Berlin/München, 3. Oktober 2012 (ADN).  Die Straße des 17. Juni in Berlin ist am sogenannten Tag der Deutschen Einheit vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule gespickt mit Marktbuden. Verkauft werden vor allem Bier, Bock- und Currywurst. Darin erschöpft sich mittlerweile Deutschlands Einheits-Seligkeit. Sie wird in München, wo dieses Jahr die Zentralfeier stattfindet, ergänzt mit einem ökumenischen Gottesdienst der Regierenden und dem ohnehin bereits in Gang befindlichen, noch mehr Anreiz bietenden Oktoberfest.  Ansonsten fließt der Einheitsbrei nicht nur bei allgemeinen Volksbelustigungen, sondern auch in den diversen Festtagssreden der Obrigkeit.

Das Irrlichtern des Nationalfeiertags der Deutschen durch ihre Geschichte setzt sich also fort. Der Selbstbetrug hält weiter fröhliche Urständ. Nachdem vor 22 Jahren wenigstens symbolisch noch einige wenige Ostdeutsche an der Machtausübung symbolisch teilhaben durften, beschränkt sich das mittlerweile nur noch auf die beiden Figuren Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck.  Die friedlichen Revolutioäre der ersten Stunde von 1989 sind wie vom Erdboden verschwunden. Die wenigen Ostdeutschen, die am Katzentisch sitzen durften, wurden als Marionetten betrachtet oder ließen sich als solche instrumentalisieren. Die westdeutsche Verwaltungsbürokratie mit ihren Protagonisten herrscht nunmehr auch im Osten. Sie traktiert die ohnehin gebeutelten Menschen in den neuen Bundesländern mit ihrem undurchdringlichen Paragraphendickicht, das sie letztlich selbst nicht beherrscht. Die ehemalige Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist mittlerweile zu einer klassischen Kolonie der Brüder und Schwestern aus dem Westen geworden. Das belegt ein umfassender Beitrag zur gesamtdeutschen Situation deutlich, der im Vorfeld dieses heutigen Tages im Deutschlandfunk präsentiert worden ist. „Die Schaltstellen der Macht sind nach wie vor überwiegend von Westdeutschen besetzt“, heißt es dort. Fakten werden genannt: Kein Bundesminister kommt aus dem Osten. In der Bundeswehr dient ein General aus den neuen Bundesländern und rund 200 aus den alten. Soweit bekannt – bei den Bundesgerichten, an den Hochschulen und in den Medien sieht es kaum besser aus. Grundsätzlich gilt die Faustregel: Je höher die Position, desto eher sitzt ein Wessi drauf, kritisiert Autorin Susanne Balthasar.

Zu Wort kommt der Jenaer Soziologe Raj Kollmorgen. „Diese Unterrepräsentanz ist mehr als ein individuelles Problem. Sie ist ein Problem für die Demokratie.“ Nach Ansicht der Autorin  lassen die Zahlen nur einen Schluss zu: Eine Herkunft aus dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR ist Gift für die Karriere.“ Kollmorgen untermauert das mit Zahlen. Ostdeutsche besetzen ungefähr fünf bis neun Prozent der Elitepositionen bei einem Bevölkerungsanteil von rund 17 Prozent – trotz inzwischen gleicher Bildungsabschlüsse. + (pl/mgn/03.10.12 -281)

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