Archive für Beiträge mit Schlagwort: Militärputsch

Bonn, 9. November 2013 (ADN). Der heutige 9. November mit seinen zahlreichen in Deutschland historisch markanten Erinnerungsfacetten könnte um eine weitere bemerkenswerte Nuance in diesem Jahr 2013 bereichert werden. In Bonn, der früheren Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland (BRD), ist fast unbeachtet von der Außenwelt eine stilles Revolutionsfeuer an der ortsansässigen Universität ausgebrochen, dessen Funke im Mai dieses Jahres ausgeworfen wurde, seitdem die studentischen Gemüter anheizt und nunmehr erste Glutnester sichtbar macht. Auslöser waren vor knapp einem halben Jahr ausgerechnet Mitglieder der Bundesregierung. Verteidigungsminister Thomas de Maiziere und Außenminister Guido Westerwelle hatten beschlossen „eine „Henry-Kissinger-Professur“ einzurichten und an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu installieren. Die führenden Köpfe des Lehrkörpers, Rektor Prof. Jürgen Fohrmann und Kanzler Dr. Reinhardt Lutz, begrüßten das Vorhaben der Bundesregierung enthusiastisch und postwendend. Fohrmann wird in einer offiziellen Mitteilung der Hochschule mit dem Satz zitiert: “ Die ‚Henry-Kissinger-Professur‘ beflügelt Forschung und Lehre auf den Gebieten der internationalen Beziehungen und der Völkerrechtsordnung, intensiviert den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik und setzt einen neuen Akzent auf dem Gebiet der internationalen Sicherheitspolitik“. Die Stiftungsprofessur, so heißt es weiter in der Mitteilung, ist auf 5 Jahre angelegt und soll vom Verteidigungsministerium und Auswärtigen Amt gemeinsam finanziert werden. „Die haushalterischen Voraussetzungen sollen im Haushalt 2014 geschaffen werden.“ Nach Ablauf dieses Zeitraums seien die Kosten der Professur von der Universität zu übernehmen.

„Aufgrund dieses Finanzierungsmodells äußert das Studierendenparlament seine Sorge um die Freiheit von Wissenschaft und Lehre“, heißt es in einem Beschluss dieses Gremiums auf seiner 12. ordentlichen Sitzung am 16. Oktober 2013. Auch interessengeleitete Einflussnahme sei zu befürchten. Die Universitätsleitung wird aufgefordert, die Unabhängigkeit von Stiftungsprofessuren sicherzustellen. Dazu gehöre vor allem ein transparentes Verfahren bei der Berufung und inhaltlichen Ausrichtung. Außerdem müssten die Verträge zwischen Stiftern und Universität offengelegt werden. Bisher ist bekannt, dass für den Lehrstuhl 250.000 Euro aus dem Verteidigungsetat und 50.000 Euro aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes kommen.

Die Reaktion der Studentschaft beschert den Initiatoren wegen weiterer, inhaltlicher Vorbehalte ein böses Erwachen. Henry Kissinger wird nämlich rundweg die Eigenschaft abgesprochen, als mustergültiger Repräsentant und Verfechter des internationalen Rechts, der Friedenspolitik und der Völkerverständigung zu gelten. Dazu zählen die Studenten nur einige schwerwiegende Verfehlungen des Ex-Außenministers der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) auf: „Aufgrund der Mitverantwortung Kissingers für die Massenbombardements über den neutralen Staaten Kambodscha und Laos 1969 bis 1973, denen Hunderttausende Zivilisten zum Ofer fielen, ist Kissinger gerade als Vorbild für Forschung und Lehre des Völkerrechts völlig ungeeignet. Auch war Kissinger an den Planungen zur Herbeiführung eines Militärputsches in Chile in den Jahren 1970 bis 1973 beteiligt.“ Während des Putsches gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Salvador Allende seien 3.000 Menschen ermordet und Zehntausende gefoltert worden. Genannt wird desweiteren der Angriffskrieg Indonesiens gegen Osttimor im Dezember 1975, in dem mehr als 100.000 der nur 800.000 Timoresen starben. Kissinger und sein Präsident Gerald Ford hatten dem indonesischen Diktator ihr Einverständnis zu der Invaion gegeben.

Auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Bonner Universität hatte zuvor heftig kritisiert, ausgerechnet eine Professur für Völkerrechtsordnung nach dem früheren Nationalen Sicherheitsberater und Außenminister der USA zu benennen. „Gegen Kissinger werden bis heute schwere Anschuldigungen erhoben, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. Bis zum heutigen Tag sind Gerichtsverfahren in mehreren Ländern anhängig, denen er sich bis heute nie gestellt hat“, heißt es in einer Mitteilung an die Presse. Darin wird ein zynischer Satz Kissingers zitiert, den er 1975 in Ankara gegenüber dem seinerzeitigen US-Botschafter in der Türkei ausgesprochen hatte: „Das illegale machen wir sofort, was gegen die Verfassung verstößt dauert ein bisschen länger.“ ++ (09.11.13 – 307)

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Kairo/Köln, 19. Juni 2012 (ADN). Der Militärrat torpediert und verhindert wirkliche Reformen und Institutionen, die das umsetzen. Das erklärte der ägyptische Politologe und Publizist Hamed Abdel-Samad am heutigen Dienstag im Deutschlandfunk über die derzeitige politische Situation kurz nach der Wahl des ägytischen Präsidenten. Es handele sich um einen sanften Militärputsch, ohne dass Panzer rollen. Zugleich sei dies ein Verfassungsputsch, denn der Militärrat habe die Macht über die Legislative und lasse Gesetze verabschieden, die langfristigen Einfluss ausüben.  So soll laut einer neuen sogenannten Verfassungserklärung der neue Präsident nur repräsentative Funktion haben ähnlich dem deutschen Bundespräsidenten.  Das sei ein Rückschlag für die Demokratie. Wenn ein Präsident vom Volk gewählt wurde und trotzdem nicht regieren dürfe, habe das mit Demokratie überhaupt nichts zu tun.

Mit dieser Einschätzung entlarvt er indirekt und unbewusst die Zustände in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), in der der ohnehin machtlose Bundespräsident nicht vom Volk direkt gewählt,  sondern von einer sorgsam selektierten elitären Kleinstgruppe bestimmt wird,  als scheindemokratisches Staatstheater. Zudem mangelt es Deutschland immer noch an der seit spätestens 22 Jahren fälligen  Verfassung, die unmittelbar vom Volk zu beschließen ist.

In Ägypten hat es der von Mubarak ins Amt gehievte Militärrat von 19 Männern aus Unvermögen oder Kalkül von Anfang an abgelehnt, dass zuerst die Verfassung kommt, dann die Wahlen, dann die Präsidentenwahlen, erklärte Abdel-Samad. Der Grund dafür sei schlicht und einfach: der Militärrat hat viele Leichen im Keller und ist mit dem alten Mubarak-Regime in viele Geschäfte verwickelt. Nun befürchte dieses Gremium, dass diese Akten in einem demokratischen Ägypten geöffnet werden. Die Wut der Menschen, die sich selbst ermächtigt und keine Angst mehr haben, versetze den Militärrat in tiefe Besorgnis.

In dem arabischen Land wird ein in vielerlei Hinsicht aufschlussreiches politisches Lehrstück aufgeführt, dessen deutsche Premiere noch auf sich warten lässt, denn es gibt dort bislang weder die Direktwahl eines Präsidenten noch eine vom Volk beschlossene und in Kraft gesetzte  Verfassung . ++ (dk/mgn/19.06.12 -176)