Archive für Beiträge mit Schlagwort: Rechtsterrorismus

München, 2. Februar 2013 (ADN).  Die Bundesrepublik Deutschland steht an der Schwelle zu einem ihrer bedeutsamsten Gerichtsprozesse der Nachkriegsgeschichte. Er beginnt am 17. April dieses Jahres.  Die „Süddeutsche Zeitung“ versuchte in ihrer Wochenendausgabe die Dimensionen des Verfahrens zu verdeutlichen, das nicht als Fall im klassischen Sinne, sondern eher als Staat und Gesellschaft prägendes Mammut-Ereignis zu bewerten ist. Auslöser sind zehn innerhalb eines Jahrzehnts begangene Morde, die bislang unaufgeklärt blieben und ein Sittengemälde des vollständigen Versagens des administrativen Konstrukts Bundesrepublik Deutschland  zeichnen. 

Die Anklageschrift hat einen Umfang von 488 Seiten versehen mit 1.600 Fußnoten. Allein die Verfahrensakte zählt rund 700 Ordner.  27 einzelne Anklagepunkte sind zu verhandeln. Zudem steht der Vorwurf der Mitgliedschaft und Unterstützung in einer terroristischen Vereinigung auf dem Programm. Es wird das größte bundesdeutsche Verfahren zum Rechtsterrorismus, so die „Süddeutsche Zeitung“. Vergleiche mit dem Stammheim-Prozess und dem Auschwitz-Prozess, die unterschiedliche Zäsuren für die Republik mit sich brachten, drängten sich auf.

Auch das Personal-Tableau der unmittelbar im Münchner Oberlandesgericht beteiligten Akteure beeindruckt: Fünf Angeklagte, fünf Berufsrichter,  zwei Schöffen als Reserve, bis zu fünf Vertreter der Bundesanwaltschaft als Ankläger, zehn Verteidiger, 64 Nebenkläger und 46 Nebenklagevertreter, drei Sachverständige, zwei Dolmetscher und ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe.

Als besonders sensibles Kapitel dürfte sich der Umgang mit den Hinterbliebenen der Mordopfer auswachsen. Schon jetzt steht die Berücksichtigung ihrer Gefühle und Interessen in einem speziellen Fokus. Ganz aktuelle Diskussionen lassen darauf schließen, dass die lange Zeit selbst unter Mordverdacht stehenen Betroffenen gar nicht am Prozess teilnehmen können. Ein ganz profaner Grund dafür sind die hohen Reise- und Übernachtungskosten am Verhandlungsort in München.

Einem ebenfalls veröffentlichten Interview mit dem Münchner Gerichtspräsidenten Karl Huber ist zu entnehmen, dass der Prozess voraussichtlich ein Jahr dauert.  Hinsichtlich der äußerst geringen Platzkapazitäten für die interessierte Öffentlichkeit einschließlich der Presse weist der Jurist darauf hin, dass es sich um ein rechtsstaatliches Verfahren handele, nicht um einen Schauprozess.  Insofern gebe es einen Unterschied zu dem Breivik-Verfahren in Norwegen, in das sich das ganze Land einbezogen fühlte und ein Befriedungseffekt in der Gesellschaft erreicht wurde. ++ (pl/mgn/02.02.13 – 028)

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Leipzig, 4. September 2012 (ADN).  Nur ein einziger Mensch innerhalb der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden hatte während der rechtsradikalen Mordserie in den vergangenen zehn Jahren einen ernsthaften Verdacht, dass es sich um neonazistische Urheber und Täter handeln könnte. Es war  ein Profiler in München. Das erklärte die ehemalige Generalbundesanwältin, Monika Harms, am Dienstagabend in Leipzig bei einer Diskussionsrunde.  Sie wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es bis in die Gegenwart keinerlei Spuren und Ermittlungsansätze in Bezug auf die Morde der dritten Generation des RAF-Terrorismus gibt. Das betreffe beispielsweise die tödlichen Attentate auf den seinerzeitigen Chef der Treuhandanstalt ,Detlef-Carten Rohwedder, und den ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, die Anfang der 90er Jahre umgebracht worden sind. Angesichts dessen und der zunehmenden rechtsradikalen Aktivitäten habe sie unmittelbar nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2006 bei ihren Antrittsbesuchen in den einzelnen Bundesländern die Installation eines gemeinsamen Anti-Terrorismuszentrums gegen Rechts vorgeschlagen. Alle Landesinnenminister seien dafür gewesen, aber getan habe sich nichts.

