Karlsruhe, 12. Januar 2012 (ADN). Der Bundesgerichtshof (BGH) verstrickt sich in den eigenen selbstgelegten juristischen Fußfesseln und schraubt damit seine Tätigkeit auf Sparflamme herunter. Ursache der Kalamität ist der Tatbestand, dass seit Jahresbeginn auf Beschluss des BGH-Präsidiums der Richter  Andreas Ernemann  gleichzeitig zwei Senaten vorsteht – dem 2. und 4. Strafsenat. Damit wird die selbst vom BGH gesetzte Vorschrift unterminiert, dass jemand auf einem solchen Posten mindestens 75 Prozent der Aufgaben als Vorsitzender seines Senats selbst wahrnimmt.

Das hat es bislang noch nie gegeben und stößt nicht nur auf Kritik, sondern auch auf heimlichen und offenen Widerstand. Zunächst vor allem intern.  Gewiss auch zunehmend extern – aufgrund der Veröffentlichung der Misere in der jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“.  So schreibt das Printmedium,  dass Angehörige des 2. Senats vor einem Monat aus verfassungsrechtlichen Gründen in einer Anhörung gegen die Doppelfunktion Ernemanns polemisiert haben. „Es geht um ein Grundrecht, die sogenannte Garantie auf den gesetzlichen Richter – wäre die Doppelbesetzung rechtswidrig, begingen der 2. und 4. Strafsenat mit jedem Urteil und jedem Beschluss, an dem Ernemann mitwirkt, einen Verfassungsverstoß.“  Zu ergänzen ist die noch viel wichtigere Frage, ob das denn überhaupt geht, denn die Bundesrepublik Deutschland hat gar keine Verfassung, sondern lediglich ein Grundgesetz als administrative Notverordnung.

Inzwischen beginnen auch die Beschwerden von außen einzutrudeln, die erste in  Gestalt einer Rüge über die „vorschriftswidrige Besetzung des 2. Strafsenats“.  Nach Aussage in „Der Spiegel“ verlangt der Aachener Strafverteidiger Thomas Koll Auskunft über Ernemanns „Verwaltungsaufgaben und Nebentätigkeiten“ und über „Überlastungsanzeigen“ der Strafsenate. Zudem fordert er dienstliche Erklärungen aller Vorsitzenden Richter des BGH zu ihrer „durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit“.

Als Grund für diese bizarre Störung im Karlsruher Gerichtsalltag nennt das Medium einen äußerst ungewöhnlichen Machtkampf um den Vorsitz des 2. Strafsenats. Eigentlich sollte der als besonders sachkundig, qualifiziert und wissenschaftlich kreativ geltende Richter Thomas Fischer das Ruder übernehmen. Plötzlich drehte sich der Wind und bläst nun Fischer kalt entgegen. Ursache desssen soll Fischers scharfe Kritik  an einem Urteil eines anderen Senats sein. Es herrscht offensichtlich Mobbing in den höchsten Etagen des bundesdeutschen Rechts. Ein Ende ist nicht absehbar. ++ (re/mgn/12.01.12 – 12)

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