Archive für Beiträge mit Schlagwort: Rechtsstaat

Bonn, 8. Februar 2015 (ADN). Menschen dürfen nicht den Arbeitsplätzen hinterherwandern müssen wie die Zugvögel. Sie haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz in ihrer Heimatregion. Das erklärte der ehemalige Bundesarbeits- und Sozialminister Norbert Blüm am Sonntag im Interview mit dem Fernsehsender „Phoenix“. Ein Dasein als Tagelöhner und in Fernbeziehungen bestehende familiäre Bande seien die erschreckenden Phänomene der heutigen Arbeits- und Sozialwelt. Das zerstöre Ehe und Familie, die die letzte antikapitalistische Bastion verkörpere, als einzig verbliebene Insel von Individualität und Intimität. „Wir steigen aus der Ehe aus wie aus der Straßenbahn“, illustriert Blüm die erschütternden Verhältnisse. Permanent werde suggeriert, dass das ganze menschliche Glück in der Erwerbstätigkeit und in der Karriere besteht. Das sei nicht nur borniert, sondern verwerflich. Der allerorten proklamierte Trend, Mutter und Vater vom Staat zu ersetzen, sei verhängnisvoll. „Eltern zu Trotteln zu erklären und die Kinder so früh wie möglich den ‚Erziehungsexperten‘ zu übergeben, ist falsch“, so der langjährige CDU-Sozialpolitiker.

Ausgangspunkt des Gesprächs war Blüms neues Buch unter dem Titel „Einspruch ! – Wider die Willkür an deutschen Gerichten“. Darin geißelt er die verhehrenden Zustände in der bundesdeutschen Justiz. In einer Passage seiner ernüchternden und bitteren Abrechnung mit der Rechtspraxis ist zu lesen: „Meine Zweifel an der dritten Gewalt sind im Laufe meiner Recherchen gewachsen. Die dritte Gewalt schickt sich an, Staat im Staate zu werden. Die Jurisdiktion scheint niemandem rechenschaftspflichtig zu sein außer sich selbst, und so schmort sie im eigenen Saft vor sich hin. Ich bezweifle nicht die unverzichtbare Funktion der Unabhängigkeit der dritten Gewalt. Aber ich beklage ihre Selbstgefälligkeit, mit der sie jedwede Kritik als Angriff auf ihre Unabhängigkleit abschmettert. Richter und Rechtsanwälte sind die letzten Berufe, die für sich eine Art Berührungstabu beanspruchen. Sie sind wie Brahmanen, die in einem westlichen Exil ihr Kastensystem aufrichten und damit den demokratischen Rechtsstaat unterwandern.“ ++ (so/mgn/08.02.15 – 38)

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Fürstenwalde, 10. September 2014 (ADN). Das unter schweren Opfern erkämpfte Selbstbestimmungsrecht der ehemaligen DDR-Bürger wurde von westlichen Kapital- und Machtinteressen in kürzester Zeit an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Das vor genau 25 Jahren im brandenburgischen Grünheide bei Fürstenwalde gegründete zivile Bündnis „Neues Forum“, das sich binnen weniger Wochen zur stärksten Bürgerrechtsbewegung entwickelte, wurde in fast ebenso rasantem Tempo wieder marginalisiert. Einer der Protagonisten der neuen Organisation, deren Anerkennung von den DDR-Behörden in Gestalt des Innenministeriums zunächst verweigert wurde, war der Physiker und Kernkraftgegner  Sebastian Pflugbeil. Er formuliert es im Deutschlandradio Kultur so: „Die Basis, die wir damals hatten, in der Bevölkerung, die war von der einen Minute auf die andere weg..“ Im Februar 1990 schlossen sich „Neues Forum“ und andere Bürgerbewegungen zur Wahlvereinigung „Bündnis 90“ zusammen, um an der DDR-Volkskammerwahl am 18. März 1990 teilzunehmen. Sie kamen nur auf zwei Prozent. Der zivile Ungehorsam und das Programm der Bürgerrechtler sowie weiterer Dissidentengruppen war binnen kürzester Zeit von einer kaum zu beschreibenden Proapanda-, Macht- und Geldwalze der herkömmlichen Parteien – an der Spitze  die Christlich Demokratische Union (CDU) – überrollt und zerquescht. Wahlplakate mit einem montrösen Porträt von Helmut Kohl wurden allerorten aufgestellt, geklebt und angehängt. Sogar auf den Gebäudetrümmern eines wenige Monate zuvor von einer Bergbau-Katastrophe heimgesuchten Ortes in der südthüringischen Rhön wurden ohne jede Pietät Aufsteller mit dem überlebensgroßen Abbild des „Eroberers“ aus Oggersheim installiert. 

