Archive für Beiträge mit Schlagwort: Immobilienskandal

Leipzig, 20. Dezember 2014 (ADN). Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat noch am Tag der Urteilsverkündung gegen den Freispruch der vier Angeklagten in dem unter dem Schlagwort „Herrenlose Häuser“ rangierenden Leipziger Immobilienskandal Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird eingeschaltet.  Das teilt Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz, Pressesprecher der Behörde, auf Anfrage gegenüber dem MGN-Nachrichtenbüro zum Wochenende mit. Der entsprechende Schriftsatz sei beim Landgericht Leipzig eingereicht worden. Das wiederum habe nun knapp sieben Wochen Zeit, um das vor drei Tagen mündlich verkündete Urteil schriftlich zu begründen. Im Anschluss daran werde die Staatsanwaltschaft binnen Monatsfrist ihre schriftliche Stellungnahme abgeben. „Danach werden die Akten dem Generalbundesanwalt (GBA) bei dem BGH übersandt und durch den GBA dem 5. Strafsenat in Leipzig vorgelegt“, so Schulz. In der Revision werde das Urteil nur auf Rechtsfehler und Verfahrensfehler überprüft. Eine erneute Beweisaufnahme finde vor dem BGH nicht statt.

Eine besonders pikante Nuance politischer Tragweite hat das Urteil des Landgerichts Leipzig inzwischen zusätzlich erhalten, als das zum Richtertrio der 8. Strafkammer eine Juristin gehört, die – ebenfalls in dieser Woche – in die neue Ratsversammlung als CDU-Stadträtin eingezogen ist. Sie ist also jetzt Teil des Stadtparlaments, das seinerseits an höchstmöglicher Transparenz und Aufklärung der ominösen Vorgänge interessiert sein müsste. Drei der Angeklagten waren im Tatzeitraum  Mitarbeiter des Rechtsamtes der Stadt Leipzig, das sich während der acht Verhandlungstage als ein Hort der juristischen Inkompetenz, des organisatorischen Chaos und unglaublicher Verantwortungslosigkeit erwiesen hat. Opfer waren Bürger, denen zum Teil mit heimtückischen und sittenwidrigen Methoden hundertfach Grundeigentum weggenommen wurde. Das Verfahren hat andeutungsweise darauf hingewiesen, dass ähnliche Fälle illegitimer Eigentumsverschiebungen  bei Häusern und Grundstücken in vermutlich erheblichem Umfang in den neuen Bundesländern noch im Verborgenen schlummern.  Eine Zeugin hatte während ihrer Vernehmung bestätigt, dass die Praxis in weiteren zehn ostdeutschen Städten ähnlich gelagert war. Einfachste Methoden der Eigentümer- und Erbenermittlung wurden ignoriert. Manchmal korrespondierten die städtischen Angestellten mit den bekannten und tatsächlichen Hauseigentümern, während gleichzeitig hinter deren Rücken ihre Liegenschaften von sogenannten gesetzlichen Vertretern verkauft wurden. Es ist in den neuen Bundesländern mit einer enormen Dunkelziffer derartiger Enteignungen zu rechnen, die unter dem Vorwand des Investionsvorrangs in den vergangenen zwei Jahrzehnten systematisch betrieben wurden. ++ (ju/mgn/20.12.14 – 353)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), adn-nachrichtenagentur, SMAD-Lizenz-Nr. 101 v. 10.10.46

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Prag, 25. August 2014 (ADN). Die Stadt Prag wird zahlreiche Mietverträge für Gewerberäume im Stadtzentrum wegen verdächtig niedriger Mieten überprüfen. Das teilte die „Prager Zeitung“ am Montag unter Berufung auf Informationen des Nachrichten-Servers lidovky.cz mit. Anlass für die Kontrollen ist die Feststellung, dass die Betreiber eines 134 Quadratmeter großen Restaurants direkt am Altstädter Ring im Renaissance-Haus „U Minuty“ lediglich umgerechnet 400 Euro Miete pro Monat bezahlen. Die Gaststätten-Inhaber sollen dem Bericht zufolge mit dem umstrittenen Lobbyisten Roman Janousek in Verbindung stehen. Janousek galt zusammen mit alten Seilschaften in der Ära des Bürgermeisters Pavel Bem als graue Eminenz und Strippenzieher der Prager Politik.

