Leipzig, 16. Dezember 2013 (ADN). Das Sächsische Finanzgericht bestätigte in einem aktuellen Urteil im Dezember dieses Jahres, dass in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) Gesetze aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur von 1933 bis 1945 nach wie vor angewandt werden. Ein Bürger hatte sich in dem Finanzrechtsstreit gegen die Erhebung von Einkommenssteuer und Umsatzsteuer einschließlich Verspätungszuschlag, Zinsen und Solidaritätszuschlag, die auf Grundlage der im Dritten Reich in Kraft gesetzten Abgabenordnung (AO) und des Einkommenssteuergesetzes (EStG) berechnet wurden, gewehrt. Das Umsatzsteuergesetz (UStG) habe beispielsweise zudem keine Gültigkeit, weil bei seiner Verabschiedung das sogenannte, in Artikel 19 des Grundgesetzes verankerte Zitiergebot verletzt wurde. Darauf antwortete der 1. Senat des in Leipzig ansässigen und für Sachsen zuständigen Finanzgerichts, dass es sich in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) anschließe. Demnach bestehe hinsichtlich des Zitiergebots bei dem UStG, dem EStG und der AO „allenfalls eine Teilnichtigkeit des Gesetzes, nicht jedoch dessen vollständige Nichtigkeit“. Das Leipziger Gericht schlussfolgert: „Die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes kommt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur in Betracht, wenn der ungültige Gesetzesteil mit dem Gesetz im Übrigen derart verflochten ist, dass beide eine untrennbare Einheit bilden.“ Dies treffe auf das Verhältnis von § 27b UStG – Umsatzsteuer-Nachschau – zu den weiteren UStG-Vorschriften nicht zu. Gleiches gelte für die innere Struktur des EStG. Bezüglich der Abgabenordnung gebe es darin mit § 413 eine dem Zitiergebot entsprechende Regelung.
Mit Blick auf die zwielichtige Herkunft der Steuergesetzgebung aus der Zeit des Nationalsozialismus formulierte der 1. Senat: „Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass das EStG vom 16. Oktober 1934 im Geltungsbereich des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 keine Rechtswirkung entfalten könne, verkennt er bereits, dass Artikel 123 des Grundgesetzes (GG) das Fortgelten vorkonstitutionellen Rechts anordnet, soweit es nicht im Widerspruch zum GG steht.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) „sind dementsprechend auch Gesetze, die auf Grund des Ermächtigungsgesetzes von der nationalsozialistischen Reichsregierung erlassen worden waren, nicht allein aus diesem Grunde nichtig.“ Dass die alliierten Siegermächte u. a. auf ihren Konferenzen und Vereinbarungen in Teheran, Jalta und Potsdam sowie in weiteren Entscheidungen beschlossen hatten, sämtliche unter den Nationalsozialisten erlassenen Gesetze und Vorschriften außer Kraft zu setzen und zu tilgen, gingen die Finanzrichter nicht ein.
Dem Rechtsstreit vorangegangen war eine jahrelange konträre Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Finanzamt Leipzig I. Dabei kreisten die sorgsam begründeten Widerspruchsschreiben des Klägers durch die Hände von einem halben Dutzend Mitarbeiter der Behörde. Wie eine „heiße Kartoffel“ wanderten die Schriftstücke von Hand zu Hand, ohne dass in den sich über Monate hinweg verzögernden Erwiderungen greifbare und substantiierte Argumente vorgebracht werden konnten. Der Schlüsselfrage, ob in der Bundesrepublik Deutschland die von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs außer Kraft gesetzten Vorschriften aus der Hitler-Diktatur dennoch angewandt werden dürfen oder nicht, wichen auch die diversen Behörden-Sektionen vom einfachen „Finanzbeamten“ bis zur Rechtsabteilung systematisch aus. Nach ihrem langwierigen Zirkulieren durch die Amtsstuben landeten die Schriftstücke wiederholt auf den Schreibtischen bei denselben Mitabeitern, von denen sie viele Monate zuvor weitergereicht worden waren. Letztlich gipfelten die Antworten der Administration an den Beschwerdeführer in der lapidaren Mitteilung, dass die Behörde die Rechtsauffassung des Klägers nicht teilt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den ausführlich dargestellten Einspruchsgründen fand nicht statt. Das tat dann das Sächsische Finanzgericht mehr als zwei Jahre nach Klageeinreichung, indem es die Katze aus dem Sack ließ und die weitere Anwendung von Nazi-Gesetzen einräumte. Allerdings gingen die Finanzrichter in ihren fein gedrechselten Sätzen und Passagen auf wichtige Aspekte des Problems auch nicht ein. Der Kläger hat nun die Möglichkeit, Beschwerde beim Bundesfinanzhof einzulegen. ++ (dk/mgn/16.12.13 – 344)