Nach den Worten von Pflugbeil haben die Oppositionellen um 1989/90 für einen Rechtsstaat gekämpft. „Die andere Frage ist, ob wir jetzt einen haben.“ Es gebe gegenwärtig harte Probleme, die beinahe für gravierender zu halten sind, als das, was die Ostdeutschen vor 25 Jahren geplagt hat. Als Beispiel nannte er die Enthüllungen um geheimdienstliche Überwachungen in Europa. Die Bürgerrechtler setzten sich in der DDR dafür ein, Überwachung mit Abhörgeräten, Videokameras und Postkontrollen durch den Staatssicherheitsdienst abzuschaffen. Was in den vergangenen Monaten zu erfahren gewesen sei, „da sind wir durchaus nicht besser dran jetzt.“ Auch die Bürgerbeteiligung heute hält er für bedenklich: „Wir wollten Dialog mit den Mächtigen, den haben wir jetzt auch nicht.“  ++ (dk/mgn/10.09.14 – 253)

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Erfurt, 3. September 2014 (ADN). Wr haben drei Landtagswahlprogramme, die sind zu 80 Prozent deckungsgleich. Das ist die Ausgangssituation, die die drei Parteien – Linke, SPD und Grüne – selbstbestimmt geschaffen haben. Bei den 20 Prozent Differenzen kann ich nichts erkennen, was eine Koalition verhindern könnte. Das erklärte der Spitzenkandidat der Linkspartei, Bodo Ramelow, am Mittwoch in einem Interview mit der Tageszeitung „neues deutschland“ mit Blick auf die in zehn Tagen stattfindende Landtagswahl in Thüringen. Seine Partei arbeite mit Grünen und SPD seit 15 Jahren bei „Mehr Demokratie e.V.“ zusammen und kenne das Maß an Übereinstimmung. Ungewollt gibt der aus Hessen stammende ehemalige Gewerkschaftsfunktionär Kaiser Wilhelm II Recht, der seinerzeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg  Reichstag und Volk wissen ließ: ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche. Die vieldeutige Parallele lässt Manches befürchten. Zumindest gibt Ramelow, der als potenziell erster  Minsterpräsident der Partei „Die Linke“ gehandelt wird, zu, dass es ohnehin gleichgültig ist, wen die Thüringer am übernächsten Sonntag wählen. Realisten würden gehässig aber nicht unberechtigt sagen, so oder so, es wird sich nichts ändern. „Unsere Versprechung ist nicht, die Dinge grundsätzlich zu ändern,“ bestätigt Ramelow und lässt damit darauf schließen, dass nicht einmal unter einer von seiner Partei geführten Landesregierung ein substantieller Wandel zu erwarten wäre. Das ist eine Steilvorlage für die längst stärkste „Partei“ der Nichtwähler, die keinen Sinn mehr darin sehen, überhaupt zu einer Wahl unter solchen Bedingungen zu gehen.

Ramelow lässt angesichts dieser Ankündigungen zugleich das sehr fragwürdig erscheinen, was er als Ex-Gewerkschaftsfunktionär  zur Problemlage der Arbeitnehmer äußert: “ Die Firmen, für die ich mal als Gewerkschafter zuständig war, beschäftigen heute zu einem Drittel Leiharbeitnehmer. Das alles ist mit der Schröderschen Agendapolitik ermöglicht worden. Der Fördermittelbescheid für Zalando hat Rechtsgültigkeit.“ Ein Drittel der Beschäftigten von Amazon im hessischen Bad Hersfeld sind Thüringer. Und ein Betrieb wie Amazon blute den Rechtsstaat aus.  Ramelows Bereitschaft, gegen solche Zustände selbst mit zu streiken, kratzt ein wenig am System, bringt es jedoch nicht einmal ins Wanken .  ++ (pl/mgn/04.09.14 – 246)

