Bochum, 20. August 2012 (ADN).Die Einrichtungen der Diakonie weichen einer gerechten Leistungsvergütung ihrer Mitarbeiter aus, indem sie sich geschickt einer zersplitterten Tariflandschaft konfessioneller Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland bedienen. Notfalls flüchten sie zu den biblischen Formeln des selbstlosen Dienstes am Nächsten, um ihren Belegschaften die geringen Entgelte verständlich und schmackhaft zu machen. Das erklärte der Soziologe Norbert Wohlfahrt von der Evangelischen Fachhochschule RWL (Rheinland-Westfalen-Lippe) Bochum am heutigen Montag im Deutschlandfunk. Der Wissenschaftler hatte kürzlich eine Studie über die Arbeitsbedingungen und Einkommensverhältnisse der Beschäftigten in rund  300 diakonischen Einrichtungen vorgelegt. Zu den Haupterkenntnissen der Analyse gehört, dass durch systematisches Ausgründen von Service-Gesellschaften Lohndumping verursacht wird. Außerdem mangele es an einer wirksamen Arbeitnehmervertretung. Er bedauerte, dass die Gerichte, diesen sogenannten dritten Tarif-Weg bisher mit ihren Entscheidungen verteidigt haben. Dies sei nicht mehr haltbar, weil der soziale Dienstleistungssektor – ob unter konfessioneller Ägide osder nicht – eine eigene Logik habe.

Beispielhaft nannte Wohlfahrt eine große diakonische Einrichtung in Rheinland-Westfalen-Lippe, die Löhne und Entgelte in ihren Sozialunternehmen auf der Grundlage eines in Bayern angewandten Tarifvertrages zahlt. Dieser AVR-Bayern liege unterhalb des vom Dachverband der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) vorgegebenen Niveaus. Solches Vertrags-Hopping trage zur Tarifzersplitterung bei und führe zu bestimmten Wettbewerbsvorteilen. Nach den Worten des Soziologen gibt es ein starres kirchliches Dienstrecht, das für 22 Landesverbände der Diakonie gilt und dennoch 16 unterschiedliche Vertragsrichtlinien umfasst. Das Diakonische Werk sperre sich generell gegen einen Mindestlohn von neun Euro pro Stunde, weil dem finanziellen Druck sonst nicht widerstanden werden könne.

Als Konsquenz aus der Untersuchung forderte Soziologe Wohlfahrt einheitliche Tarifbestimmungen sowohl für kirchliche Sozialeinrichtungen als auch für weltliche Fürsorge-Unternehmen. Darauf müssten die deutschen Sozialverbände hinwirken. Dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht tue das keinen Abbruch. ++ (sp/mgn/20.08.12 – 238)

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