Auf die Frage, warum der bundesdeutsche Justizapparat nicht dem Beispiel des Außenministeriums und des Bundesverkehrsministeriums gefolgt ist und von geeigneten Historikern die Nazi-Vergangenheit dieser Einrichtungen erforschen ließ, verwies Harms auf eine Studie. Bundesjustiministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe sie in Auftrag gegeben. Das Elaborat sei eben nur noch nicht fertiggestellt.

Der Richter am Bundesverwaltungsgericht, Uwe Berlit, der seit Anfang dieses Monats auch als berufsrichterliches Mitglied am Landesverfassungsgericht des Freistaates Sachsen fungiert,  verteidigte ebenfalls seine Zunft. Seit Mitte der 70er Jahre sei es mit der „Blindheit auf dem rechten Auge“ in der bundesdeutschen Justiz vorbei. Seitdem gebe es andere Schwächen. Für Polizei und Justiz sei es eben einfacher und bequemer kleine Ladendiebe zu erwischen und abzuurteilen als komplexe Strukturermittlungen von Fehlentwicklungen in der Gesellschaft nachzuvollziehen. Rechtsextremistischen Tendenzen könne nur durch gute Politik entgegengetreten werden. Entscheidend sei zu erkennen, wie sich rechte Milieus abzeichnen. und daruf hin zu wirken, ihr Entstehen zu verhindern. Im Übrigen sei es kein Regelfall, wenn staatliche Instanzen rechtswidrig handeln und – wie beispielsweise in Sachsen geschehen – strafrechtlich relebvante Akten in größeren Mengen zerschreddern. ++ (re/mgn/04.09.12 – 252)

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Weimar/Erfurt/Zwickau, 16. Februar 2012 (ADN). Sieben Volljuristen beschäftigen sich mit rund 9.000 Blatt Akten aus dem Thüringer Landeskriminalamt im Zusammenhang mit den bundesweit für Grundsatzdiskussionen sorgenden und jahrelang unentdeckten NeoNazi-Morden an ausländischen Kleinunternehmern. Diese Angaben machte Thüringens Innenminister Jörg Geibert in einem Interview mit der „Thüringischen Landeszeitung“, das in der heutigen Donnerstagausgabe veröffentlicht wurde. Die Papiere werden aus seinem Ministerium dem Untersuchungsausschuss vorgelegt, der ebenfalls heute seine Arbeit aufgenommen hat. Er könne sich vorstellen, so Geibert, dass es bei den Bundesstellen noch einmal eine Vielzahl von Akten über den Rechtsextremismus gebe. Der Verfassungsschutz habe deutlich mehr Unterlagen, wenn man das Augenmerk auf die Genese der rechtsextremen Bewegung in den 90er Jahren legt. Was die Schäfer-Kommission zur Verfügung gestellt bekommen habe, seien drei Aktenbände. Das hänge damit zusammen, dass sich das Material auf den konkreten Vorgang rund um das umstrittene Trio bezieht. Mitteilungen dieses von einem ehemaligen Richter des Bundesgerichtshofes geleiteten Gremiums, lassen nach Aussage von Geibert darauf schließen, dass zwischen dem Akteninhalt und den Erinnerungen der Beteiligten erhebliche Widersprüche aufgetaucht sind. Außerdem haben die sächsischen Behörden der von Thüringens Landesregierung eingesetzten Schäfer-Kommission immer noch keine Unterlagen in Sachen Rechtsextremismus geliefert.

Geibert sieht ein Schlüsselproblem zur Aufklärung in Kommunikationsdefiziten. Deutlich besserer Informationsaustausch sei notwendig. Das vom Bundesinnenminister im Dezember vergangenen Jahres angekündigte Informationszentrum Rechtsextremismus bilde einen ersten Schritt. Dort sollen künftig die Informationsfäden zusammenlaufen, um einen Gesamtüberblick zum Rechtsextremismus zu gewinnen.

Inzwischen paaren sich die ernsten Ereignisse mit äußersten Skurrilitäten. So berichtete die „Chemnitzer Morgenpost“ am heutigen Donnerstag von einer Klage des Zwickauer Tierheims gegen das Bundeskriminalamt (BKA). Die Behörde lehne es ab, die Kosten für Unterkunft, Futter und andere Aufwendungen für die Katzen zu tragen, die der des Terrorismus verdächtigten und inhaftierten Beate Zschäpe gehören. Die erste Rechnung über 167, 28 Euro habe die Zwickauer Polizei bezahlt. Die Beamten hätten für weitere Aufwendungen das BKA als zuständig erklärt, das sich zu einer Stellungnahme gegenüber der Chemnitzer Zeitung nicht in der Lage sah. ++ (tr/mgn/16.02.12 – 47)