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Berlin, 24. Juni 2014 (ADN). „Mit dieser Rede verabschieden Sie sich aus dem Konsens von 1989 und empfehlen der Bundesrepublik als Bundespräsident eine andere Politik als die damals von uns geforderte“. Diesen schwerwiegenden Vorwurf formulieren die Berliner Pfarrer Klaus Galley und Siegfried Menthel in einem unter ostdeutschen Theologen zirkulierenden Brief an Bundespräsident Joachim Gauck unter Bezug auf dessen Ansprache während der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar dieses Jahres. Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ vom Dienstag sind in dem Schreiben sogar noch Äußerungen Gaucks in einem Rundfunk-Interview vor wenigen Tagen unberücksichtigt geblieben. Darin erklärte das bundesrepublikanische Oberhaupt: „Heute ist Deutschland eine solide und verlässliche Demokratie und ein Rechtsstaat. Es steht an der Seite der Unterdrückten. Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“ Die „Berliner Zeitung“ zitiert Gaucks ehemaligen Rostocker Weggefährten und Pfarrer Heiko Lietz, dass Gauck nicht zu den Bürgerrechtlern gehörte, „die sich gerade gemacht haben und bereit waren, dafür Repressionen in Kauf zu nehmen.“

Der Evangelische Pressdienst (epd) weist auf einen besonders prägnanten Passus des Briefes an den Bundespräsidenten hin, in dem die Eignung militärischer Mittel zur Lösung bestehender Konflikte angesichts des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan stark bezweifelt wird. „Dessen vielen sinnlosen Opfern sind wir es schuldig, nicht die militärischen Kapazitäten unseres Landes zu verstärken, sondern den Zivilen Friedensdienst zum deutschen Exportschlager zu machen“, heißt es dort. ++ (th/mgn/24.06.14 – 174)

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Berlin, 10. Mai 2014 (ADN). Nur eine wirklich globale Ordnung kann dazu führen, dass das Gravitationsgesetz der 0,123 Prozent von einem gerechten System abgelöst wird. Nicht Zugehörigkeit zu einem Netzwerk, sondern Leistung, Kreativität und Innovation müssen belohnt werden. Zu dieser Schlussfolgerung kommt der Herausgeber der Deutschen Wirtschafts Nachrichten, Michael Maier, in einem zweiseitigen Beitrag in der aktuellen Wochenenausgabe der „Berliner Zeitung“.

In seinem Artikel unter der Überschrift „Die große Plünderung“ schildert Maier , wie der Wohlstand der Welt umverteilt wird: weg von den privaten Sparern, hin zum verschwenderischen Staat und einer ausufernden Finanzindustrie. Der starke Staat sei das Gegenteil vom „großen Staat“. Eine aufgeblähte Bürokratie und die überbordende Einmischung des Staates in konkrete Wirtschafts- und Lebensbereiche führen nicht zu mehr Kontrolle, sondern zur hemmungslosen Mitwirkung an der großen Plünderung. Veränderungen können nur erreicht werden, wenn sich die Gesellschaft vom globalen Falschgeldsystem verabschiedet.  

Der Mensch sei mehr als eine Nummer in einem Schuldensystem, das von einer 0,123-Prozent-Elite kontrolliert wird.  Die Reduktion allen menschlichen Handelns auf das Ökonomische führe zur Abschaffung des Menschen. „Zu viele uneinlösbare Versprechen, ausgegeben als Billionen an Falschgeld, sprengen jedes Rechtssystem. Sie schaffen den globalen Unrechtsstaat  und zerstören die Moral und das Gewissen des Einzelnen“, ist Maier überzeugt. Seine Auffassungen gründet er auf die Lehre des Weltökonomen Friedrich von Hayek und zitiert ihn. Eine freie Gesellschaft funktioniere nur dort gut, wo freies Handeln von starken Moralvorstellungen geleitet ist. ++ (so/mgn/10.05.14 – 129)

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Wien/Zürich, 30. März 2014 (ADN). Ein Wiener Journalist soll für drei Jahre ins Gefängnis, weil er im Verfahren auf Rückerstattung einer von den Nazis arisierten Liegenschaft seine Tante als Miterbin verschwiegen hat.“ Darüber berichtet die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Wochenende. Geschädigt fühle sich der österreichische Staat. „Weil er das Antragsformular zur Restitution einer von in der Nazizeit seinen Vorfahren in Wien geraubten Liegenschaft nicht richtig ausgefüllt hat, soll der Journalist Stephan Templ, der unter anderem auch für die ‚Neue Zürcher Zeitung‘ schreibt, demnächst eine Freiheitsstrafe von drei Jahren antreten“, schreibt die Schweizer Zeitung. Ein Wiener Strafgericht verurteilte Templ im April 2013 wegen schweren Betrugs. Die allein mögliche Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil wurde abgewiesen. Strafmaß und bedingter oder unbedingter Vollzug werden nächste Woche nochmals Thema vor dem Oberlandesgericht Wien sein.  Die ausgesprochene Strafe ist nach Aussage des Berichts völlig unverständlich.

