Archive für Beiträge mit Schlagwort: Psychiatrie

Berlin, 5. März 2015 (ADN). „Die deutsche Justiz muss selbstständig, sie muss endlich unabhängig werden.“ Diesen Notruf setzt Christian Bommarius am Donnerstag in der „Berliner Zeitung“ ab. Seinen Hilfeschrei begründet und erläutert er ausführlich. Zunächst stellt er die Vertrauensfrage. Einer Umfrage vom Herbst vergangenen Jahres vertrauen der Justiz 30 Prozent der Befragten „eher nicht“.  Diesen Vertrauensverlust habe die Justiz sogar selbst zu verantworten. Spektakuläre Fehlurteile wie die im Falle von Gustl Mollath, der wegen eines Kettenversagens von Gutachtern und Gerichten für Jahre in der geschlossenenen Psychiatrie verschwand, krönen die berechtigte Negativeinschätzung. Das erschütternde Verwechseln von Judikative und Exekutive – wie dies jüngst Gerichtspräsidenten in Schleswig-Holstein unter Beweis stellten – verstärken das offene Misstrauen. Bezogen auf das dort Geschehene stellt der Autor fest: „Richter haben Recht zu sprechen und keine Solidaritätsadressen an Vertreter der Exekutive zu schicken. Das Agieren der Richter verrät wenig Verständnis für den Sinn der Gewaltenteilung und den Wert richterlicher Unabhängigkeit.“ Das grundsätzliche Problem bestehe darin, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften in Deutschland nicht Herren ihrer selbst sind. In den Organigrammen der Ministerien und in den Haushaltsplänen tauchten die Gerichte als nachgeordnete Behörden auf. „Über die Einstellung von Proberichtern entscheiden nicht die Gerichte, sondern Ministerialbeamte, auch die Auswahl der Vorsitzenden Richter und der Gerichtspräsidenten treffen nicht die, die sie angeht,sondern die, die im Zweifel  unsachliche, häufig parteipolitische Interessen verfolgen, nämlich die Justizminister.“ Das widerspreche sowohl dem Gebot der Gewaltenteilung als auch dem Gebot der richterlichen Unabhängigkeit.“  Was die Staatsanwälte betreffe, so gehörten sie in Deutschland – anders als in vielen europäischen Ländern – ohnehin nicht zur Judikative, sondern zur Exekutive. Sie sind also den Weisungen der Justizminister unterworfen. ++ (ju/mgn/05.03.15 – 56)

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München/Regensburg, 29. Juli 2014 (ADN). Zwischen dem jahrelang zu Unrecht in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik festgehaltenen Gustl Mollath aus Franken und seinem vom Landgericht Regensburg zugeordneten Pflichtverteidiger Gerhard Strate ist ein offener Konflikt ausgebrochen. Darüber berichtete das ARD-Magazin „report München“ am Dienstagabend. Mollath, der im Jahr 2003 auf Betreiben seiner in dubiose Schwarzgeldgeschäfte bei der Hypovereinsbank verwickelte Ehefrau wegen angeblicher an ihr begangener Straftaten angezeigt,  inhaftiert und per Gerichtsentscheidung zwangspsychiatrisiert worden war, hat in dem nunmehr in Gang gekommenen Wiederaufnahmeverfahren seinen Anwalt entlassen und will sich offensichtlich selbst verteidigen. Auch Strate ist bestrebt, das augenscheinlich unbequeme Verfahren loszuwerden. „report München“ stellt fest: „Sein Anwalt musste vom Gericht gezwungen werden, ihn weiter zu verteidigen. Schon zum zweiten Mal. Der Riss geht tiefer.“ Mollath hatte beispielsweise ohne Kenntnis und Einverständnis Strates einen eigenen Antrag vor Gericht gestellt.

Justizopfer Gustl Mollath, dem von der Justiz ursprünglich Wahnvorstellungen vorgeworfen wurden und der als gemeingefährlich bezeichnet wurde, will die wirklichen Hintergründe seiner Haft und gesellschaftlichen Isolierung aufdecken und  generell eine Art Systemfrage lösen. Das scheint nicht im Interesse von Gerhard Strate zu liegen. Gleiches gilt für das Landgericht Regensburg, das durch einen möglichst kurzen Prozess in Verbindung mit einem Freispruch des unübersehbar zu Unrecht Inhaftierten die mehr als peinlichen juristischen Pannen zu übertünchen oder auszuklammern versucht. Der Fernsehbericht zitiert Mollath mit dem Satz „Ich bleibe auf der Strecke und die Wahrheit allemal“.  Strafrechtler Prof. Henning Ernst Müller von der Universität Regensburg, der den Prozess beobachtet, springt den Justizbehörden zur Seite. Er sagte: „Es geht nicht darum, in einem Strafverfahren zu klären, wer anders hat Schuld daran, dass Herr Mollath untergebracht wurde.“ ++ (jz/mgn/29.07.07.14 – 209)

