Archive für Beiträge mit Schlagwort: Parallelgesellschaft

Leipzig, 16. Juni 2015 (ADN). Deutschland befindet sich in einem „Wattebausch der Toleranz“. Diese Feststellung traf Alexander Nestler am Dienstagabend auf der letzten Veranstaltung unter dem Motto „dienstagstreff spezial“ in der Volkshochschule Leipzig. Eine einzige Person sei in der Lage mit maximal 50 bis 60 Menschen enge und harmonische Sozialbeziehungen aufnehmen, aber nicht mit der ganzen Welt. Den Krieg verloren zu haben, zwinge nicht dazu, für immer im Büßerhemd zu gehen. Die Deutschen hätten zudem nichts aus den sozialistischen Experimenten gelernt.

Politikwissenschaftler Dr. Udo Metzinger, der die Veranstaltung leitete,  hatte ein Trias-Modell des Staates zur Basis des Diskurses erhoben: Es war die Frage zu beantworten, ob die Gesellschaft einem Schmelztiegel, einer Salatschüssel oder einem Pizzaboden vergleichbar ist. Zur Diskussion standen als Beispiele die USA einerseits sowie Europa und Deutschland anderseits. Wie Einwanderer integriert werden und letztlich im einem Land Wurzeln schlagen oder eher in Parallelgesellschaften ihr Dasein bestreiten, entscheide de facto über die Einordnung in die drei Typ-Gruppen. Dass es diesbezüglich gravierende Unterschiede zwischen den Kontinenten Nordamerika und Europa gibt, war einer der wenigen gemeinsamen Nenner, auf den die Diskutanten kamen. Als weiterer wurde deklariert, dass die Arbeit als höchst identitätsstiftend zu bewerten ist. Aus eigener Anschauung berichtete Marina Röder, die mehrere Jahre im badischen Karlsruhe lebte und arbeitete. Ihre temporäre Integration dort sei nur gelungen, weil sie sich in die örtlichen Verhältnisse eingefügt und angepasst hat. Unter den Stichworten „Schöne Arbeit-Nette Kollegen-gute Freizeitangebote“ in Verbindung anerkannter Arbeitsleistung fasste sie den Erfolg ihrer persönlichen Integration zusammen. Das tun jedoch bestimmte Einwanderer- oder Flüchtlingsgruppen in Deutschland nicht, stellte die Mehrheit der Teilnehmer fest. Frank Dieterich nannte wesentliche Gründe der wachsenden Flüchtlingsströme: Die Industriestaaten tragen die Hauptveranwortung beispielweise für die Not in Somalia. Immer weniger finden eine Nahrungsgrundlage, weil die Westeuropäer mit modernen Fangflotten die Fischbestände der Afrikaner vor deren Küsten leerräumen. Im Übrigen betrachte er das Geld als den schwerwiegendsten Integrationsfaktor bei der der deutschen Wiedervereinigung. Diese wiederum wurde von Ralf Kohl mehrfach als ungleicher Anschluss der DDR an die BRD definiert. Im übrigen habe Deutschland keine vom Volk direkt verabschiedete Verfassung, sondern ein Grundgesetz, wandte er in schöner Regelmäßigkeit ein. Metzinger widersprach kurz und knapp ebenso oft.  Der enorme Dissens in diesem und in den fünf Vorgängerseminaren blieb und bleibt hartnäckig erhalten.

Die Seminarreihe war im Winter dieses Jahres aus der Taufe gehoben worden, um die in Dresden bereits im vergangenen Jahr aufgeflammten und in Leipzig ebenfalls einsetzenden Bürgerproteste „Pegida“ und „Legida“ in Gestalt einer sachlichen und wissenschaftlich fundierten Diskussion zu kanalisieren.  Eine wünschenwerte Fortsetzung dieses Dialogs ist nicht vorgesehen, obwohl in der Substanz die zahlreichen grundlegenden Meinungsverschiedenheiten über das Staatsgefüge der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und deren Politik nicht bereinigt werden konnten. ++ (dk/mgn/16.06.15 – 126)

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München/Rom/Reggio di Calabria, 29. Oktober 2014 (ADN). In Kalabrien sind der Mafioso und der Politiker inzwischen miteinander identisch. Das stellte der Schriftsteller Mario Fortunato am Mittwoch in der „Süddeutschen Zeitung“ in einem Namensbeitrag fest. Diese Erkenntnis sei aus den abscheulichen Schlagzeilen der vergangenen zehn Jahre zu schlussfolgern. Die Mafia könne mittlerweile auf eine institutionelle Repräsentation verzichten. Sie sei ja jetzt selber die Institution auf dem Markt, die von allen gleichermaßen anerkannt wird – sowohl dem Inhalt als auch der Form nach.

