Hamburg, 8. Mai 2013 (ADN). 500 Jahre lang hat der Westen mit seinen Institutionen und Ideen die Welt beherrscht. Jetzt kopieren die anderen, was unseren Aufstieg begründet hat. Wir aber geben auf. Diesen generellen Trend registriert und erläutert der britische Historiker Niall Ferguson in einem Namensbeitrag der Wochenzeitung „Die Zeit“. Darin führt er den Niedergang des Westens – gemeint sind die Territorien der Vereinigten Staaten vonm Amerika (USA) und der Europäischen Union (EU) – auf sechs von ihm als Killer-Applikationen bezeichnete Faktoren zurück. Sie seien bislang vom Westen eingesetzt und praktiziert worden. Nun haben die anderen angefangen, „sich unsere Killer-Applikationen herunterzuladen“, so Ferguson. Als Erste hätten die Japaner begriffen, dass sie westliche Institutionen kopieren können. Ihnen folgten nach den Worten des Historikers in den siebziger Jahren China, Indien und weitere bevölkerungsreiche Länder der Welt. Gleichzeitig habe der Westen begonnen, seine bewährten Killer-Applikationen zu löschen und damit die ernstere Entwicklung eingeleitet.
Zu den von dem in Havard lehrenden Wissenschaftler als Killer-Applikationen gekennzeichneten Problemkreisen gehören der Wettbewerb, die wissenschaftliche Revolution, die Rechtsstaatlichkeit, die Konsumgesellschaft und die Arbeitsethik. Zu beiden letzteren nannte er schlagende, auf dem europäischen Kontinent wenig bekannte Beweise. So gebe es in den Ländern des Westens nur vier der 30 größten Einkaufszentren der Welt. Alle anderen existierten in Schwellenländern. Zu dem arbeitsethischen Aspekt sei anzumerken, dass die Deutschen sich zwar als harte Arbeiter empfänden. „Aber der durchschnittliche Deutsche arbeitet nur 1.409 Stunden im Jahr, der durchschnittlicher Südkoreaner hingegen 2.204 Stunden“, teilt Ferguson mit. Die Killer-Applikation Arbeitsethik werde mit dem Wohlfahrtsstaat gelöscht und die der Konsumgesellschaft mit den Schulden. Infolgedessen nähere sich der Westen dem an, was Adam Smith „stationary state“, also einen Zustand des Stillstands, nannte. Um diese Situation in den Griff zu bekommen und ihr zu entrinnen, müsse sie zuerst erkannt werden. Nirgends in der Welt falle das allerdings so schwer wie in Deutschland, „wo die Illusion fortbesteht, dass in der besten aller möglichen Welten alles zum besten bestellt ist“. ++ (wi/mgn/08.05.13 – 122)