Archive für Beiträge mit Schlagwort: Nationalismus

Zürich/Köln, 3. August 2015 (ADN). „Heute breiten sich nun aber fast überall in Europa neue Parteien und Bewegungen aus, welche die Bewahrung der eigenen Kultur thematisieren. Selbst in Regionen, in denen nur noch Reste des Christentums vorhanden sind, wird plötzlich ‚für das Abendland‘ gestritten.“ Das schreibt Heinz Theisen, Professor für Politikwissenschaft an der Katholischen Hochschule NRW in Köln, am Montag in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ). Dies geschehe so lange dumpf und sprachlich ungelenk, wie Intellektuelle und Medien diesen „Populismus“ nur diffamieren, anstatt ihn in den öffentlichen Diskurs zu integrieren. Die religionsspezifischen Themen stünden quer zu den alten sozialökonomischen Konflikten. Im Kampf von Kulturen habe die alt-ideologische Unterscheidung zwischen „links“ und „rechts“ so wenig Sinn wie klassische Gegensätze von Freiheit oder Sicherheit. 

Nach den Worten von Theisen reicht das Spektrum der politischen Rechten von bürgerlichen Patrioten, die sich für das Gemeinwohl ihres Landes einsetzen, über Wutbürger und mehr oder weniger radikale Populisten sowie demokratische Nationalisten bis hin zu gewaltsamen Rechtsextremisten. Sie alle unter „rechts“ in einen Sack zu stecken, diene weder der Analyse noch der Notwendigkeit, auch mit der Hilfe von konservativen Kräften den Rechtsextremismus zu bekämpfen.

Der Autor stellt fest und formuliert daraus drängende Zukunftsfragen: „Zwischen den monotheistischen Weltreligionen gibt es einen Wertekonsens – allerdings nur im Prinzip. Sie alle fühlen sich der Bewahrung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit verpflichtet. Problematisch wird es erst, wenn man diese Begriffe konkretisieren muss. Dann zeigt sich, dass die Rangordnung der Werte die Eigenwertigkeit der Kulturen ausmacht. Ist mit Menschenwürde die sexuelle Selbstbestimmung oder die Jungfräulichkeit einer unverheirateten Frau gemeint ? Steht das Individuum oder das Kollektiv, stehen individuelle Menschenrechte oder kollektive Menschenpflichten im Vordergrund ? Steht die individuelle Freiheit oder die religiöse Hingabe an Gott an oberster Stelle ? ++ (mr/mgn/03.08.15 – 162)

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Strassburg/Zürich, 27. September 2015 (ADN). Ein ungewöhnlicher und aufsehenerregender Prozess beginnt Mitte dieser Woche am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg. Es geht um die Frage, ob der Staat eine offizielle Geschichtsschreibung vorgeben und Abweichler dafür bestrafen darf. Im Zentrum steht die Meinungsfreiheit und ihre Ausmaße. Schlüsselfigur ist der türkische Nationalist Dogu Perincek, der von der Schweizer Justiz wegen Rassendiskriminierung verurteilt wurde, weil er den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich in den Jahren 1915 bis 1917 als „internationale Lüge“ bezeichnet hatte. Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Dienstag weiter schreibt, ist das Fall nicht nur politisch brisant. Er werfe auch die bedeutsame Frage auf, inwieweit der Einzelne das Recht hat, historische Ereignisse frei zu beurteilen, ohne eine Strafe gewärtigen zu müssen.

Der EGMR hat die Streitsache schon einmal verhandelt. In seinem Urteil von 2013 hatte er die Frage offen gelassen, ob es sich bei dem Drama vor hundert Jahren tatsächlich um Völkermord handelt oder nicht. Er stellte lediglich fest, dass international keine Einigung über die Bewertung der damaligen Ereignisse besteht. Die Geschichtsforschung eigne sich nicht für absolute Wahrheiten, zudem sei der Begriff Genozid sehr eng zu verstehen. ++ (mr/mgn/27.01.15 – 27)

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Köln, 10. Juli 2014 (ADN). Um Europa zu einigen, haben wir zunächst mit der wirtschaftlichen Integration angefangen. Dann sei die Währungsunion gefolgt. Das erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Donnerstagabend in einer Gemeinschaftsproduktion des Fernsehsenders „Phönix“ und des Deutschlandfunk. Zwar bedeute das Nationale zunächst die erste Identifikation. Insofern befände sich Frankreich heute noch in derselben Situation wie es die Französische Nationalversammlung im Jahr 1954 manifestierte. Wenn die Deutschen bei der Wiedervereinigung erstmal einen großen Verfassungskonvent veranstaltet hätten, wäre zu viel Zeit auf dem Weg in Richtung Europa verstrichen. Krisen seien nützlich, um das Europa-Projekt voranzutreiben.Schäuble, der seinerzeit den deutschen Einigungsvertrag aushandelte und unterzeichnete, nannte einige Phänomene der weiteren Europäisierung. So habe er selbst vorgeschlagen, dass in bestimmten Gerichtsverhandlungen Englisch gesprochen werden soll.

