Archive für Beiträge mit Schlagwort: Main-Stream

Leipzig, 27. Februar 2015 (ADN). Das Publikum in der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigte sich wach und munter. Das war am Donnerstagabend von Anfang an deutlich spürbar, als in dem überfüllten Saal der Leipziger SPD-Organisation das Thema „Lügenpresse“ diskutiert werden sollte. Als Diskutanten waren aber nur zwei der solcherart qualifizierten Branche im Podium vertreten. Es handelte sich – kaum verwunderlich – um zwei Häuptlinge der Leipziger Presseszene: Der Trimediale Chefredakteur des Mitteldeutschen Rundfunks MDR, Stefan Raue, und der stellvertretende Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung (LVZ), Andre Böhmer. Damit war bereits Vollständigkeit der Main-Stream-Medien der Messestadt gegeben, denn mehr professionelle Meinungsvielfalt hat die äußerst einfältige Presselandschaft der Großstadt Leipzig  gegenwärtig nicht zu bieten. So fiel es den beiden von einem Politikwissenschaftler und einem im Un-Ruhestand befindlichen Theologen umrahmten Medien-Protagonisten leicht, uni sono das seit Wochen und Monaten Dresden, Leipzig und ganz Sachsen prägende Demonstrationsgeschehen als völlig unerwartete Überraschung zu kennzeichnen. „Auch wir waren überrascht. Im Oktober hatten wir noch keine Ahnung“, meinte Böhmer unbedarft. Das habe wohl mit der räumlichen Distanz zu Dresden zu tun, wo die Pegida-Wellen zuerst hochschlugen. Erst allmählich sei man beim Erfahrungsaustausch mit anderen sächsischen Zeitungen der rätselhaften Protestbewegung näher getreten. Dann sei plötzlich die Zahl der Leserbriefe unerwartet angeschwollen und die LVZ habe sogar die Pegida-Thesen abgedruckt. Begleitet von allgemeinem Gelächter stellte der Vize-Chefredakteur unzweideutig klar, dass sich die LVZ-Redaktion „weder auf die eine noch auf die andere Seite schlägt“. Insofern sei die Abqualifizierung als Lügenpresse, mit der eine ganze Berufsgruppe an den Pranger gestellt wird, völlig deplaziert. „Lügen heißt, etwas bewusst verdrehen. Wir haben vieles gar nicht gewusst“, artikuliert Böhmer.

In ähnlicher Tonlage stößt Raue ins Horn der Unverbindlichkeit und wiederholt fast wörtlich: „Es hat uns sehr überrascht.“ Immerhin gibt er zu, dass es „uns nicht hätte überraschen dürfen“. Allerdings sei er ganz andere Demonstrationsdimensionen gewöhnt, wenn er nur an den Gegenwind der Bürger zum G-8-Gipfel in Heiligendamm und den zivilen Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 denke. Jedoch räumt er ein, „wer nach Pegida zur Tagesordnung übergeht, macht einen Fehler.“ Es gebe noch zu viele Rätsel. Dazu zähle die Kommunikationsverweigerung der Demonstranten. Außerdem sei nicht klar, wer die eigentlichen Strippenzieher im Hintergrund der Aufmärsche und Kundgebungen von Pegida und Legida sind. Zuschriften von Zuschauern an ihn als Fernseh- und Rundfunkjournalisten bestünden zudem nicht – wie sonst gewohnt – aus Fragen, sondern aus ganzen Traktaten und inhaltlichen Darstellungen. Im Übrigen stehe im Raum, was aus der nun offenbar zerfallenden Protestbewegung wird und wohin der aufgestaute Frust abgeleitet wird. Entsteht daraus vielleicht eine eigene Partei, denkt Raue laut nach. Einige solcher Fragen würden wohl bei der bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl in Dresden beantwortet, die sich zu einem hochpolitischen Ereignis hochzuschaukeln beginne.

