Archive für Beiträge mit Schlagwort: Osnabrück

München, 27. September 2014 (ADN). Die kirchlichen Gemeindefusionen wiederholen die gravierenen Fehler der kommunalen Gebietsreformen der zurückliegenden Jahrzehnte in einigen  Bundesländern. Dort wurden ungefähr 400.000 ehrenamtlich tätige Bürger aus den Gemeindeparlamenten „wegrationalisiert“. Darauf weist der Essener  Geograph, Prof. Gerhard Henkel, am Sonnabend in einer in Süddeutschland herausgegebenen überregionalen Zeitung hin. Dies habe zum Desinteresse an der Kommunalpolitik geführt. Gleiches stehe nun auch der Kirche bevor. Durch den Wegfall der lokalen Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände würden Hunderttausende gewählter und ehrenamtlich tätiger Christen nicht mehr gebraucht. Offenbar fehle den Kirchenleitungen das Vertrauen in die Gläubigen, in deren Kompetenzen und Kräfte sowie in die Selbstregulierungsfähigkeit der dörflichen Gemeinden. Auch die katholische Kirche befinde sich in diesem Sog. 

Als Alternative schlägt Henkel die Verbandsgemeinde vor. Diese schaffe eine starke zentrale Organisation und Verwaltung, ohne den zugehörigen Ortsgemeinden die Autonomie zu rauben. In den Bistümern Osnabrück und Mainz werde dies praktiziert. Dörfliche Pfarreien haben sich zu Pfarrverbänden zusammengeschlossen.

Andernfalls sind nach den Worten des Wissenschaftlers die negativen Erscheinungen bereits zu beobachten. Kirchen, Pfarrhäuser und andere sakrale Bauwerke werden geschlossen, entweiht und verramscht. Mit der Auflösung der Ortspfarreien schade die Kirche nicht nur sich selbst, sondern auch dem Land und seinen Menschen. Das Dorf verlöre seine älteste und über Jahrhunderte mit Leben gefüllte, selbst organisierte und getragene gemeindliche Institution. Die geistliche, kulturelle und soziale Mitte verschwinde – und damit – der Kern lokaler Identifikation. Schulen, Post und Bürgermeister seien schon weg. Mit den Kirchen gehe das Herz verloren. ++ (re/mgn/27.09.14 – 270)

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Münster/Hamburg, 25. Mai 2013 (ADN) Einer aktuellen Übersicht zufolge gibt es in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) nur 82 Mediatoren mit Zertifikat oder mit Anerkennung. Der von Arthur Trossen in Altenkirchen angeführten und mit Jürgen Bartsch in Überlingen abgeschlossenen Liste ist zu entnehmen, dass die Großstadt Hamburg mit zehn sowie die Metropolen Berlin und Köln mit jeweils sechs Mediatoren über die „höchste“ Dichte dieser außergerichtlich tätigen Kommunikatoren verfügen. Dünn gesät sind sie in München mit zwei und Leipzig mit einem. Die Stadt Stuttgart hat gar keinen. Die Blamage dieser Statistik für das jüngsten Ergebnissen zufolge rund 81 Millionen Einwohner zählende Volk, das seine Streitlust offenbar ungebremst lieber vor Gericht auslebt, erscheint im Vergleich zu den Niederlanden um so größer. Dort wurden vor zwei Jahren 4.710 Mediatoren gezählt, die jährlich 51.700 Mediationen umgesetzt haben – und das bei einer Bevölkerungszahl von nur knapp 17 Millionen Einwohnern. Wie das Niederländische Mediationsinstitut weiter mitteilt, entfallen 43 Prozent der ohne juristische Instanzen gelösten Streitfälle auf den Bereich Familie/Ehe, 25 Prozent auf den Sektor Arbeit und 16 Prozent auf die Wirtschaft.

Nach dem vor knapp einem Jahr von Deutschen Bundestag und Bundesrat in Kraft gesetzten Mediationsgesetz, in dem die Berufsbezeichnung „zertifizierter Mediator“ festgelegt ist, dürfen sich die Streitschlichter dieser Art allerdings nicht als solche bezeichnen. Grund ist, dass die dazu erforderliche Rechtsverordnung noch nicht existiert. Der schweren Geburt des Mediationsgesetzes gingen langwierige und tiefsitzende Meinungsverschiedenheiten in diversen Gremien voraus. Vor allem fürchteten die Juristen die Bedrohung ihrer monopolartigen Kompetenz-Position und gewiss auch Pfründe. So forderte im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages der ehemalige Vorsitzende Präsident des Oberlandesgerichts Rostock, Wilfried H. Hausmanns, als Experte bei einer Anhörung vor genau zwei Jahren, dass Mediatoren nicht „frei wie Gesangslehrer“ ihre Tätigkeit ohne Zulassungsverfahren und Zertifizierung ausführen dürfen. Aus- und Weiterbildung der Eigenverantwortung zu überlassen, sei „ungeeignet“. Offenbar sind solche Vorbehalte auf die unerwünschte Konkurrenz von „Laien“ zurückzuführen, die um den Alleinvertretungsanspruch sogenannter Volljuristen und das hohe Preisniveau bangen lassen. Hausmanns selbst gehört nämlich dem Verein Mediation M-V e. V. an, der das Mediations-Geschäft in Meckenburg-Vorpommern dominiert.
Das Stunden-Honorar bei Mediationen beträgt schätzungsweise zwischen 80 und 500 Euro. Rechtsschutzversicherungen beziffern es auf 180 Euro und die Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte gibt es zwischen 150 und 350 Euro an. Ein Tageshonorar kostet den Hamburger Angaben nach zwischen 1.200 und 2.800 Euro.

Mediation ist ein Jahrtausende alte Art der Streitbeilegung, die schon von den Stammesgesellschaften in Afrika und Amerika praktiziert wurde. In den modernen USA wurden die ersten Mediationszentren von chinesischen Einwanderern gegründet. Europas Sternstunde der Mediation schlug 1648 in Münster und Osnabrück am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Hauptakteur und Geburtshelfer der Mediation war damals der venezianische Diplomat und Ritter Alvise Contarini. In über tausend Treffen – meist Einzelgespräche – vermittelte er fünf Jahre lang zwischen den diversen Kriegsparteien, um schließlich den Westfälischen Frieden zu schließen. Sein erfolgreiches Gesprächskonzept war, jedes Gemeinwesen, das souverän war oder sich für souverän hielt, gleichberechtigt zu behandeln. ++ (ju/mgn/25.05.13 – 139)

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