Archive für Beiträge mit Schlagwort: Verdrängung

Berlin, 14. Mai 2015 (ADN). Die Berliner Wohnungswirtschaft erreicht in diesen Tagen  neue Siedepunkte. Dafür sorgten zwei juristische Schritte, die regelrechten Paukenschlägen gleichkommen und das Mieten von Wohnungen seiner zutiefst sozialen Funktion fast vollends entkleidet und als eine Hauptsäule der Daseinsvorsorge de facto zerbröseln lässt. Zum einen stellt ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg den Mietspiegel, der seit Jahren und Jahrzehnten inzwischen bundesweit die Richtschnur für Mietpreise ist, grundsätzlich in Frage. Er soll eigentlich zur Dämpfung steigender Mieten beitragen. Insbesondere sollte Wucher vermieden werden. Die Entscheidung kommt zudem in einem äußerst brisanten Moment in die Öffentlichkeit. Der Berliner Senat will nämlich Anfang nächster Woche den Mietspiegel für das Jahr 2015 präsentieren, dessen systematische und statistische Grundlage das Gericht gerade für ungültig erklärt hat. Eine weitere Dimension des Urteils wird deutlich angesichts der Tatsache, dass der Mietspiegel den Ausgangspunkt für die gerade vom Bund beschlossene Mietpreisbremse in den Großstädten und Ballungsräumen bildet.

Die zweite Eskalationsstufe wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) gezündet. Die dem Bundfinanzminister unterordnete Einrichtung hat Klage gegen den Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg eingereicht, der in einem sogenannten Milieuschutzgebiet sein Vorkaufsrecht für Wohngebäude wahrzunehmen gedenkt. Dabei will der Bezirk aber nicht von der Bima geforderten Preis von 7, 8 Millionen Euro bezahlen, den ein privater Käufer entrichten wollte, sondern nur 6,32 Millionen Euro. Diesen Preis hatte das bezirkliche Vermessungsamt als Verkehrswert ermittelt. Mit dem Verkaufspreis von 7, 8 Millionen Euro lässt sich der Milieuschutz nicht gewährleisten. Er bewahrt die Bewohner vor Verdrängung und verbietet Luxusmodernisierungen. Die Rechtsauffassung des Bezirks wird von einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages gestärkt. Danach besteht die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht zu einem reduzierten Verkaufspreis auszuüben. ++ (wo/mgn/14.05.15 – 109)

http://www.adn.1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), adn-nachrichtenagentur, SMAD-Lizenz-Nr. 101 v. 10.10.46

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Berlin, 4. September 2013 (ADN). Mitglieder des Bündnisses „Zwangsräumung verhindern“ und der Fulda-Weichsel-Initiative forderten am Mittwoch in Berlin vor den Toren der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) am Berliner Gendarmenmarkt konkrete Auskünfte über die von der Bank geförderte Sanierung von Miethäusern. Dabei halfen sie mit einem mobilen Stand, Informationsmaterial und Musterbriefen betroffenen Mietern, die über die Modernisierung ihrer Wohnungen notwendigen Informationen zu erhalten und damit letztlich günstigere Mietkonditionen bei den Vermietern zu erwirken.
Die Inititiativen haben festgestellt, dass die Hauseigentümer als von der KfW geförderte Bauherren die finanziellen Vorteile der Baumaßnahmen nicht an die Wohnungsmieter weiterreichen. Da es sich um die Inanspruchnahme öffentlicher Gelder handelt, sind sie jedoch dazu verpflichtet, zumindest Auskunft an die Nutzer der Wohnungen zu erteilen.
Die im Stadtbezirk Neukölln tätige Fulda-Weichsel-Initiative hat anhand konkreter Beispiele nachgewiesen, dass die öffentlich geförderte energetische Wohnungsmodernisierung der stadteigenen Wohnungsgesellschaft DEGEWO einzig und allein dem Fernheizkraftwerk Neukölln zugute kommt. Es sei ein Auftragsbeschaffungsprogramm für die Industrie. Die DEGEWO hat im vergangenen Jahrzehnt in Berlin rund 20.000 Wohnungen mit Steuergeldern saniert.

Die beiden Initiativen haben sich vor Kurzem gebildet, um gegen die wachsenden Mieten und die steigende Zahl von Zwangsräumungen vorzugehen. Unlängst teilten sie mit, dass Immobilienverbände und Justiz mit Hilfe neuer Mietregeln den Rauswurf von Altmietern votrantreiben. Der Vorwurf an die Justiz lautet, bei Mietstreitigkeiten eigentümerfreundliche Urteile zu fällen. Häufig stehen Räumungsklagen und sogar Zwangsräumungen am Ende derartiger Auseinandersetzungen. Die Zahl der Räumungsklagen ist von mehr als 9.000 im Jahre 2009 auf knapp 11.000 im Jahr 2011 gestiegen. Die Zahl der tatsächlichen Zwangsräumungen in Berlin, die von den Behörden nirgends vollständig erfasst wird, schätzt der Paritätische Wohlfahrtsverband zwischen 1.000 und 1.500 pro Jahr. Aus Kreisen der Gerichtsvollzieher verlautbart, sie betrage nur wenige Hundert Fälle.

Einem Informationsblatt der Initiativen zufolge handelt es sich bei „Zwangsräumungen um die gewalttätigste Form der Verdrängung.“ Die Politik unterstütze Vermieter in ihrer radikal neoliberalen Wohnungsmarktpolitik und dulde rasant steigende Mieten. ++ (sp/mgn/04.09.13 – 242)

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