Hamburg/Leipzig/Dresden, 24. Mai 2013 (ADN). Es gilt im wiedervereinigten Deutschland zwar als grob unschicklich, auf Erfahrungen in der DDR zu verweisen. Unübersehbar sind jedoch die Analogien zwischen dem seinerzeit in der DDR herrschenden und dem heute wieder weit verbreiteten grundsätzlichen Unverständnis für das Wesen der Wissenschaft. Das erklärte der ehemalige Rektor der Universität Leipzig, Cornelius Weiss, in der Fronleichnamsausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die von der Wirtschaft und der Politik mit geradezu missionarischem Eifer verbreiteten neoliberalen Heilslehren und Patentrezepte zur Förderung der Wissenschaft hätten sich als alte Hüte erwiesen, ihre Untauglichkeit bereits zur Genüge unter Beweis gestellt.
Der 80jährige, der von 1991 bis 1997 der Universität Leipzig vorstand, formuliert wörtlich: „Der Erkenntnisfortschritt – die Summe an Entwicklungen und Erfindungen, die sich kein Minister und kein Unternehmer vorzustellen vermag – reift jedoch weitgehend unabhängig von den äußeren Umständen. In aller Stille. Er wird getragen von denen, die vom ‚Feuer der Wissenschaft‘ erfasst sind.“ Er befürchtet eine Trivialisierung und Barbarisierung des Wissens, weil sich selbst ernannte, von blanker Unkenntnis und privaten Interessen geleitete „Hochschulreformer“ einmischten.
Weiss zitiert den früheren Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Hubert Markl, der diesen Zerfallsprozess als immens aufwendige Umverteilung der viel zu geringen Finanzmittel zugunsten der „zeitgeistschlüpfrigsten“ Projekte geißelte. Dieses falsche Spiel versuche die Politik mit ebenso wohlklingenden wie irreführenden Wortschöpfungen zu kaschieren. Dafür stehe in Sachsen der Begriff „Hochschulentwicklungsplan“. Auf überregionaler Ebene laute der Name „Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder.“ Parallel dazu ist es – nach den Worten von Weiss – dem Bertelsmann-Konzern gelungen, mit seinem finanziell bestens ausgestatteten Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die Meinungsführerschaft in der öffentlichen Diskussion zu übernehmen. Auf diese Weise trügen inzwischen die Hochschulgesetze mehrerer Bundesländer die deutlich erkennbare CHE-Handschrift. Damit sei der Boden für die vollständige Unterwerfung der Wissenschaft unter die Interessen der Wirtschaft bereitet. ++ (hs/mgn/24.05.13 – 138)