München, 2. September 2012 (ADN). Es geht doch wirklich nicht an, dass der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVG) und diverse Verfassungsrichter durch die Lande ziehen und in Vorträgen und Interviews verkünden, dass das Grundgesetz mehr Europa nicht zulasse. Mit dieser Bemerkung übt der ehemalige außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) scharfe Kritik am höchsten Gericht der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Angesichts der Tatsache, dass das Karlsruher Gericht darüber erst entscheiden müsste, würde jeder Amtsrichter bei so einem Verhalten wegen Befangenheit abgelehnt, erklärte der langjährige Außenpolitiker in der SZ-Ausgabe dieses Wochenendes. Es gehe nicht an, dass der Präsident des Gerichts einen solchen Unsinn erzählt wie den, das Europäische Parlament sei undemokratisch, weil das Stimmengewicht der verschiedenen EU-Staaten in diesem Parlament so unterschiedlich ist.  Karlsruhe sei sämtlichen EU-Verträgen oft mit unguten Auflagen und mit einem nationalen Unterton begegnet. Es habe die Skepsis der Deutschen gegenüber Europa nicht nur verstärkt, sondern sie sogar salonfähig gemacht.

Der 76jährige forderte zunächst einen lohnenden Abstimmungsgegenstand, um endgültig über Europa in einer Volksabstimmung zu entscheiden. Ein neuer Verfassungsvertrag käme dafür in Frage. Über ihn könne in etwa drei bis fünf Jahren abgestimmt werden. In dieser Zeit sei eine Perspektive für Europa zu entwickeln und es müsse dargelegt werden, wie ein vorläufiger Endpunkt aussehen kann. Gegenwärtig befinde man sich  jedoch erst in einer institutionellen Neuordnung, die nur bruchstückhaft ist. Der Fiskalpakt sei ein solches Bruchstück.

Energisch forderte Lamers ein europäisches Grundgesetz. Dazu seien allerdings die Abstimmungsmodalitäten in Europa zu ändern. Das Einstimmigkeitsgebot habe keine Zukunft. Nötig sei, eine qualifizierte doppelte Mehrheit der Staaten und der Bürger zustimmen lassen. Dann könne eine gemeinsame Politik betrieben werden.  Der Minderheit bleibe es so erspart, entweder mitzumachen oder auszuscheiden. 

Angesprochen auf das vom Interviewpartner gemeinsam mit Wolfgang Schäuble im Jahr 1994 vorgelegte Kerneuropa-Papier und dessen Hintergerund-Idee antwortete Lamers, dass Deutschland damit sämtlichen hegemonialen Bestrebungen auf ewig entsagen und die ruhige Mitte Europas bilden solle. Allerdings gehe das nur im Verbund mit Frankreich.  ++ (dk/mgn/02.09.12 – 250)

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