Templ sei bis dahin ein völlig unbescholtener Mann gewesen. Allerdings habe er in einem Buch und in verschiedenen Zeitungsartikeln die Haltung und die Praxis Österreichs in Restitutionsfragen scharf kritisiert. Er war den Behörden als kritischer Autor bekannt.  Doch dies dürfe in einem Rechtsstaat keine Rolle spielen. Unverständnis und Empörung über das Urteil wachse in der Presselandschaft.

Das Urteil enthält dem Bericht zufolge weitere Ungeheuerlichkeiten. So betrachtet sich der österreichische Staat als Geschädigter. Er war durch das Unrecht der Nazizeit in den Besitz der Liegenschaft gelangt, hatte sie jahrelang genutzt und sieht sich nun als Opfer.  Die NZZ schreibt: „Einen Schaden von 550.000 Euro hat dabei wohl aber doch viel eher die Tante erlitten, die wegen Unkenntnis und nicht zuletzt auch Untätigkeit des Staates nicht rechtzeitig ihren Antrag stellte. Der österreichische Staat wäre vom Missgeschick der Tante somit vor allem Profiteur.“ Dies zeuge von wenig Verständnis des heutigen Rechtsstaates für die oft verworrenen Rechtslagen, mit denen Nachkommen von Opfern des nationalsozialistischen Unrechtsstaates nach über 70 Jahren konfrontiert sehen. ++ (jz/mgn/30.03.14 – 089)

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München/Berlin, 18. Februar 2014 (ADN).  33 Nebenkläger-Anwälte im Münchner Prozess gegen Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) üben in einem gemeinsamen Papier scharfe Kritik an der Bundesanwaltschaft. Einer der schwerwiegenden Vorwürfe in dieser wachsenden Konfrontation besteht darin, dass den die Tatopfer vertretenden Nebenkläger-Anwälten keine Einsicht in Akten weiterer Verfahren im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex gewährt wird.

Darüber hinaus kritisieren die Rechtsvertreter der Nebenkläger die unzureichende juristische Aufklärung des NSU-Terrors insgesamt. Es gebe zu wenig politische Diskussionen über den „strukturellen und institutionellen Rassismus“. Er sei eine der Ursachen „für das Versagen der Ermittlungsbehörden, aber auch der Medien und der Gesellschaft“. Sie fordern eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages nach dem Vorbild der Macpherson-Kommission in Großbritannien. Dieses Gremium wurde 1997 gebildet, um den gewaltsamen Tod eines Schwarzafrikaners in London zu überprüfen. Es stellte beispielsweise fest, dass die britische Polizei von institutionellem Rassismus durchsetzt ist.

Ausführliches zu den substanziellen Lücken bundesdeutscher Kriminalitätsbekämpfung ist in dem neuen „Jahrbuch des Verbrechens 2014“ von Gerhard Wisneswski zu finden. Darin werden die spektakulärsten Kriminalfälle des Vorjahres analysiert. Dazu zählt ein Kapitel über den NSU-Prozess unter der fragenden Überschrift „Verboten gute Ermittlungen ?“. Darin wird geschlussfolgert: „Der Rechtsstaat,so kann man aus dem Fall NSU lernen, ist jedenfalls nur noch zu einem Teil funktionsfähig und tanzt in anderen Bereichen längst nach Pfeife seines dunklen Bruders, des ‚tiefen Staates'“. Dieser Begriff ist in der Türkei geläufig und beschreibt den gesamten Untergrund, in dem Kriminelle und Geheimdienste agieren. ++ (rs/mgn/18.02.14 – 049)

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Frankfurt am Main, 14.Dezember 2013 (ADN). Unter der Überschrift „Richterstaat statt Rechtsstaat“ übt der Leser der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) Horst Trieflinger aus Frankfurt am Main in der Sonnabend-Ausgabe heftige Kritik an den Zuständen in der bundesdeutschen Justiz. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Handlungsweise eines Vorsitzenden Richters am Arbeitsgericht Leipzig. Er ist gegen die negative Einschätzung seiner Arbeitsleistung durch den zuständigen Gerichtspräsidenten selbst juristisch vorgegangen und hat dabei sämtliche Rechtswege bis zum Bundesgerichtshof (BGH) als letzte Instanz durchlaufen. Dieses Gremium ließ den klagenden Richter unter dem Motto „Kein Anspruch auf Faulheit“ ebenfalls abblitzen. Parallel hatte der Arbeitsrichter in derselben Sache auch beim Verwaltungsgericht mehrere Klagen eingereicht. Der FAZ-Leser weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Überlastung der Justiz hausgemacht ist.