Dem hielt der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani auf dem unter der Überschrift „Europa zwischen Wirtschaftsunion und Wertegemeinschaft“ auf dem Forum Politik entgegen, dass sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes beim Abfassen dieses Dokuments etwas gedacht hätten.  Sie seien keine Literaten gewesen, als sie beispielsweise die Regeln für politisches Asyl formulierten und verabschiedeten. Das Europäische Projekt sei im 19. Jahrhundert in erster Linie ein Freiheitsprojekt gewesen, kein Friedensprojekt. Das werde an den Rändern Europas viel eher begriffen als in seinem Kern. Das Asylrecht sei letztlich auf das Niveau der Genfer UNO-Konvention für Flüchtlinge zurückgestutzt worden.

In einer weiteren Rundfunksendung am selben Abend äußerten sich Politikwissenschaftler und Soziologen zum Thema Patriotismus und Nationalismus. Nach Auffassung von Volker Kronenberg von der Universität Bonn ist Patriotismus ein Produkt der französischen Aufklärung. Dagegen werde in Deutschland der Nationalstaat als offene Gemeinschaft von Bürgern betrachtet. Europa befinde sich in einer Phase der Abwendung vom klassischen Nationalismus. Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, unter dessen Regie seit 2002 alljährlich die Langzeit-Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ in Deutschland vorgelegt wird, bezeichnete übertriebene nationale Töne als neues Opium für das Volk. In Wirklichkeit befände sich die Nation, die eigentlich von den Prinzipien Solidarität, Fairness und Gerechtigkeit geprägt sein müsste, im Niedergang. Der „Aufzug“ gehe für viele nach unten oder befinde sich bestenfalls in Stagnation. ++ (gg/mgn/10.07.14 – 190)

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Paris, 28. Juni 2014 (ADN). Korsikas Untergrundbewegung FLNC (Front de liberation nationale corse) hat per Kommunique die Einstellung des bewaffneten Kampfes angekündigt. Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Sonnabend weiter berichtet, ist in der korsischen Monatszeitung „Corsica“ ein authentisch beglaubigtes Manifest veröffentlicht, wonach die korsischen Nationalisten einseitig die Waffen niederlegen und ihre klandestinen Operationen beenden. Keine gewaltsame Aktion könne nunmehr der Urheberschaft des FLNC angelastet werden. Jetzt seien die korsischen Politiker gefordert, mit dem französischen Staat innerhalb von besseren regionalen Institutionen ein neues Statut für die Insel auszuhandeln.

In den fast 40 Jahren ihrer Existenz hat der FLNC rund 5.000 Anschläge verübt. In der Mehrzahl handelte es sich um Sprengstoffangriffe gegen Ferienhäuser und Zweitresidenzen von Festlandfranzosen. Attentate auf Personen hat es nicht gegeben. Sie waren umstritten oder sogar verpönt. Von ihrem eigentlichen Ziel nach Selbstbestimmung gehen die Untergrundkämpfer jedoch nicht ab. Sie soll mit politischen Mitteln errungen werden. Zu ihren bisherigen, mit militärischem Einsatz erreichten Erfolgen zählt die Bewegung, die Immobilienspekulanten am Zubetonieren der Küsten gehindert zu haben.

Das Echo der französischen Zentralregierung ist gering. Innenminister Bernard Cazeneuve habe – so die NZZ – einen Dialog vorgeschlagen. Der Vorsitzende der Nationalversammlung, Claude Bartolone, verlange „mehr Beweise“ für die Proklamation friedlicher Absichten.  ++ (vk/mgn/28.06.14 – 178)

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Berlin, 26. April 2014 (ADN). Ausgehend von den gegenwärtigen Ereignissen in der Ukraine versucht die „Neue Zürcher Zeitung“ am Sonnabend die Frage zu beantworten, ob Europa zum Nationalismus zurückkehrt.  Neu und anders gegenüber der Nationalstaatlichleit des 19. Jahrhunderts, deren Machtpolitik sich keinen Legitimtationsverfahren auszusetzen hatte, sei heute die Vervielfachung der Wahrnehmung und der Rollen der Protagonisten. Ein Milliardenheer von Zuschauern verfolge weltweit das Geschehen medial und beurteile es in Gestalt des allgemeinen Gewissens. Putin sei es gelungen, sich in die Stellung dessen zu befördern, der über den Ausnahmezustand entscheidet. Damit liege letzte Souveränität in seinen Händen. Zudem definiere er den Raum dieser Souveränität und die Gegner, die innerhalb recht weit gezogener Grenzen hier nichts verloren haben.

