Archive für Beiträge mit Schlagwort: Jobcenter

Karlsruhe, 2. Februar 2014 (ADN). Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat dem Studenten Marcel Kallwass Ende Januar 2014 den Vertrag gekündigt. Der junge Mann, den die BA zum Studium delegiert hatte,  stand nur drei Monate vor Abschluss seines Hochschulstudiums. Er erregte bei seiner Arbeitgeberin zunehmend Unmut, weil er den Internet-Blog krtitischerkommilitone.wordpress.com mit dem Untertitel „Kritik am Arbeitsamt“ betreibt und pflegt. Die BA reagierte darauf immer restriktiver und hatte Kallwass bereit zuvor mit zwei Abmahnungen zum Abbruch seiner Internet-Aktivitäten zwingen wollen.

Kallwass, der auch in außerparlamentarischen Bündnissen wie der Occupy-Bewegung arbeitet, hatte immer häufiger das „Hartz-IV-System“ hinterfragt und Äußerungen von BA-Personalvertretern  kritisiert. Er hat in einem seiner Blog-Beiträge die Jobcenter-Sanktionen verurteilt. Sie seien ein „krasses Herrschaftsinstrument, das dazu dient, die Erwerbslosen gefügig zu machen.“

Zudem positionierte sich Kallwass gegen die Kooperation der BA mit der Bundeswehr. Vermittlungskräfte der „Job-Center“ sprechen junge Leute auf eine Beschäftigung als Kurzdiener inver Bundeswehr an.  ++ (so/mgn/02.02.14 – 033)

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Nürnberg/Hamburg, 14. Juni 2013 (ADN). Die Bundesagentur für Arbeit wehrt sich in ungewöhnlicher Weise gegen eine ehemalige Mitarbeiterin des Hamburger Jobcenters. In einer Pressemitteilung vom Freitag bezeichnet die Nürnberger Institution Aussagen und Offenbarungen von Inge Hannemann als anhaltende öffentliche Attacken. Man sehe sich zum Schutz der vielen tausend Mitarbeiter zu einer Stellungnahme gezwungen. Hannemann stelle falsche Behauptungen auf, die die Öffentlichkeit in die Irre führen. Dazu gehöre ihre Aussage, die Grundsicherung „Hartz IV“ widerspreche dem Grundgesetz (GG) und verletze die Würde des Menschen. Entgegen den Formulierungen der inzwischen „freigestellten“ Mitarbeiterin, gebe es keine Anweisungen oder Zielvorgaben, um über Sanktionen Geld einzusparen. Ebenso wenig gebe es nicht „tausende von Selbstmördern“ unter Kunden in der Grundsicherung. Zudem seien in den Jobcentern keine seelenlosen Maschinen, die nur Zielvorgaben, nicht aber die Menschen im Blick haben.

Frau Hannemann missbraucht – der Pressemitteilung nach – ihre angeblichen Insider-Kenntnisse, um sich als Kämpferin für Entrechtete darzustellen. Zudem behaupte sie, für die Mehrheit der Mitarbeiterschaft in der Bundesagentur zu sprechen. Sie gefalle sich als Märtyrerin, die von ihrem Arbeitgeber – der Freien und Hansestadt Hamburg – kaltgestellt werden soll.

Diese besondere Art des Offenbarungseids aus dem Inneren des gewaltigen Apparates rund um die Verwaltung prekärer Arbeit in Deutschland lässt einen informationellen Dammbruch ungeahnten Ausmaßes erahnen. Das derzeitige Hochwasser an der Elbe könnte im Vergleich dazu zum leise plätschernden Rinnsal mutieren. ++ (so/mgn/14.06.13 – 160)

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München, 14. Januar 2012 (ADN). „1.000 Euro für jeden – Freiheit Gleichheit Grundeinkommen“. Die eigentliche Idee dazu stammt von den Spartanern im antiken Griechenland und war dort in der Verfassung verankert. Das schildern Götz Werner und Adrienne Goehler eingangs ihrer gleichnamigen, jüngst in Münschen erschienenen Schrift. Dieser uralte Gedanke ist über die verschiedenen Gesellschaftsepochen hinweg lebendig geblieben bis in die Gegenwart, wo er angesichts der zunehmenden sozialen Verwerfungen immer mehr Anhänger findet. Sie sind in fast allen politischen Lagern, Organisationen und Interessengruppierungen zu finden.

In einer demokratisch verfassten Gesellschaft muss die plausible Formel „1.000 Euro für jeden“ ausgehandelt werden, fordern die Autoren. Dabei sei es um so bedeutsamer, dass mit einem solchen Grundeinkommen ein Kulturimpuls ausgelöst werde, der alle anderen gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen beeinflusst. In einer Zeit, in der der Glaube an das Experten- und Spezialistentum aus fast allen wichtigen Gebieten erschüttert wurde, habe man nun letztlich auch verstehen müssen, dass das Geld bei den Geldexperten nicht gut aufgehoben ist. Das spreche für die Notwendigkeit des Grundeinkommens und beflügele dessen Einführung.

