Moskau/Brüssel/Wien/Beirut, 26. Dezember 2011 (ADN). Vor genau 20 Jahren zerbrach die Sowjetunion. Der Oberste Sowjet beschloss die Auflösung der politischen Großmacht, deren Wirtschaftskraft immer etwas unter dem Weltdurchschnitt lag.  Über dem Moskauer Kreml wurde die Flagge mit Hammer und Sichel auf rotem Grund eingeholt. Gehisst wurde Russlands Trikolore aus den Zeiten des Zaren. Schon fünf Tage zuvor hatte der Präsident Kasachstans in Alma Ata festgestellt, die Sowjetunion existiert nicht mehr.

In diesen Tagen mehren sich die Zeichen, dass es einer weiteren Union an den Kragen geht: der Europäischen Union (EU). Sie ist – global gesehen – ein politischer Zwerg, aber ein bedeutendes ökonomisches Bollwerk. Dennoch kriselt sie immer tiefer, weil sie zu einem reinen Verbalkonstrukt von Ökonomen und Politikern verkommen ist. Heute erst wurde im Rundfunk festgestellt, dass führende Intellektuelle in Deutschland und anderen Ländern des alten Kontinents das Thema Europa einfach ignorieren. Es fehlt der moralische, ideelle und kulturelle Kitt für dieses von oben herab verordnete Staatenbündnis, das nur von einer Einheitswährung mühsam zusammengehalten wird.  Und auch dieser Klebstoff verliert seine Bindekraft.

Die Präsidentin des Österreichischen Nationalrates, Barbara Prammer, beschreibt diese Erosion der EU in der letzten Newsletter-Ausgabe des Parlaments in Wien dieses Jahres deutlich und ehrlich: “ Was mit Spekulationen begann, hat die Finanzwirtschaft und einzelne Staaten erfasst, bedroht mittlerweile den Euro – und ein Ende ist nicht absehbar. Wir ahnen, dass wir in einer Zeit von historischer Tragweite leben.“ Wenn Wut entstehe, dass Milliarden Steuergelder in ein kollabierendes Bankensystem gepumpt werden müssen, Geld, das andererseits zur Erfüllung wichtiger staatlicher Aufgaben fehlt, ergebe das einen gefährlichen Stimmungsmix. Er drohe die Demokratie anzugreifen.

Indes verkündet der ehemalige Direktor des Berliner Wissenschaftskollegs, Prof.  Wolfgang Lepenies, ebenfalls zum diesjährigen Weihnachtsfest das fast heimliche Erstehen einer Mittelmeer-Union. Diese nun beziehe ihre Primärkräfte an den Schwachpunkten der EU, eben an der kulturellen Front. Er propagiere diese Union, indem er darüber schreibt, um Politiker dafür zu interessieren. Außerdem beschaffe er gemeinsam mit dem libanesischen Schriftsteller Elias Khoury Geld, um eine „Task Force“ von arabischen Intellektuellen ins Leben zu rufen. Sie soll den arabischen Frühling begleiten.  Auf diese Weise könne man manchmal wichtige Dinge tun, die nicht so an die ganz große Glocke kommen, ++ (dk/mgn/26.12.11 – 43)