Archive für Beiträge mit Schlagwort: Peer Steinbrück

Berlin, 1. September 2013 (ADN). Die Glanzlosigkeit des sogenannten Fernseh-Duells der Giganten Angela Merkel und Peer Steinbrück nahm solche Ausmaße an, dass eine Nachricht aus einer der zahlreichen Nachfolgediskussionen als besonders signifikant erscheinen musste: Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Paul Breitner aus München gab in der Runde von Günther Jauch zu, die Freie Demokratische Partei (FDP) habe ihm im Jahr 1972 eine Summe von 100.000 Deutsche Mark (DM) angeboten, wenn er für sie Wahlkampf macht. Der als politisch sehr interessiert geltende Sportler ergänzt sofort, die vor mehr als vierzig Jahren unterbreitete Offerte abgelehnt zu haben. Welche Summen von Parteien heuzutage für ein solches Engagement in Aussicht gestellt werden, ist bislang unbekannt. Breitners offenherziges Geständnis dürfte für vielerlei Spekulationen Tür und Tor öffnen, wenn die Bürger nicht ohnehin fast alles für möglich halten würden.

Das eigentliche Ereignis in Berlin-Adlershof – also dem Ort, von wo früher das Staatsfernsehen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ausgestrahlt wurde – ist binnen kürzester Frist in den Hintergrund getreten. Seine Bedeutungslosigkeit wird dadurch dokumentiert, dass sich die öffentliche Diskussion blitzartig auf die schwarz-rot-goldene Halskette der Bundeskanzlerin reduzierte. Als eigentlicher „Paukenschlag“ gilt die Merkel’sche Aussage, die vom bayrischen Potentaten Seehofer urplötzlich geforderte PKW-Maut für Ausländer abzulehnen. Alle anderen im 90mitütigen Spektakel durchgewalkten Gesprächstoffe blieben ohne Höhepunkte und zäh wie Leder. Und das, obwohl vier kampferprobte Fragesteller mit den beiden vermeintlichen Hauptmatadoren der diesjährigen Bundestagswahl in einen zur Schau gestellten harten Rede-Clinch gingen.

Die scheinbare Spontaneität und Spannung der verbalen Auseinandersetzung entpuppt sich letztlich zu bestens inszeniertem Staatstheater, wenn die Hintergründe der aufgepflanzten Dramatik zu Tage treten, Das abgekartete Spiel besteht darin, dass die vier großen Fernseh-Sendegruppen alle Details der Show vorher bis in Kleinste vereinbart hatten. Gesprächsthemen, Moderationen und Personen wurden ausgehandelt und abgesprochen. Verabredet war sogar, zu welchem Zeitpunkt Kanzlerin und Herausforderer eintreffen und welcher Persönlichkeitenpulk sie begrüßen darf. So präzise plante nicht einmal seinerzeit das DDR-Fernsehen in Adlershof. Die mediale staatliche Planwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (BRD) funktioniert wesentlich tiefgründiger als die Mangelwirtschaft zu Honeckers Zeiten, als viel mehr und öfter improvisiert werden musste. Sogar die Auslese des Studio-Publikums ist heute kein Zufallsprodukt. So kann die Präsenz eines Hartz-IV-Empfängers mit Sicherheit ausgeschlossen werden, obwohl danach kein Hahn kräht – weder vor noch nach der pompösen Vorstellung des farbenprächtigen Staatszirkus. ++ (dk/mgn/01.09.13 – 239)

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Berlin, 17. April 2013 (ADN). 54 Kommunalprojekte hat das Internetportal abgeordnetenwatch.de seit seinem eigentlichen Start in den Jahren 2007/2008 auf den Weg gebracht. Darüber informierte Christian Ramm, Mitarbeiter der Internetplattform, am Mittwoch in Berlin bei einer Veranstaltung der Regionalgruppe Berlin-Brandenburg von Transparency International. Seit das anlässlich einer Hamburger Wahlrechtsreform gegründete Dialog-Forum existiert, seien insgesamt 145.000 Fragen an Mandatsträger des Bundes, der Länder und von Kommunen eingegangen. Dem stünden 117.000 Antworten gegenüber. In der Mehrzahl umfasse die jeweilige Antwort eines Abgeordneten ein bis zwei Seiten. Es habe allerdings auch schon „Ausreißer“ gegeben. Die Rekordlänge einer Antwort betrug 18 Seiten, so Ramm. Bestimmte Eigenarten und Gewohnheiten seien den Äußerungen der Parlamentarier zu entnehmen. So widme sich Christian Stroebele von Bündnis 90/Die Grünen meist am Sonntagabend zu bester Fernseh-Tatort-Zeit den Bürgeranfragen. Oder: Gregor Gysi (DIE LINKE) diktiere augenscheinlich einer Mitarbeiterin in den Stenoblock oder direkt in die Computer-Tastatur.