Im Übrigen ist diese Idee einfach umsetzbar, kann nur am mangelnden politischen Willen scheitern. Der Wechsel vom heutigen Sozialsystem zum bedingungslosen Grundeinkommen ist nur durch die Bürokratie gefährdet, stellen Werner und Goehler fest. Statt der komplizierten Bewilligungsverfahren für die 155 verschiedenen Arten von Transferzahlungen, zu denen Kinder- und Wohngeld, Bafög und Hartz IV gehören, gebe es dann nur noch einen staatlichen Dauerauftrag – ohne Prüfung. Das spare staatliche Verwaltungskosten in gewaltiger Höhe und die Staatsangestellten, die dann arbeitslos werden und sich weitaus sinnvolleren Aufgaben zuwenden können.  Ein solcher gesellschaftlicher Umbau ermögliche ein Menschsein jenseits aller Existenzangst im Zusammenspiel mit anderen freien Menschen. Ob wir das wollen, ist keine Frage des Geldes, sondern lediglich eine Frage unseres gemeinschaftlichen politischen Willens!“ ++ (ar/mgn/14.01.12 – 14)

Berlin, 13. Januar 2012 (ADN). Das größte Sozialgericht in der Bundesrepublik Deutschlands kollabiert. Um den steil steigenden Aktenberg, der sich mit 40.000 unerledigten Fällen seit dem Jahr 2005 fast verdoppelt hat, abzuarbeiten, wäre die Schließung der Behörde für ein ganzes Jahr nötig. Diesen Hilferuf sandte die Präsidentin des Berliner Sozialgerichts, Sabine Schudoma, am vorgestrigen Mittwoch auf einer Pressekonferenz in die Welt. Auch im vergangenen Jahr 2011 habe sich die Zahl der Rechtsstreitigkeiten in ihrer Behörde auf Rekordniveau bewegt. Im Zwölf-Minuten-Takt gingen die Klagen ein. 2011 wurden 43.832 neue Verfahren eröffnet. Der Monatsdurchschnitt der Neueingänge beträgt 3.653. Hartnäckig verstetigt sich damit die Eingangssituation auf dem historischen Höchststand von 2010,  so die Gerichtspräsidentin.

Besonders auffallend ist die Entwicklung nach den Worten von Schudoma im Schwerbehindertenrecht, wo die Zahl der Klagen in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 50 Prozent anstieg.

70 Prozent der eingehenden Klagen betreffen jedoch Hartz-IV, erklärte die Sozialrichterin. Damit stelle diese Sparte die klassischen Gebiete des Sozialrechts weit in den Schatten. Noch in diesem Monat werde die 150.000 Hartz-IV-Klage der vergangenen sieben Jahre eingehen. Das sei eine ernüchternde Bilanz.  Dennoch setze sich diese Klageschwemme unvermindert fort und treffe das Gericht mit voller Wucht. Dabei gehe es kaum einem Kläger ums Prinzip, sondern um ganz konkrete Probleme des Alltags wie Kosten der Unterkunft, Leistungskürzung aufgrund von Sanktionen und die Verletzung gesetzlicher Bearbeitungsfristen durch die Jobcenter.  Dass es sich dabei seit Jahren um dieselben Gründe handelt, habe vor allem eine generelle Ursache: Verbesserungsvorschläge aus der Praxis versanden in der Politik.

Der Hase im Pfeffer sind die Jobcenter. „Sie kommen mit der Arbeit nicht hinterher. Gerichtsverfahren werden verzögert, weil das Jobcenter auch Monate nach Klageerhebung noch keine Stellungnahme abgeben kann. Allzu oft bekomme ich von Jobcentern die Antwort: ‚Aufgrund von Personalmangel kommt es derzeit zu Verzögerungen.‘ Monat für Monat erreichen das Gericht Dutzende Untätigkeitsklagen. Bürger, oftmals vertreten durch Rechtsanwälte, wenden sich an das Gericht, weil die Jobcenter zwingende Bearbeitungsfristen nicht beachten. Statt Rechtsfragen zu lösen, wird das Gericht zum Mahnbüro. Die Überforderung der Jobcenter führt zur Überlastung der Gerichte. Die Zeche zahlt der Steuerbürger,“ erklärte die Juristin wörtlich.

Die fundamentale Misere ist gewiss nicht dem Gericht anzulasten, das die Zahl der Richterstellen vom 55 im Jahr 2005 auf derzeit 127 mehr als verdoppelt hat. Davon sind 72 Richterinnen und Richter ausschließlich mit Hartz IV  beschäftigt.  Jeder von ihnen bewältigt pro Jahr 445 Hartz-IV-Fälle.

Die Sozialgesetzgebung ist zum undurchschaubaren Paragraphen-Meer geworden, aus dem es kein Entrinnen gibt.  Alle Beteiligten drohen in diesem Bermuda-Dreieck  zu ertrinken. ++ (sz/mgn/13/01/12 – 13)