Berlin/Köln, 5. April 2012 (ADN). Über Jahrzehnte haben sich die Wirtschaftswissenschaften in ihrer Disziplin eingekapselt und so die Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse vorangetrieben. Das erklärte der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann am heutigen Donnerstag im Rundfunk. Ökonomen aller Lager hätten das Kapital stets hofiert, statt es zu bändigen. Beleg für das Versagen der traditionellen Wirtschaftswissenschaften sei die Krise des Euro sowie der Niedergang der Finanbranche. Es mangele der ökonomischen Disziplin an Wissenschaftlichkeit. Sie lasse nur noch eine Meinung zu und beachte Gegenmeinungen gar nicht mehr. Durch solches paradigmatisches Einkapseln degeneriere eine Wissenschaft zur Unwissenschaftlichkeit. Das Ökonomie-Studium gleiche einer Gehirn-Wäsche.

Nach Meinung von Thielemann wirkt das Kapital auf die Realwirtschaft wie eine Peitsche. Es diene nicht der Realwirtschaft, sondern übe Druck auf sie aus. Die ständigen Bekenntnisse, das Kapital und die Finanzbranche zu bändigen, sind hohl. Es ist schlicht nichts passiert, sagte Thielemann im Deutschlandfunk. Im Gegenteil: das Kapital werde heute hofiert durch die Europäische Zentralbank (EZB), die den Banken Milliardensummen schenkt. Was daraus folgt, sei völlig unklar.

Thielemann ist Direktor des MeM. Die Abkürzung steht für „Menschliche Marktwirtschaft“. Mit einer Initiative will der Wirtschaftsethiker die Wirtschaftswissenschaften erneuern. Markt, Marktlogik, Rationalität und Effizienz sind nach seiner Auffassung ethisch höchst fragwürdige Kernbegriffe. Dies müsse geändert werden..Die Nähe und Verflechtung zwischen ökonomischen Wissenschaften und Sozialwissenschaften sei wieder herzustellen. Das ist auch Teil eines Memorandums, um einen entsprechenden Wandel zu erreichen . Es wurde inzwischen von weiteren Ökonomie-Dozenten unterzeichnet. Der jahrzehntelange Tanz der Wirtschaftswissenschaftler um das goldene Kalb des Kapitals soll nach dem Willen der Berliner Wirtschaftsethiker ein Ende nehmen. ++ (wi/mgn/05.04.12 – 98)

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