Berlin/Frankfurt am Main 15. Januar 2014 (ADN). Das Vertrauen der Bürger in die bundesdeutsche Gesundheitspolitik und insbesondere in die Transplantationsmedizin hat einen Tiefstpunkt erreicht. Das beweisen die soeben veröffentlichten Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Danach hat es im vergangenen Jahr nur noch 876 Organspender gegeben. im Jahr 2012 waren es 1.046 und im Jahr 2006 noch 1.259. Das Eingeständnis der Bundesärztekammer ist am ehrlichsten und überzeugendsten. Ihr Präsident Frank Ulrich Montgomery erklärte am Mittwoch in einem Statement seiner Vereinigung in Berlin: „Der Transplantationsskandal hat das Vertrauen in die Transplantationsmedizin erschüttert und ist der Hauptgrund für die weiter rückgehende Zahl der Organspende in Deutschland.“ Dennoch dürfe nicht nachgelassen werden, dieses lebenswichtige Thema noch stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken. Es sei richtig und wichtig gewesen, dass in den Medien ausführlich über die Verfehlungen in der Transplantationsmedizin berichtet wurde. Es gehe jetzt darum, in der Öffentlichkeit das Schicksal der auf den Wartelisten stehenden Patienten in der Vordergrund zu rücken. Von den Krankenkassen erwarte er, ihren Informationsverpflichtungen besser nachzukommen. Dass dennoch auch Montgomery nicht ganz den Nagel für die eigentlichen Ursachen des Dilemmas getroffen hat, belegt der Tatbestand, dass ausgerechnet in den reichsten Bundesländern – Bayern und Baden-Württemberg – die Bereitschaft zur Organspende am geringsten ist.

Der Vertrauensschwund wird vor allem den von Medien aufgedeckten Manipulationen und Skandalen im Umgang mit Organspenden an Kliniken in Göttingen, Münster, München und Leipzig angelastet. Danach hatte eine Prüfungskommission unter Leitung der pensionierten Richterin des Berliner Kammergerichts, Anne-Gret Richter, umfangreiche Untersuchungen in den 46 deutschen Transplantationszentren und deren rund 140 organspezifischer Transplantationsprogramme vorgenommen. So wurden beispielsweise in den 24 Lebertransplantationszentren die Krankenakten von insgesamt 1.180 Empfängern postmortal gespendeter Lebern geprüft. Im November 2012 wurde zudem eine unanhängige Vertrauensstellte für Transplantationsmedizin eingerichtet, an die Auffälligkeiten und Verstöße -ö auch anonym – gemeldet werden können. Deren Leiterin, die ehemalige Richterin am Bundesgerichtshof (BGH), Prof. Ruth Rissing-van Saan hatte im September 2013 über den Eingang von 101 Eingaben und Anfragen berichtet. Darunter hätten sich zehn anonyme Anzeigen mit konkreten Anschuldigungen gegen einzelne Zentren und namentlich benannte Ärzte befunden.

Eine eklatante Fehldiagnose leistete sich demgegenüber der Nationale Ethikrat. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2007 betrachtet er als die eigentlichen Gründe für die Misere in der Transplantationsmedizin organisatorische Defizite einerseits und Fehlsteuerungen im Gesundheitssystem andererseits. „Die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Transplantationsmedizin und der Organspende ist daher nicht der entscheidende Grund dafür, dass es in Deutschland weniger postmortale Organspenden gibt als in europäischen Nachbarländern“, teilte das Gremium mit. ++ (ge/mgn/15.01.14 – 015)

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