Archive für Beiträge mit Schlagwort: Produktivität

Köln, 1. Mai 2014 (ADN).  Das Nachdenken über unser „täglich Brot“ hat die Esstische und die Kinder der Mittelschicht erreicht. Aber die Politik verzagt vor der Aufghabe einer wirklichen Ernährungs- und Agrarwende. Das stellte der Publizist Mathias Greffrath am Donnerstag an den Anfang eines Essays im Deutschlandfunk. Es entstehe eine neue soziale Bewegung, die zwar vielfältig und differenziert ist, jedoch in den nächsten Jahren Dynamik entwickelt und  damit die Regierenden überraschen dürfte. Sier werde es leichter haben als die gegen die Energiekonzerne, weil die Gegner „hässlicher“ sind: Massentierhalter, Landgrabber, Spekulanten,  Lebensmittelfälscher, Bodenvergifter. Es gehe um sehr viel – nämlich um Geschmack und Gerechtigkeit, um Landwirtschaft und Landschaft, um Fleisch und um Frieden.  

Die agrikulturelle Aufklärung dringe in die Alltagsgespräche ein. Sie beginne mit der Empörung sensibler Teenager, die das Frikassee der Eltern verweigern, nachdem sie die Bilder von Putenställen gesehen haben, deren Enge das Verbandsgerede von Tierwohl und Selbstverpflichtung Lügen straft  und gehe über das Schreddern von Eintagsküken , die das falsche Geschlecht haben. Am Ende schockieren neben den Bildern die Zahlen: die Hälfte der Welteierproduktion  und zwei Drittel der Masthähnchen werden großindustriell erzeugt. Hochgezüchtete Hähnchen werden in 40 statt wie vor 50 Jahren in 100 Tagen schlachtreif . Schweine liefern doppelt so viel Fleisch pro Tonne Futter.  Folge der genetischen Produktivitätssteigerung sei ein mehrfacher Verdrängungswettbewerb. Die Landwirte werden dabei total abhängig, weil sie Hybridgeflügel  nicht weiterzüchten können und sie von Saatgutmonopolen gezwungen werden, jede neue Generation neu zu kaufen. ++ (lw/mgn/01.05.14 – 120)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn)

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Bühl, 24. Dezember 2013 (ADN). Der Weihnachtsbaum verschafft nicht nur den Menschen, sondern auch der Natur und dem Klima eine Atempause. Darauf lassen Informationen schließen, die der noch junge und kleine Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger (BWS) mit seinen zehn Landesverbänden zum wichtigsten Fest der Christenheit verbreitet. So werden beispielsweise Berechnungen von Forstexperten zufolge pro Hektar Weihnachtsbaumplantage bis zu 145 Tonnen Kohlendioxid gespeichert und gebunden. Zudem wird dieser Bereich der Waldwirtschaft offenbar noch nicht von dem Bestreben nach höchster Produktivität und Effizienz beherrscht. Es dominiert Handarbeit beim Anbau der Christbäume. Der Arbeitsaufwand beträgt pro Hektar und Jahr 80 Stunden. Ein Bäumchen, dass nach vierjährigem Aufenthalt in der Baumschule „auf’s freie Feld“ verpflanzt wird, braucht dann noch neun bis zehn Jahre, um dann als Zwei-Meter-Recke geerntet zu werden. Das Saatgut für die besonders begehrten Nordmann-Tannen beziehen die deutschen Baumpflanzer vorwiegend aus Georgien, weil dies ein besonders schönes Wuchsbild begünstigt.

Auch die anderen statistischen Daten der Weihnachtsbaum-Ökonomie entziehen sich der allgemein verbreiteten Wirtschaftswachstums-Wut. So stagniert dieser Sektor seit Jahren. Pro Jahr werden 23 bis 25 Millionen Weihnachtsbäume in Deutschland verkauft. Der Umsatz bewegt sich um die 450 Millionen Euro bei einer Schwankungsbreite zwischen 300.000 und 500.000 Euro. Vom gesamten Weihnachtsgeschäft, das der BWS auf etwa 17 Milliarden Euro schätzt, entfallen auf den Weihnachtsbaum-Markt lediglich vier Prozent. Rund 80 Prozent der „Tannenbäume“ kommen aus dem Inland. Importe stammen aus Dänemark, Polen und Irland.

Um die positiven Nachrichten und Entwicklungen rund um das im Jahre 1510 im baltischen Riga ersterwähnte, zentrale Sysmbol des Weihnachtsfestes noch aufzustocken, wurde kürzlich erstmals eine Weihnachtsbaum-Königin gewählt. Sie heißt Katharina Püsing, stammt aus dem Münsterland und ist in einem Forstbetrieb zwischen jungen Fichten und Kiefern aufgewachsen. Acht Kandidatinnen hatten sich für das zwei Jahre dauernde Amt beworben. Eigentlich ist die Agrarstudentin Püsing die zweite Weihnachtsbaumkönigin. Ihre Amtsvorgängerin Stephanie Kesting aus dem Sauerland war die erste, wurde mangels personeller Alternativen 2011 jedoch per Dekret ernannt. Neben brauchbaren Ratschlägen rund um Weihnachtsbäume soll die neue Regentin die Botschaft echter Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit verbreiten – inzwischen ein äußerst vermintes publizistisches Gelände. ++ (nh/mgn/24.12.13 353)

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Berlin, 6. November 2012 (ADN). Wir brauchen eine wirklich vernünftige Erhöhung der Altersgrundsicherung von jetzt 374 Euro auf 420 Euro, erklärte am Dienstag im Deutschlandfunk der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Das seien mehr als zehn Euro, die jetzt vereinbart worden sind. Dieser Satz liege lediglich knapp über Harzt IV und diese Geldmenge reiche nicht für ein auskömmliches Leben aus. Das wissen alle. Damit sei Altersarmut nicht zu verhindern.