Er nennt weitere Beispiele, Gründe und Auswüchse der Selbstbeschäftigung in den inneren Zirkeln bundesdeutscher Juristen. So setze sich die Juristenschaft sogar in ihrer Rechtssprechung über den Willen des Gesetzgebers hinweg und erhebe sich zum Ersatzgesetzgeber. Insofern habe man es nicht mit einem Rechtsstaat zu tun, sondern sei mit einem Richterstaat konfrontiert. Er zitiert den ehemaligen Richter am Oberlandesgericht Köln, Egon Schneider, der den Zustand der Dienstaufsicht gegenüber Richtern aufs Korn nimmt und sie ein Experiment nennt. „Eine Crux unseres Rechtswesens ist das völlige Versagen der Rechtsaufsicht gegenüber Richtern … Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel“. Daraus darf geschlossen werden, dass die Robenträger in diesem kruden System letztlich machen können, was sie wollen. ++ (ju/mgn/14.12.13 – 342)

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Hamburg, 8. Mai 2013 (ADN). 500 Jahre lang hat der Westen mit seinen Institutionen und Ideen die Welt beherrscht. Jetzt kopieren die anderen, was unseren Aufstieg begründet hat. Wir aber geben auf. Diesen generellen Trend registriert und erläutert der britische Historiker Niall Ferguson in einem Namensbeitrag der Wochenzeitung „Die Zeit“. Darin führt er den Niedergang des Westens – gemeint sind die Territorien der Vereinigten Staaten vonm Amerika (USA) und der Europäischen Union (EU) – auf sechs von ihm als Killer-Applikationen bezeichnete Faktoren zurück. Sie seien bislang vom Westen eingesetzt und praktiziert worden. Nun haben die anderen angefangen, „sich unsere Killer-Applikationen herunterzuladen“, so Ferguson. Als Erste hätten die Japaner begriffen, dass sie westliche Institutionen kopieren können. Ihnen folgten nach den Worten des Historikers in den siebziger Jahren China, Indien und weitere bevölkerungsreiche Länder der Welt. Gleichzeitig habe der Westen begonnen, seine bewährten Killer-Applikationen zu löschen und damit die ernstere Entwicklung eingeleitet.

Zu den von dem in Havard lehrenden Wissenschaftler als Killer-Applikationen gekennzeichneten Problemkreisen gehören der Wettbewerb, die wissenschaftliche Revolution, die Rechtsstaatlichkeit, die Konsumgesellschaft und die Arbeitsethik. Zu beiden letzteren nannte er schlagende, auf dem europäischen Kontinent wenig bekannte Beweise. So gebe es in den Ländern des Westens nur vier der 30 größten Einkaufszentren der Welt. Alle anderen existierten in Schwellenländern. Zu dem arbeitsethischen Aspekt sei anzumerken, dass die Deutschen sich zwar als harte Arbeiter empfänden. „Aber der durchschnittliche Deutsche arbeitet nur 1.409 Stunden im Jahr, der durchschnittlicher Südkoreaner hingegen 2.204 Stunden“, teilt Ferguson mit. Die Killer-Applikation Arbeitsethik werde mit dem Wohlfahrtsstaat gelöscht und die der Konsumgesellschaft mit den Schulden. Infolgedessen nähere sich der Westen dem an, was Adam Smith „stationary state“, also einen Zustand des Stillstands, nannte. Um diese Situation in den Griff zu bekommen und ihr zu entrinnen, müsse sie zuerst erkannt werden. Nirgends in der Welt falle das allerdings so schwer wie in Deutschland, „wo die Illusion fortbesteht, dass in der besten aller möglichen Welten alles zum besten bestellt ist“. ++ (wi/mgn/08.05.13 – 122)