Auf der Plattform abgeordnetenwatch.de können Bürger den Mandatsträgern in den bundesdeutschen Parlamenten kritische Fragen jeglicher Couleur stellen. Nach einer Art Seriositäts-Test werden diese Anfragen ins Netz gestellt. Die Politiker können entsprechend antworten. Eine Verpflichtung zu reagieren besteht nicht. Allerdings erscheint Schweigen oft nicht nur als Armutszeugnis, sondern sogar als beschämende Ratlosigkeit oder auch erbärmlische Arroganz eines Volksvertreters gegenüber seinen Wählern. Die Inhalte von Frage und Antwort können von jedem im Netz eingesehen werden. Die Schwankungsbreite, in der sich Leser pro Frage-Antwort-Paar einklicken, beträgt nach Angaben von Ramm zwischen 200.000 und 2,5 Millionen. Mit abgeordetenwatch.de soll nach dem Willen der Initiatoren eine permanente Kommunikation der Bürger mit den Abgeordneten hergestellt werden. Als klassischer Nutzer von abgeordnetenwatch.de haben sich Männer, die älter als 30 Jahre sind, herausgeschält. Auch Skandalträchtiges ist inzwischen aus dieser ehrenamtlichen Tätigkeit der Organisatoren hervorgegangen. So wurde die kürzlich breite und kritische Debatte um die Nebeneinkünfte des SPD-Bundeskanzlerkandiaten Peer Steinbrück von abgeordnetenwatch.de ausgelöst. Außerdem fördert abgeordnetenwatch.de Themen zutage, die in der Öffentlichkeit sonst nicht oder kaum behandelt werden. Ein aktuelles Beispiel ist die elektrische Zigarette und ihre schädlichen Folgen für die Gesundheit.

Das Interesse an dieser Art, Demokratie zu messen und zu fördern, wächst auch im Ausland. Kleine Ableger gibt es in Luxemburg und Österreich. Irland und Tunesien sympathisieren mit dem Kommunikationssystem und wollen es einführen.++ (kr/mgn/17.04.13 – 102)

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Rom/Leipzig, 20. März 2013 (ADN). Zwei Clowns nannte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Führungsfiguren der italienischen Parlamentswahlen. Bei Silvio Berlusconi aus Mailand könnte es zutreffen, denn seine politischen, wirtschaftlichen und juristischen Eskapaden sind seit Jahrzehnten nördlich der Alpen hinlänglich bekannt. Über den Genuesen Beppe Grillo, der mit seinem Bündnis M5S der eigentliche Wahlsieger ist, weiß man so gut wie nichts. Sein Programm kennt bis zum heutigen Tag insbesondere in Deutschland kaum jemand, obwohl es an Detailreichtum und Umfang nichts zu wünschen übrig lässt. So bleibt den Deutschen das Wahlverhalten der Italiener rätselhaft und Grillos Plan ein Geheimnis. Es gibt nur wenige Ausnahmen. So zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ vor drei Wochen den Komiker mit den geradezu explosiven Sätzen gegenüber Pressevertretern: „Ihr kapiert immer noch nicht. Wir befinden uns in einem epochalen Kulturwandel der Politik. Die Bürger übernehmen den Staat, sie brauchen keine Repräsentanten. Das bisherige System ist bereits zusammengebrochen.“

Das ist blanke Demokratie und wäre – übertragen auf die Bundesrepublik Deutschland (BRD) – lupenreine Kongruenz mit dem Artikel 20 des Grundgesetzes (GG). „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, heißt es darin. Wenn das auch in deutschen Landen gemäß Grundgesetz Schule macht – und zwar angesichts der noch verbleibenden sechs Monate bis zur Bundestagswahl – würde eine Flutwelle den starren bundesdeutschen Parteien- und Machtapparat hinwegschwemmen. Deswegen muss das politische Programm von Beppe Grillo auf deutschem Terrain „Geheime Verschluss-Sache“ bleiben.

Teil dieses italienischen Plans ist es übrigens, das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) einzuführen. In Deutschland, wo die Schere zwischen Arm und Reich – wie andernorts in Europa – immer weiter auseinandergeht, wäre das für die politischen und wirtschaftlichen Führungsschichten eine soziale Kriegserklärung und enormer Sprengstoff. Es ist mit der Abschaffung des menschenunwürdigen Hartz-IV-Systems und der anderen diskriminierenden Arbeitsvertragsverhältnisse gleichzusetzen. Dergleichen Regeln gibt es nämlich auch in Italien. Dort heißen diese Gesetze „Legge Biagi“. Dahinter stehen übersetzt die Stichworte Teilzeitarbeit, Projektarbeit, Arbeit auf Abruf und befristete Arbeitsverträge. Das versteht auch jeder Deutsche ohne Fremdsprachen-Kenntnisse. Deswegen darf der Grillo-Plan nicht aus dem Panzerschrank genommen werden. Das tut der deutsche Michel – gehorsam, unterwürfig und vorsichtig, wie er eben ist – auch nicht, egal, ob er zu einer Partei, einer Gewerkschaft, einer Unternehmerorganisation oder einem der Pressefreiheit unterworfenen Medienverlag gehört. ++ (so/mgn/20.03.13 – 074)

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