Erfurt, 5. Dezember 2014 (ADN). Die Bürger Thüringens fühlen sich abgehängt. Fast die Hälfte der Wähler ist deshalb nicht zur Wahl gegangen. Das stellte der neue Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, am Freitag unmittelbar nach seiner Wahl im Thüringer Landtag fest.  Deshalb müsse die Landespolitik näher an die Menschen heranrücken und sich mit deren Problemen auseinandersetzen.

Der im zweiten Wahlgang mit knapper Stimmenmehrheit gewählte Ramelow bat um Solidarität, Fairness und Respekt im gegenseitigen Umgang. Seine Wahl sei häufig als historischer Moment bezeichnet worden. Dies treffe jedoch nicht zu. Der eigentlich historische Tag habe vor 25 Jahren stattgefunden, als die Erfurter Bürger die Bezirkszentrale der DDR-Staatssicherheitsbehörde (Stasi) gestürmt und besetzt haben. Diejenigen, die unter dieser Organisation gelitten haben, bitte er um Entschuldigung. Namentlich nannte er seinen väterlichen Freund Andreas Möller, der seinerzeit in Stasihaft in Potsdam saß und gequält worden ist. Der nunmehr abgelösten Landesregierung unter Christine Lieberknecht von der CDU zollte der neue Amtsinhaber Respekt. Besonders bemerkenswert sei der Tatbestand, dass es nach 200 Jahren gelungen sei, in Thüringen jüdische Theologie zu einem normalen Lehrfach werden zu lassen.

Der aus den alten Bundesländern stammende Politiker ist als erster Vertreter der Partei „DIE LINKE“ ins Amt des Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gekommen. Er führt nunmehr eine Koalitionsregierung mit den Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen an. Auch dieser rot-rot-grüne Verbund ist ein Novum im bundesdeutschen Politikbetrieb.

Ramelow präsentierte unmittelbar nach der Wahl sein Kabinett. Die neuen Ressort-Inhaber sind Heike Taubert (Finanzen), Anja Siegesmund (Umwelt/Energie), Benjamin-Immanuel Hoff (Staatskanzlei/Europa/Kultur), Birgit Keller (Infrastruktur/Landwirtschaft), Birgit Klaubert (Bildung), Dieter Lauinger (Verbraucherschutz/Justiz/Migration), Holger Poppenhäger (Inneres), Wolfgang Tiefensee (Wirtschaft/Wissenschaft) und Heike Werner (Arbeit/Soziales/Gesundheit/Familie).

In der Premiere-Pressekonferenz als Minsterpräsident nach der ersten Kabinettssitzung, auf der die Staatssekretärsposten vergeben wurden, informierte Ramelow am frühen Abend über den sofortigen Abschiebestop für Flüchtlinge in Thüringen. Dies sei ein Akt der Menschlichkeit. Ein entsprechender Vorlaufbeschluss sei ergangen und werde am nächsten Dienstag in Kraft gesetzt. Praktizierte Humanität gebiete es, diesen Abschiebestop nicht unter Kostengesichtspunkten zu betrachten. Bei der bevorstehenden kalten Witterung dürfe niemand abgeschoben werden. Im Übrigen sei ein Kassensturz verabredet. Eine Änderung der Stellenpläne werde kostenneutral erfolgen. Auf die Frage nach der angekündigten Reform der Verfassungsschutzbehörden reagierte der ehemalige Gewerkschaftermit dem knappen Satz: „Wieviel Konfetti dort schon entstanden ist, weiß ich nicht.“ ++ (re/mgn/05.12.14 – 338)

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