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Karlsruhe/München, 7. November 2012 (ADN). Die allseits gefeierte Marktwirtschaft ergreift alle Lebensbereiche und gefährdet damit fundamentale Werte einer Gesellschaft. Inzwischen sind auch Recht und Justiz zum Basar geworden.  Es wird gefeilscht, was das Zeug hält. Hauptakteure dieses Handels sind Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Richter, die dann den Kauf und Verkauf letztlich absegnen. Die Handelserlaubnis der Ware Recht heißt Paragraph 257c und ist Teil des Strafgesetzbuches (StGB). „Aus den Strafrichtern sind juristische Makler geworden, aus dem Strafgesetzbuch wurde ein Handelsgesetzbuch“, schreibt Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ im Vorfeld einer am heutigen Mittwoch stattfindenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in Karlsruhe. Seit dem Gesetz mit dem harmlosen Namen „zur Regelung von Absprachen im Strafprozess“ aus dem Jahr 2009 dürfe in jedem Strafprozess mit gesetzlicher Erlaubnis gedealt werden. Seitdem sei das von Kritikern „Handel mit der Gerechtigkeit“ genannte Prozedere offizieller Teil und Wesenskern des deutschen Strafrechts. Damit wurde die von der Bürgerrechtlerin Bärbel Boley aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geäußerte Befürchtung, dass die Ostdeutschen mit der Wiedervereinigung statt Gerechtigkeit den Rechtsstaat bekommen hätten, bei weitem in negativer Weise überboten. Da die ehemaligen Bürger der DDR jedoch in der Regel wesentlich weniger Geld in ihrer Schatulle haben als ihre Schwestern und Brüder in den sogenannten Alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland (BRD), sitzen sie demzufolge in überproportional hoher Zahl hinter den Gittern der Justizvollzuganstalten (JVA). Dort arbeiten sie für Stundenlöhne um einen Euro herum, unter anderem um Billgwaren möglicherweise für diejenigen herzustellen, die sich mit dem betreffenden Absprache-Gesetz freikaufen konnten. Ein praktisches Beispiel aus der JVA Berlin-Plötzensee belegt das eindrucksvoll. Während sich ein wohlhabender, soeben verhafteter Architekt aus dem Westteil der Metropole binnen weniger Stunden die Freiheit wieder einkaufen konnte, musste ein arbeitsloser armer Schlucker aus Weißensee im Ostteil Berlins mehr als ein Jahr im Knast verbringen.

Dass diese äußerst brisante und schändliche Regelung nicht erst vor drei Jahren erfunden wurde, sondern bereits viele Jahre praktiziert wird, belegt der Autor des Beitrags in der Münchner Tageszeitung ausführlich. Seit einem Vierteljahrhundert sei dieser Deal nun tägliches Geschäft bei den Strafgerichten. Schon 1990 habe eine Strafverteidiger-Vereinigung das bestätigt. Dieses tägliche Geschäft wurde sogar noch im Jahr 2005 per Grundsatzurteil des Großen Senats im BVG abgesegnet.

Prantl vergleicht das Verfahren mit dem Ablass-Handel der katholischen Kirche vor 500 Jahren. Gläubige konnten sich damals ihre Sünden abkaufen lassen. Der Freispruch des Mönches Johann Tetzel lautete „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“.  Nach den Worten von Prantl, der vor seiner journalistischen Laufbahn selbst einmal als Richter tätig war,  zerbrach an diesem Ablass-System, das den Priester zum Händler machte und die ewige Seligkeit ökonomisierte, damals der Glaube an die Kirche. Die Kritiker des gegenwärtigen Deals hegen die Befürchtung, dass der Glaube an das Recht wegen dessen Ökonomisierung zerbrechen könnte.  

Viel näher liegt wohl die grausame Erkenntnis, dass dieser Glaube längst zerbrochen ist.  Diese Wahrheit muss nur laut ausgesprochen und entsprechend oft wiederholt werden, damit sie auch die entlegenen Winkel der Gesellschaft erreicht.  Dazu ist „dem Volke auf’s Maul zu schauen“, um mit dem Mönch Martin Luther zu sprechen. Er hatte vor fast einem halben Jahrtausend seinen Berufskollegen Tetzel überführt und die Reformation ausgelöst. Dergleichen ist heute wieder vonnöten. Das bevorstehende 500jährige Jubiläum der Reformation bietet dafür beste Gelegenheit. Die Aufklärungs-Thesen müssen auch nicht nur an die Wittenberger Schloßkirche genagelt werden. Es gibt genügend Gotteshäuser und Kirchentüren in jeder Stadt und jedem Dorf, um  diese Tatsachen zu verkünden. ++ (ju/mgn/07.11.12 – 217)

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