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Duisburg, 22. Juli 2014 (ADN). Noch immer sterben Opfer der Loveparade des Jahres 2010 in Duisburg. Das bestätigte der Gründer der Betroffenen-Initiative LoPa 2010, Jörn Teich,  in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), das am Dienstag veröffentlicht wurde. Er selbst kenne fünf Personen, die sich das Leben genommen haben, weil sie das Unglück mit seinen ursprünglich 21 Todesopfern nicht verkraften konnten. Zu den in der Nachfolgezeit Gestorbenen gehöre eine junge Frau, auf deren Beerdigung er kürzlich war. Sie habe nach der Loveparade eine Persönlichkeitsstörung entwickelt und landete schließlich mehrmals in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen. Sie hatte sich immer wieder selbst verletzt, irgendwann bis zum Tod. „Die Dunkelziffer ist aber viel höher. Das wird ja nirgends erfasst. Wer ein Loveparade-Opfer ist, weiß niemand“, so der 40jährige. Diese Situation sei eine erneute Katastrophe. Es gebe keine Infrastruktur und keine Gelder, um Hilfe zu leisten und aufzuklären. Nicht einmal die Krankenkassen müssten Therapien bezahlen, wenn dem Leid eine Straftat zugrunde liegt. Eigentlich müsse der Verursacher zur Verantwortung gezogen werden, aber der sei bis heute nicht gefunden. Als zuständige Behörde für Hilfeleistung sieht Teich das Land Nordrhein-Westfalen,, weil es einen solchen Irrsinn zugelassen und einen so schlechten Polizeieinsatz beigesteuert hat. Das Land müsse deshalb Geld locker machen. Auch der Veranstalter, der eine millionenschwere Fitnesskette hat, stehe in der Verantwortung. Es könne nicht sein, dass man die Menschen weiter sterben lässt.

Teich schilderte seine eigenen Befindlichkeiten, die den Alltag komplett verändert haben. „Ich wurde schlaflos, aggressiv, ängstlich. Wenn ich mit mehr als fünf Menschen irgendwo stehe, bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen, Feste meide ich jetzt. Früher hatte ich eine große Clique, heute bin ich am liebsten allein. Und ich habe eine Phobie gegen Polizisten entwickelt, weil die uns damals nicht geholfen haben. Wenn ich einen Mann in Uniform sehe, fange ich an zu schlottern. Polizisten denken bei Verkehrskontrollen, sie hätten einen Junkie vor sich – so bin ich einige Male auf der Wache gelandet. Horror.“  ++ (gs/mgn/22.07.14 – 202)

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Nürnberg, 27. April 2013 (ADN). Bayerns Justiz und andere Behörden machen derzeit in vielerlei Hinsicht Schlagzeilen. Dafür steht der Streit um die Presseplätze beim NSU-Prozess ebenso wie die mehr als anrüchigen Beschäftigunsverhältnisse von Verwandten diverser Abgeordneter des Landesparlaments. Dass es noch skandalöser geht im sogenannten Rechtsstaat, beweist die bayrische Justiz seit mehr als sieben Jahren im Fall eine Ingenieurs aus Franken. So lange sitzt der betroffene Gustl Mollath auf richterliche Anweisung in Psychohaft. Mit den Einzelheiten der haarsträubenden Geschichte beweist der Rechtsapparat in Süddeutschland, wie tief er selbst in den Sumpf illegaler und krimineller Machenschaften hineingezogen worden ist. Mit schlüssigen Zusammenhängen und schlagenden Argumenten hatte dieser Mann an einem konkreten Beispiel belegt, dass die Hypo-Vereinbank Nürnberg, maßgebliche Juristen und andere Mitwirkende eines mysteriösen Schwarzgeld-Konto-Netzwerks um jeden Preis Steuerhinterziehung verschleiert und dabei glaubwürdige Zeugen als Täter diffamierten. Da sich Gustl Mollath nicht einschüchtern und mundtot machen ließ, landete er schließlich in der Psychohaft des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Allein der Verlauf dieses Justizdramas, in das Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft maßgeblich verwickelt sind, liest sich wie ein prwisgekrönter Kriminalroman. Die Juristen gingen nicht nur leichtfertigt, sondern strafrelevant mit verschiedenen Gutachten über Mollaths Gesundheitszustand um. Wegen seiner wahrheitsgetreuen Aussagen und Belege wurde er per Gericht für „verrückt“ erklärt und hinter die Gitter einer Psychiatrie gesteckt.