Ein aufmerksamer Beobachter, der die Podiumsdiskussion nur im Internet verfolgt hat und sich als echter „Wutbürger“ entpuppt, tippt bei den Äußerungen der Medienleute auf bewusst gespielte Unwissenheit. Er schreibt in der „Leipziger Internet-Zeitung“ (l-iz):Meine Entscheidung, dieser Veranstaltung  fern zu bleiben, war goldrichtig. Bei einer Teilnahme wäre ich entweder sehr zeitig gegangen oder hätte meine gute Kinderstube vergessen. Wie kann man bei einer 50prozentigen Wahlbeteiligung und einem seit längerer Zeit greifbaren Unmut über die Politik in Sachsen so überrascht gewesen sein, wie es beispielsweise seitens des Vertreters der LVZ angeführt wurde ? Bei solchen Beiträgen in der Öffentlichkeit braucht sich keiner zu wundern, wenn das Wort ‚Lügenpresse‘ immer weiter Nahrung erhält.“ ++ (dd/mgn/27.02.15 – 53)

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Hamburg/Wien, 28. Januar 2014 (ADN). Der Journalismus erlebt einen grundlegenden Wandel. Die sogenannte vierte Gewalt spaltet sich. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich den Macht-Hierarchien der Verlage unterwerfen sowie als Angehörige von Berufsverbänden, Verwertungsgesellschaften und Finanzamt nach außen anerkannt sind. Auf der anderen Seite befinden sich die Öffentlichkeitsarbeiter, die sich als agierende Personen mitten in die oftmals verwirrende Welt der Probleme begeben, dort agieren und gleichzeitig darüber berichten. Sie haben den Vorteil, vor Ort hautnah die Wirklichkeit zu atmen und ungefiltert Informationen in allen Facetten aufzusaugen. Das gelingt denen, die sich in das bisher propagierte klassische Bild des Journalisten als objektiver, unbeteiligter Beobachter eingliedern, nicht, auch wenn sie sich noch so sehr bemühen. Häufig gehören sie als sogenannte Edelfedern zu den gutbetuchten und hoch honorierten Vertretern der herrschenden Oberschicht. Es sind Protagonisten der Meinungsführerschaft, des Main-Stream.

Jetzt erwächst ihnen gleichwertige Konkurrenz. Diese sich als Antipoden herausschälenden Kollegen erweisen sich als Dualisten. Sie kennen mindesten beide Seiten der Medaille aus eigener Anschauung und Erfahrung. Dadurch werden letztlich ihre Berichte, Kommentare und Dokumentationen lebensnäher und glaubwürdiger.

Diese Spaltung einer Berufsgruppe ist wesentlich von den NSA-Enthüllungen zwar nicht ausgelöst, jedoch stark forciert worden. Die neuartige Journalistenriege tritt mit beachtlicher Artikulation an die Massen heran. Der inzwischen bekannteste ist Glenn Greenwald, der das publizistische Echo von Edward Snowden verkörpert. Auch Christoph Twickel, der die Hamburger Szene nach dem Motto „Recht auf Stadt“ aktiviert und dokumentiert, hat sich in dieser neuen medialen Disziplin profiliert. Der Wiener Schriftsteller und Kommunikationswissenschaftler Günter Hack nennt treffende Gründe dafür, dass die Grenzen zwischen Aktivisten und Journalisten in dieser Art verschwimmen. Der zivilrechtliche Zusatzschutz eines Journalisten, seine Quellen nicht offenbaren zu müssen, bietet die Bewahrung vor eventuellen Sanktionen. Das beweise die am 12. September vergangenen Jahres vom USA-Kongress bei laufender NSA-Debatte verabschiedete neueste Version des „Free Flow of Information Act“. Sie regelt den Umgang mit Whistleblowern.

