Zürich, 3. August 2012 (ADN). „Bei allem Respekt vor der persönlichen Meinungsfreiheit jedes Einzelnen bin ich sehr verwundert, ja entsetzt, dass eine angesehene liberal-konservative Zeitung wie der ‚Tagesspiegel‘ einem Text zu öffentlicher Verbreitung verhilft, in dem der Sache nach zur Missachtung und zum Bruch des geltenden Verfassungs- und Völkerrechts aufgerufen wird.“ Dies teilte der Richter am Bundesverwaltungsgericht, Dr. Dieter Deiseroth, in einem Brief an den Herausgeber und die Chefredakteure der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ mit.
In dem Schreiben, das im Wortlaut in der jüngsten Ausgabe der Schweizer Wochenzeitung „Zeit-Fragen“ abgedruckt ist, bezieht sich der Jurist auf eine Kolumne unter der Überschrift „Pazifistische Melodien“ des Historikers Dr. Alexander Gauland vom 23. Juli 2012. Das Skandalöse dieses Gastbeitrags liege darin, dass der frühere beamtete Chef der Hessischen Staatskanzlei Gauland dafür wirbt, bei der Entscheidung über die militärische Durchsetzung außen- und sicherheitspolitischer Interessen allein politische Nützlichkeitserwägungen anzustellen. Gauland negiere damit insbesondere das Verbot jeder Anwendung von militärischer Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen, welches nach den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs als historische Errungenschaft der Menschheit in der UN-Charta verankert worden ist. Das völkerrechtliche Gewaltverbot der UN-Charta gehört nach den Worten des hohen Verwaltungsrichters zum sogenannten zwingenden Völkerrecht und damit auch zu dessen allgemeinen Regeln im Sinne von Artikel 25 des Grundgesetzes (GG).
Deiseroth wirft dem Autor der Kolumne nicht nur vor, diese verfassungs- und völkerrechtlichen Grenzen militärischer Einsätze nicht nur unbeachtet zu lassen, sondern sogar für deren Nichtbeachtung ausdrücklich zu plädieren. Dabei berufe er sich namentlich auf den preußischen „Blut- und-Eisen-Ministerpräsidenten“ Otto von Bismarck. Pikant sei zudem, dass Alexander Gauland als früherer beamteter Staatssekretär den Bindungen des Beamtenrechts und den verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt, für deren Bruch er sich im vorliegenden Fall der Sache nach öffentlich einsetzt. Daraus ergebe sich auch disziplinarrechtliche Relevanz insofern, dass sich Ruhestandsbeamte und frühere Beamte mit Versorgungsbezügen nicht gegen die „freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ betätigen dürfen.
„Das Skandalon eines solchen Plädoyers eines hohen (Ruhestands-) Beamten für den Verfassungs- und Völkerrechtsbruch weist über den aktuellen Vorgang hinaus,“ erklärte Deiseroth. Es gelte einer Enwicklung Einhalt zu gebieten, die den Einsatz des Militärs zu politischen Zwecken für Deutschland wieder zur Normalität machen will und die Öffentlichkeit auf diese Ungeheuerlichkeit einzustimmen versucht. ++ (ml/mgn/03.08.12 -222)
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