Nun ist ein engagierter Hamburger Rechtsanwalt dabei, Licht in das künstlich geschaffene Dunkel zu bringen. Mollaths Rehabilitierung rückt in greifbare Nähe. Der Dauerskandal wird absichtsvoll von anderen gesellschaftlichen Ungereimtheiten wie die Höneß-Steuerangelegenheit medial überblendet, um die Furcht erregende Eindeutigkeit dieses Geschehens in den Hintergrund zu drängen. Dennoch hat die ebenfalls in den aktuellen Nepotismus des bayrischen Parlaments verwickelte Justizmisterin Beate Merk auf einem Schleudersitz Platz genommen. Ein Rundfunksender zitiert dazu einen Kenner der Materie mit folgenden Sätzen: „Aus diesem ganzen Bericht und dem Konglomerat des Wissens, was Mollath vorgebracht hat, sind 19 Ermittlungsverfahren generiert worden. Einige Selbstanzeigen sind generiert worden von Leuten, die nur gehört haben, dass also hier in Sachen Mollath das Ganze wieder aufgerollt wird. Die da Angst bekommen haben. Und da muss man sagen: Da steckt noch einiges dahinter. Von daher hätte die Ministerin im Ausschuss letztes Jahr auch deutlich sagen können, dass hier Ermittlungsansätze da sind. Da fragt man sich schon, warum sie das nicht getan hat.“ ++ (kr/mgn/27.04.13 – 112)

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Berlin/Genf, 11. November 2012 (ADN).  Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (BRK) stellt keine ausreichende Umsetzung der von den Vereinten Nationen gesetzten Ziele und Ansprüche dar.  Das ist eine von zahlreichen essenziellen Feststellungen des 16seitigen Kurzberichts, der von dem deutschen Bündnis „BRK-Allianz“ verfasst und in diesem Monat fristgerecht dem Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf zugeleitet wurde.  Der Aktionsplan enttäusche nicht nur inhaltlich, sondern auch unter zahlreichen weiteren Aspekten. Er liste zwar mehr als 200 Maßnahmen auf. Diese seien jedoch wenig ambitioniert, berücksichtigten teilweise nicht die spezifischen Belange von Menschen mit Behinderung oder seien nicht explizit mit Blick auf die Konvention entwickelt worden. Beispielhaft werden dazu in dem Rapport der altersgerechte Umbau von Wohnungen und Bauwerken, das Patientenrechtegesetz sowie die Modellvorhaben zur Zusammenarbeit landwirtschaftlicher Betriebe mit Werkstätten im Zeitraum 2008 bis 2011 genannt. Nicht zuletzt fehle es an verbindlichen, überprüfbaren Zielen, die mit dem Aktionsplan erreicht werden sollen.  So zeuge es von wenig Entschlossenheit, wenn die Bundesregierung – trotz erheblich steigender Arbeitslosigkeit – die Arbeitgeber nur „sensibilisieren“ möchte und deren Bereitschaft für das Thema Ausbildung und Beschäftigung behinderter Menschen lediglich „gefördert werden soll“.

„Wir haben uns in unserem Bericht nur auf einige ausgewählte Aspekte der Umsetzung konzentrieren können, da wir eine exakte Umfangsvorgabe vom Menschenrechtsrat hatten“, erklärten die Sprecher der BRK-Allianz Dr. Sigrid Arnade und Dr. Detlef  Eckert. Der Bogen der Kritik reiche vom Fehlen angemessener Vorkehrungen und mangelnder Barrierefreiheit  über Betreungsrecht, Gewalt, Zwangsbehandlungen, Assistenz, Inklusion in der Schule und auf  dem Arbeitsmarkt bis hin zum Ausschluss vom Wahlrecht.  Sogar fehlerhafte sprachliche Übersetzungen wichtiger Völkerrechtstexte zählen zu den registrierten Mängeln.

Die BRK-Allianz, in der 78 Verbände der deutschen Zivilgesellschaft zusammengeschlossen sind, fordert die Bundesregierung unter anderem auf, umgehend konkret gesetzgeberisch tätig zu werden, um die UN-Behindertenrechtskonvention in nationales Recht umzusetzen und Sanktionen für dessen Nichteinhaltung festzulegen.

Das Bündnis ist zu Beginn dieses Jahres insbesondere zu dem Zweck gegründet worden, die sogenannte Staatenberichtsprüfung für Deutschland zur UN-BRK zu begleiten und einen Parallelbericht zu verfassen. Das Spektrum der Mitgliedsorganisationen umfasst Selbstvertretungsverbände behinderter Menschen, der Behindertenselbsthilfe und der Sozialverbände. Weiterhin sind Wohlfahrtsverbände, die Fachverbände der Behindertenhilfe und der Psychatrie vertreten.  Außerdem arbeiten Berufs- und Fachverbände aus dem Bereich der allgemeinen Schule, Elternverbände und Gewerkschaften mit.

Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragspartei des UN-Menschenrechtsübereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und eines dazu gehörigen Fakultativprotokolls.  Sie wurden 2007 unterzeichnet, 2008 ratifiziert und am 26. März 2009 in Kraft gesetzt. Darauf wird eingangs des Berichts hingewiesen. Der Nationale Aktionsplan wurde von der Bundesregierung im Juni 2011 verabschiedet. Der erste Staatenbericht wurde im August 2011 publiziert und dem zuständigen Ausschuss zugeleitet.  ++ (mr/mgn/11.11.12 – 221)

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