Sarajevo/Zürich, 3. März 2012 (ADN). Bosniens Bürgergesellschaft erlebt endlich ein Erwachen. Mit diesen Worten zitiert die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) in ihrer Montag-Ausgabe Katarina Cvikl. Sie gehört zu der Organisation Populari, die sich mit Übungen in direkter Demokratie einen Namen gemacht hat.
In Bosnien hat sich aufgrund massiver Proteste der Bevölkerung das „Plenum der Bürger des Kantons Tuzla“ gegründet. Der 48jährige Ökonomieprofessor Edin Osmanbegovic, der im Krieg beide Beine verlor, gehört zu den Initiatoren. Das Plenum, zu dem inzwischen rund 20 Städte und Gemeinden gehören, beschreibt in dem ganzseitigen Bericht der Tageszeitung das Zustandekommen des Bündnisses von Tuzla, das zu jugoslawischen Zeiten eine wohlhabende Arbeiterstadt war und nun zum Armenhaus des Landes mit 50 Prozent Arbeitslosigkeit mutierte. Bei der ersten Versammlung seien 25 Leute aufgetaucht, beim jüngsten Treffen zählte die Versammlung schon mehr als 500 Teilnehmer. Die Frage, ob aus dem Plenum eine Partei entstehen soll, verneint Osmanbegovic. „Wenn wir uns in eine Partei verwandeln, verlieren wir an Glaubwürdigkeit. Man wird uns dann vorwerfen, nur aus Eigennutz, in der Hoffnung auf eine eigene politische Karriere, an der Bewegung teilgenommen zu haben“, zitiert ihn die NZZ. Der Widerstand, der antikapitalistische Züge trägt und durch ein erhebliches Maß an Jugoslawien-Nostalgie angereichert ist, soll außerparlamentarisch bleiben.
Die zahlreichen aus dem Ausland finanzierten internationalen Hilfsvereinigungen und Nichtregierungsorganisationen mit ihren mehr als 10.000 Helfern stehen dem basisdemokratischen Prozess weitgehend taten- und verständnislos gegenüber. Sie, die in schicken Hotels wohnen und mit farbigen Powerpoint-Präsentationen den Einwohnern von Bosnien-Herzegowina das „westliche Lebens- und Gesellschaftsmodell“ schmackhaft machen wollen, stehen am Rande des Geschehens. ++ (dk/mgn/03.03.14 – 062)
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