„Und so ist auch die Politik nicht mehr die alte. Sie ist darin gescheitert, Kalabrien gut zu regieren, die Region zu entwickeln, die Korruption zu bekämpfen. Sie hat nun ihren Ruf gänzlich verspielt, indem sie Städte und Regionen unmittelbar im Namen und Interesse der einzigen verbliebenen Macht, nämlich der Mafia, regiert. Nur so lassen sich die beständigen Skandale verstehen, die Italien heimsuchen,“ erläutert der selbst in der Region Kalabrien vor 56 Jahren geborene Schriftsteller. Die Mafia sei nicht mehr die andere dunkle Seite der Politik und des Geschäfts. In den zwanzig Jahren unter Berlusconi mit der Vermischung von Staatsangelegenheiten und privaten Geschäften hätten dabei eine tragende Rolle gespielt. Deshalb sei es auch kein Zufall, das die Mafia Teil des Turbokapitalismus ist, der die Region heimsucht. Die ‚Ndrangeta sei führend im weltweiten Drogengeschäft und der Hafen von Gioia Tauro wichtigster Umschlagplatz. Sie handele mit Waffen und Menschen, betreibe Müllhalden und wasche Geld. Bauwirtschaft und Gesundheitswesen seien von ihr durchdrungen. Die ‚Ndrangeta verkörpere ein großes Unternehmen mit einem Jahresumsatz von angeblich 53 Milliarden Euro. Nur so sei der Turbokapitalismus zu verstehen, der im Mezzogiorno triumphiert. Die Schattenwirtschaft der Mafia spiegele sich in einer okkulten Form dieses überdrehten Kapitalismus.

Das Vorstadium dieses erbärmlichen gesellschaftlichen Zustandes in der Gegenwart des EU-Gründungsmitgliedslandes Italien beschreibt der heute in Rom und London lebende Fortunato so: „Noch bis vor einigen Jahrzehnten stellte die Mafia in ihren Varianten von Camorra,  ‚Ndrangeta und Sacra Corona eine Form sozialer Stabilität in Italiens Süden dar. Der Zentralstaat funktionierte schlecht und auf widersprüchliche Weise, während die Mafia dem Bedürftigen Schutz und Hilfe bot. Das setzte voraus, dass der Staat – wie schwach, unaufmerksam oder feindselig auch immer – als Gegenüber gesehen wurde. So konnten die kriminellen Organisationen ein zu diesem Staat paralleles Netz von Beziehungen knüpfen, das auf soliden kapitalitischen Prinzipien beruhte. Der Mafia war es erlaubt, Profite zu erwirtschaften, solange sie als Gegenleistung für den sozialen Frieden in der Region sorgte.“ ++ (kr/mgn/29.10.14 – 301)

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Köln/Berlin, 16. Juni 2014 (ADN). Die Opfer der Krise verlieren vieles – nicht aber ihren Verstand. Sie setzen sich zunehmend zur Wehr, schreibt die Tageszeitung „neues deutschland“ am Montag weiter. In Spanien, Griechenland, Italien, Zypern und Portugal sei die Armut und die Zahl der von ihr bedrohten Menschen deutlich gewachsen. Mehr als 18 Millionen Italiener – jeder dritte – lebe an der Armutsgrenze. Am höchsten sei die Quote innerhalb der EU weiter im Osten. Die Armut bedrohe jeden zweiten Bulgaren. Das EU-Parlament beziffert die Zahl der inzwischen in Elendsvierteln Südeuropas lebenden Menschen auf 150.000 bis 200.000.  Meist folgt dem Verlust des Arbeitsplatzes der der Wohnung. Die Zahl der Zwangsräumungen wächst.  In Spanien wird ihre Zahl auf täglich 150 geschätzt. Die Organisation Plataforma de Afectados por la Hipoteca (PAH) hat dem den Kampf angesagt. Inzwischen haben nach PAH-Angaben 1.000 Menschen ein neues Heim gefunden.  

In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) wird Armut hinter einem dichten Nebelschleier versteckt. Unqualifizierte Sozialberichte der Verbände, Kirchen und anderer Organisationen erregen deshalb beim Leser der Berliner Zeitung  „Der Tagesspiegel“ Bernd Hack regelmäßig „Heiligen Zorn“. Der Kölner Politik- und Sozialwissenschaftler Prof. Christoph Butterwegge erklärt diese Verschleierungstaktik. Zahlreiche Armuts- und Reichtumsberichte vernachlässigen die Ursachen sozialer Fehlentwicklungen. Das hänge mit den anders gelagerten Interessen ihrer Auftraggeber zusammen. Regierende beabsichtigen, darin die Erfolge ihrer Politik dokumentieren lassen. Die Armut sichere zudem den Fortbestand der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Während der Reichtum als Belohnung für „Leistungsträger“ diene, gelte die Armut als gerechte Strafe für „Leistungsverweigerer“, „Faulenzer“ und „Sozialschmarotzer“.  „Wer die brisante Mischung von berechtigter Empörung, ohnmächtiger Wut und blankem Hass auf Politiker kennt, wie sie wohl nur in Versammlungen von Hartz-IV-Beziehern existiert, kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland soziale Parallelgesellschaften entstanden und die Brücken dazwischen abgebrochen sind“, so Butterwegge abschließend. ++ (so/mgn/16.06.14 – 166)

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