Die offizielle Argumentation für die niedrige Miete sind hohe Abschläge aufgrund von Investitionen der Mieter. Ihr Umfang gilt als fragwürdig. Nach Einschätzung von Experten müßte der monatliche Mietbetrag statt 400 Euro viel mehr,  ungefähr das Zehnfache kosten. Zitiert wird die für Eigentumsfragen zuständige Stadträtin Eva Vorlickova, die weit mehr zweifelhafte Mietverhältnisse untersuchen lassen will. „Wir prüfen jetzt Dutzende Mietverträge im Stadtzentrum. Uns interessieren vor allem die besonders lukrativen Lagen. Dabei nehmen wir uns zunächst die haarsträubendsten Fälle vor – ohne Rücksicht darauf, wer der Mieter ist.“

Vorlickova tritt mit ihren Recherchen gewissermaßen in die Fußspuren von Peter Sourek. Er hat vor wenigen Jahren in der tschechischen Hauptstadt ein florierendes Korruptionsreisebüro gegründet. Nach seiner Auffassung hat Prag so viele historische und denkmalgeschützte Gebäude, von denen fast jedes einen vollzogenen, einen laufenden oder einen noch bevorstehenden Immobilienskandal birgt. Er führt seine Gäste von einem immobiliären Korruptionszentrum zum nächsten und erzählt dabei die dazu gehörende Hintergrund-Geschichte. ++ (kr/mgn/25.08.14 – 236)

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Prag, 21. Februar 2012 (ADN). Die Kenntnis über dubiose Provisionszahlungen, überteuerte Einkäufe und andere Arten, Geld aus öffentlichen Haushalten in private Kanäle abzuzweigen, dringt in der Tschechischen Repubik seit kurzem auf besonders originelle Weise ins Publikum. Die zu Zeiten der römischen Antike eingeführte „res publica“ – die öffentliche Sache – wird in Prag ganz in Schwejk’scher Tradition sehr populär gemacht. Ein gerade sehr erfolgreich gegründetes Korruptionsreisebüro führt seine Touristen an die Originalstätten der größten Betrügereien des Landes und seiner Hauptstadt an der Moldau. Einer der Schauplätze ist ein glamouröses, im Jahr 1929 errichtetes Haus. Die Stadt Prag hätte es kürzlich für 48 Millionen Euro kaufen können. Darauf wurde verzichtet. Nun wird es von einem privaten Investor an die Stadt vermietet. Dazu fließen in den ersten 20 Jahren des Mietverhältnisses 192 Millionen Euro – also das Vierfache – aus der Stadtkasse an den Investor. So erfahren die Touristengruppen an einem und zahlreichen anderen praktischen Beispielen, wie die Steuergelder der tschechischen Bürger vertragssicher und mit der Garantie des öffentlichen Segens in den Taschen von Spekulanten, Neureichen und anderen Gaunern landen.

Inzwischen erfreut sich das neuartige Tourismus-Konzept höchster Beliebtheit. Der Gründer von „CorruptTour“ ist Petr Sourek, der sonst am Theater arbeitet. Dem Deutschlandfunk gegenüber erklärt er: „Am Anfang haben alle gedacht, das sei ein Witz. Aber jetzt sehen sie: Natürlich hat das Reisebüro eine ironische Komponente, aber es ist eben kein Scherzprojekt.“ Und der tschechischen Tageszeitung „Hospodarske Noviny“ teilt er mit: „Wichtig ist, dass die Leute sehen, wie die Korruption funktioniert und was um sie herum passiert.“

Sourek will zur Aufklärung der Fälle beitragen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Er betrachtet die Korruption als eine Art kulturelles Erbe. Prag habe so viele historische, denkmalgeschützte Gebäude. Fast jedes von ihnen birgt das Geheimnis eines bereits vollzogenen, laufenden oder noch bevorstehenden Immobilienskandals. Diese Rätsel touristisch zu erschließen und zu lösen, versprechen dem Reisebüro „CorruptTour“ weiteren Zulauf und unabsehbare Geschäftserfolge.

Jüngster Beweis für die kommerzielle Expansion – auch im europäischen Ausland – ist die Gründung einer Dependance in Berlin. Zielsicher und schnell hat Sourek dort nicht nur die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland erkannt, sondern auch eine, wenn nicht gar „die“ Kapitale der Korruption. So macht genau 100 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Sammelbandes „Der brave Soldat Schwejk und andere merkwürdige Geschichten“ von Jaroslav Hasek in Prag eine weltweit bekannte, markante Symbol-Figur eine neue glanzvolle und ehrenwerte Karriere. ++ (kr/mgn/21.02.12 – 53)