Der Ohnmacht der Europas widmet Autor Martin Meyer eine besonders analytische Betrachtung der politischen Zerrüttung. „Manche Indikatoren zeigen auf, dass der alte Kontinent bis in die westlichen Stammlande hinein im Gefolge der Wirtschafts- und Schuldenkrise einerseits einen Prozess erfährt, der mit dem Stichwort von der Rückkehr des Nationalismus zu erfassen ist. Die harmonisierte Identität Europas, die freilich über Jahrtausende ohnehin zumeist eine Realität von Kriegen und Bürgerkriegen war, erhält Risse. Niemand will daran schuld sein, doch die Stimmen verweisen auf ‚Brüssel‘ und einen Zentralismus, der sich als bürokratische Fiktion über Individualitäten und Besonderungen gelegt habe“, schätzt Meyer ein.  Schwer greifbare Prozesse der Globalisierung mit ebenfalls schwer greifbarer Konkurrenz steigere die Sehnsucht nach der eigenen Scholle.

„Tatsache ist, dass mit den Einigungsprozessen in der Euroäischen Union nationale Hohheitsrechte in den Hintergrund rückten, was sich wiederum im Selbstbewusstsein nationalstaatlich verfasster Bürgerschaften bemerkbar machte: Es erlitt Beschädigungen und wurde lebenspraktisch mit Verfahrensfragen konfrontiert, die häufig als schikanöse Abstraktionen wahrgenommen wurden.“ Die aktuelle Antwort darauf seien nationale, mitunter auch regionale Sonderwege, nicht selten affektiv aufgeladen. Das Fazit laute „so weit, so trübe“. Entgegen den Träumen von einer neu zu erfindenden Großdemokratie Europa müsse man sich vermutlich darauf einrichten, „dass die Welt weiter an Fahrt in Richtung Unübersichtlichkeit, Konfliktträchtigkeit, Interessendruck, Machtpolitik, Raum- und Herrschaftswillen gewinnen wird.“ Europa würde in einem solchen Zusammenhang kaum mit einer „Verfassung für den ewigen Frieden“ in Verbindung zu bringen sein. ++ (wi/mgn/26.04.14 – 115)

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Barcelona/München, 28. März 2014 (ADN). „Wir sollten uns am Begriff der Nation des Philosophen Johann Gottfried Herder orientieren.“ Diese Empfehlung gibt der frühere katalanische Regierungschef Katalaniens, Jordi Pujol, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, das am Freitag veröffentlicht wurde. Der Begriff „Nationalismus“ störe. Nach Auffassung von Herder seien alle Nationen gleichwertig und ihre Unterschiedlichkeit dürfe keinesfalls Anlass geben, sich gegeneinander zu wenden. „Die Katalanen sind keine engstirnigen Nationalisten, sie gehören vielmehr zu den proeuropäischen Nationen“, so Pujol. Diese Haltung seiner Landsleute liege in der vom Seehandel geprägten Wirtschaft begründet, die immer vielfältige Beziehungen zu anderen Ländern hatte. Das gelte auch auf kulturellem Gebiet. Katalonien sei in der Geschichte südlicher Vorposten des karolingischen Reiches gewesen, eine Art Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft.

Pujol, der von 1980 bis 2003 an der Spitze der Regionalregierung Kataloniens stand und gegen den Widerstand der konservativen Zentralregierung für eine Sezession von Spanien kämpft, hat keine Furcht vor einer Abspaltung von Spanien und der Europäischen Union (EU). Sie sei ein Präzedenzfall, über den man rechtzeitig Einigung erzielen müsste. „Falls unsere Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit ein Votum für die Unabhängigkeit abgibt, so werden weder Brüssel noch Madrid  diesen Wunsch ignorieren können“. In Spanien handele es sich bei weitem nicht nur um eine Krise der Wirtschaft. Es gehe um eine Krise aller staatlichen Institutionen, der Parteien, der Justiz, der Verwaltung, sogar der Monarchie.

Als deutliches Zeichen für den Stimmungsumschlag nannte Pujol einen konkrete Vorgang: Als das Verfassungsgericht, das die in Madrid regierende konservative Partido Popular (PP) angerufen hatte, 2010 das neue Autonomiestatut für Katalonien aufhob. „Dieses Statut, das unsere Rechte bei Selbstverwaltung und Kultur festschreiben sollte, war bereits von den Parlamenten angenommen worden, unsere Bevölkerung hatte in einem Referendum zugestimmt, der König hatte es unterzeichnet. Doch die Partido Popular organisierte eine Kampagne dagegen, die die Katalanen in einem schlechten Licht darstellte, die von uns daher als aggressiv und erniedrigend empfunden wurde. Wir sahen daher dem Konsens aufgekündigt, der Spanien auch mental zusammengehalten hat.“ ++ (vk/mgn/28.03.14 – 087)

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