In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) ist das Berufsbild so verwaschen und ambivalent, weil der Staat seine klare Abgrenzung absichtlich vermeidet. Genau das haben, so Hack, nämlich die Nationalsozialisten getan und mit ihrem Schriftleitergesetz diese Tätigkeit „so richtig exakt definiert.“ Danach war geregelt, wer als Journalist zu gelten und welche Aufgaben er zu erfüllen hat. „Speziell in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten wird man es verstärkt mit Menschen und Organisationen zu tun bekommen, die Anwälte oder Akteure des Themas sind, das sie bearbeiten“, formuliert Hack in Zeit-online.de. ++ (me/mgn/28.01.14 – 028)

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Berlin, 20. Oktober 2011 (ADN). Im Umgang mit finanziellen Rettungsschirmen und Hebeln für den Euro wird offenbar, dass die deutsche Bundesregierung nicht erst seit gestern das Parlament ausgeschaltet hat. Inzwischen gibt sogar der Bundesfinanzminister zu: die Demokratie ist gefährdet. Geredet wird dabei im Übrigen immer nur von einem Vehikel der Demokratie: der repräsentativen. Und was nach Auffassung eines Spitzenpolitikers wie Schäuble auf dem Spiel steht, ist erfahrungsgemäß längst verspielt. Also auch diese Art der Demokratie, die Volksherrschaft nur vorgaukelt und zum Schein zelebriert, ist am Ende. Die wahre, auf Basis des Volkes gründende und praktizierte Demokratie hat es – wenn überhaupt – in Deutschland seit der Weimarer Republik nicht mehr gegeben.  Die Gedanken und Forderungen der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 waren ohnehin nicht in Sicht-, geschweige denn in Reichweite. Die jüngste Chance dazu, die vor 20 Jahren bestanden hat, wurde von den etablierten Parteien rasch zerstört. Eine Kommission zur Erarbeitung einer vom Volk zu verabschiedenden Verfassung wurde binnen kürzester Frist zum Schweigen gebracht und in aller Stille zu Grabe getragen.

Nun geht auch das Pseudo-Produkt der repärsentativen Demokratie, das die Hirne der Leute jahrzehntelang systematisch und gründlich vernebelt hat, vor die Hunde. Sogar die mit der Macht weitgehend linientreuen Main-Stream-Medien geben das zu. Brigitte Fehrle schreibt heute in der „Berliner Zeitung“: „Derzeit handelt die Politik außerhalb der Demokratie. Sie benimmt sich, als sei sie ein Player auf den anarchischen internationalen Finanzmärkten, die nur der Logik der Geldvermehrung gehorchen.“ Die Autorin weist darauf hin, dass Demokratie von Transparenz lebt, von Offenheit, von Überzeugungskraft und davon, dass Bürgern einleuchtet, was ihre gewählten Vertreter tun, selbst wenn sie damit nicht einverstanden sind. Das ist perdu.

Solcherart „Im Griff der Spekulanten“ – so der Titel des Beitrages in der Tageszeitung – befinden sich die Politiker. Und das bestätigte bereits der Staatsphilosoph Charles de Secondat de la Brede et de Montesquieu vor mehr als 250 Jahren. Im Kapitel „Über das Prinzip Demokratie“ seines Hauptwerkes „Vom Geist der Gesetze“ bekennt der Franzose zu tiefster feudalistischer Zeit: „Die heutigen Politiker sprechen nur von Manufakturen, Handel, Finanzen, Reichtum, ja sogar Luxus.“ Die Tugend, auf die sich die Politiker von Volksregierungen nach den Worten von Montesquieu allein stützen sollen, ist verschwunden. Offensichtlich wird Deutschland von Feudalisten regiert. Hier heißt es also nicht nur: Schlag nach  bei Shakespeare, sondern auch bei Montesquieu. Warum lernen wir nach mehr als einem Viertel Jahrtausend nichts dazu ? Weil über Klassiker fundamentaler staatsrechtlicher Literatur weder an Grund- noch an Hochschulen unterrichtet wird. Elementares Demokratie-Wissen wird den Bürgern vorenthalten. Nicht zufällig, sondern mit Absicht. ++ (dk/mgn/20.10.11 – 10)