Zudem dürfe es nicht zugelassen werden, dass das Rentenniveau einfach auf 42 Prozent sinkt. Es müsse auf 50 Prozent festgeschrieben werden. „Anders werden wir diese Lawine altersarmer Menschen, die da auf uns zurollt aus dem Niedriglohnsektor, kaum aufhalten können“, erklärte der Verbandschef.

Nach seinen Worten besteht der Fehler des gegenwärtigen Rentensystems in der Vermutung, dass die Finanzierung von Renten noch unter Produktionsbedingungen wie zu Zeiten Bismarcks funktionieren könne. Auf dem Arbeitsmarkt würden heute Gewinne aufgrund der Produktivitätsfortschritte und des Dienstleistungswandels ganz anders erzielt. Um dies zu verdeutlichen, verglich Schneider ein Notariat mit einem Waschsalon. Ersteres mache möglicherweise mit weniger, in die Rentenkasse einzahlenden Arbeitskräften dennoch Millionen-Umsätze.

Nach Meinung des Hauptgeschäftsführers ist von der lohnbezogenen Rente abzulassen und zu einem System, dem sämtliche Einkommen und Gewinne zugrundegelegt werden, überzugehen. Das entspreche dem Schweizer Modell.

Schneider äußerte die Hoffnung, dass sich so mehr Gerechtigkeit einstellt. Um der Altersarmut zu entgehen, müssten also letztlich alle – auch Beamte und Selbständige – herangezogen werden. Das verkörpere eine sehr radikale Reform. Radikale Ideen seien jedoch nötig. Derzeit laufe es nach dem Motto: wir retten das Rentensystem, aber der Rentner bekommt am Ende nichts mehr heraus. Auch mit privater Vorsorge könne dem nicht begegnet werden. ++ (so/mgn/06.11.12 – 216)

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Leipzig, 12. Oktober 2011 (ADN).  Die deutsche Politik und die deutschen Gewerkschaften haben noch immer nicht begriffen, dass sie durch Lohnsenkungen das Ausland niedermachen. Im Gegenteil. Der IG-Metall Chef Berthold Huber hat die Wirtschaftspolitik auf seiner jüngsten Rede vor den Delegierten des IG-Metall-Kongresses noch als erfolgreich bezeichnet und über den grünen Klee gelobt. Das erklärte der Chefvolkswirt der Welthandelsorganisation UNCTAD, Prof. Heiner Flassbeck, am Mittwochabend in Leipzig auf einer Veranstaltung unter dem Titel „Der letzte Akt des Euro?“. Deutschland lebe seit Jahren unter seinen Verhältnissen und habe mit seiner hohen Produktivität Griechenland regelrecht fertiggemacht. Es unterbiete damit nicht nur die südeuropäischen Staaten, sondern sogar Frankreich. Die Deutschen seien tüchtig gewesen im Gürtel-enger-Schnallen und hätten so die Prinzipien der Europäischen Währungsunion (EWU) unterminiert. Mit Griechenland habe es seinen eigenen Kunden zugrunde gerichtet. Die Situation ähnele der vor 20 Jahren, als Geld aus West- nach Ostdeutschland transferiert wurde, damit die ehemaligen DDR-Bürger nicht die eigenen Erzeugnisse kaufen, sondern die „Siegerprodukte“ aus dem Westen. So stehe heute nunmehr nicht nur der Euro kurz vor seiner Zerstörung, sondern ganz Europa. „Wir erzeugen politische Krisen und ziehen uns in die nationalen Schneckenhäuser zurück“, so Flassbeck. Sogar der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, ziehe durch das Land und denke laut darüber nach, eine neue rechte Partei zu gründen. Deutschland befinde sich in einer Lage wie zur Zeit der größten Depression 1929 bis 1933 unter Heinrich Brüning. Er habe schon vor 80 Jahren das Falsche gemacht, was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute wiederholt. Die deutschen Politiker wollen nach den Worten von Flassbeck einfach nichts begreifen. Wenn man von Griechenland etwas Unmögliches verlangt, dann werde etwas explodieren. Auch Krieg liege dann im Bereich des Möglichen.

Eine Problemlösung sieht Flassbeck in der Erhöhung der deutschen Nominallöhne. Sie müssten stärker steigen als im Rest der Europäischen Währungsunion. Er bezifferte den jährlichen Lohnzuwachs auf nominal 4,5 Prozent. Real wären das 2, 5 Prozent. Diese Steigerung müsste bis zum Jahr 2022 durchgehalten werden. Auch unter diesen Umständen würden die deutschen Unternehmen immer noch Marktanteile im Ausland gewinnen. Aber das begreifen weder Deutschlands Politiker noch die deutschen Medien, erklärte der Ökonom. Erstaunlicherweise habe das eine große Kommunistische Partei verstanden: die in China.

Beispielgebend für Griechenlands Rettung ist nach Ansicht Flassbecks Argentinien. Der seinerzeit fest an den US-Dollar gekoppelte Pesos wurde gelöst und um 65 Prozent abgewertet. Das ließ Argentinien und seine Wirtschaft aufatmen. Griechenland und die anderen südeuropäischen Länder müssten sich dem Diktat Deutschlands entziehen.

Flassbeck, der seitnerzeit unter Finanzminister Lafontaine Staatssekretär war und seit acht Jahren bei der UNCTAD arbeitet, unterstrich die von der deutschen Politik völlig unterbelichtete Bedeutung des Binnenmarktes. ++ (wi/mgn/12.10.11-4)