Berlin, 20. Oktober 2011 (ADN). Im Umgang mit finanziellen Rettungsschirmen und Hebeln für den Euro wird offenbar, dass die deutsche Bundesregierung nicht erst seit gestern das Parlament ausgeschaltet hat. Inzwischen gibt sogar der Bundesfinanzminister zu: die Demokratie ist gefährdet. Geredet wird dabei im Übrigen immer nur von einem Vehikel der Demokratie: der repräsentativen. Und was nach Auffassung eines Spitzenpolitikers wie Schäuble auf dem Spiel steht, ist erfahrungsgemäß längst verspielt. Also auch diese Art der Demokratie, die Volksherrschaft nur vorgaukelt und zum Schein zelebriert, ist am Ende. Die wahre, auf Basis des Volkes gründende und praktizierte Demokratie hat es – wenn überhaupt – in Deutschland seit der Weimarer Republik nicht mehr gegeben. Die Gedanken und Forderungen der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 waren ohnehin nicht in Sicht-, geschweige denn in Reichweite. Die jüngste Chance dazu, die vor 20 Jahren bestanden hat, wurde von den etablierten Parteien rasch zerstört. Eine Kommission zur Erarbeitung einer vom Volk zu verabschiedenden Verfassung wurde binnen kürzester Frist zum Schweigen gebracht und in aller Stille zu Grabe getragen.
Nun geht auch das Pseudo-Produkt der repärsentativen Demokratie, das die Hirne der Leute jahrzehntelang systematisch und gründlich vernebelt hat, vor die Hunde. Sogar die mit der Macht weitgehend linientreuen Main-Stream-Medien geben das zu. Brigitte Fehrle schreibt heute in der „Berliner Zeitung“: „Derzeit handelt die Politik außerhalb der Demokratie. Sie benimmt sich, als sei sie ein Player auf den anarchischen internationalen Finanzmärkten, die nur der Logik der Geldvermehrung gehorchen.“ Die Autorin weist darauf hin, dass Demokratie von Transparenz lebt, von Offenheit, von Überzeugungskraft und davon, dass Bürgern einleuchtet, was ihre gewählten Vertreter tun, selbst wenn sie damit nicht einverstanden sind. Das ist perdu.
Solcherart „Im Griff der Spekulanten“ – so der Titel des Beitrages in der Tageszeitung – befinden sich die Politiker. Und das bestätigte bereits der Staatsphilosoph Charles de Secondat de la Brede et de Montesquieu vor mehr als 250 Jahren. Im Kapitel „Über das Prinzip Demokratie“ seines Hauptwerkes „Vom Geist der Gesetze“ bekennt der Franzose zu tiefster feudalistischer Zeit: „Die heutigen Politiker sprechen nur von Manufakturen, Handel, Finanzen, Reichtum, ja sogar Luxus.“ Die Tugend, auf die sich die Politiker von Volksregierungen nach den Worten von Montesquieu allein stützen sollen, ist verschwunden. Offensichtlich wird Deutschland von Feudalisten regiert. Hier heißt es also nicht nur: Schlag nach bei Shakespeare, sondern auch bei Montesquieu. Warum lernen wir nach mehr als einem Viertel Jahrtausend nichts dazu ? Weil über Klassiker fundamentaler staatsrechtlicher Literatur weder an Grund- noch an Hochschulen unterrichtet wird. Elementares Demokratie-Wissen wird den Bürgern vorenthalten. Nicht zufällig, sondern mit Absicht. ++ (dk/mgn/20.10.11 – 10)