

Der Grundgesetz-Artikel 146 lautet: Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in Freiheit beschlossen worden ist. ++ (dk/mgn/03.05.12 – 130)

Hamburg/Berlin, 24. November 2011 (ADN). Vermutlich wird die Situation, dass das deutsche Volk nach Artikel 146 in freier Entscheidung eine Verfassung beschließt, sehr viel früher eintreten, als „die Politik“  bisher angenommen hat. Diese bemerkenswerte Feststellung traf der namhafte Berliner Historiker Heinrich August Winkler in einem Essay für die jüngste Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“.

Die greifbare Nähe eines solchen epochalen Vorgangs liegt nach Ansicht von Winkler darin begründet, dass eine unmittelbare Legitimation der Völker notwendig wird – auch die des deutschen. Kern dessen sei der Druck der Verhältnisse.  Er erzwinge in Europa den Übergang vom Staatenbund zur Föderation.

Eine Ursache dafür sieht Winkler in dem mittlerweile unerträglich gewordenen Monopol der Parteien, die den Artikel 21 des Grundgesetzes permanent missbrauchen. Er besagt, dass die Parteien lediglich an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken dürfen.  In der Wirklichkeit haben sie sich diese und damit die politische Macht uneingeschränkt an sich gerissen.

Diese monströsen Phänomene im deutschen Politikbetrieb, die mit Demokratie gar nichts mehr zu tun haben, nennt der amerikanische investigative Journalist Mathew D. Rose in seinem jüngsten Buch unter dem Titel „Korrupt“ Parteikonzerne. Sie funktionieren genauso wie profitorientierte Wirtschaftsunternehmen bar jeder bürger- und wählerorientierten Ausrichtung. ++ (dk/mgn/24.11.11 – 23)