Athen, 28. Oktober 2011 (ADN). 50 Milliarden Euro soll Griechenland bis zum Jahr 2015 durch den Verkauf von Staatseigentum einnehmen, um den Forderungen der aus Brüssel eingesetzten Troika-Sparkommissare näher zu kommen. Das erklärte der Vorsitzende der zu diesem Zweck neu gebildeten Privatisierungsagentur, Costas Mitropoulos, gegenüber dem Reuters-Korrespondenten George Georgiopoulos in Athen. Davon sollen bis zum Jahr 2014 bereits 35 Milliarden Euro einkassiert werden. Diese Zielvorgaben der Agentur Hellenic Republic Asset Developement Fund (HRADF) sprechen für das den Griechen von außen aufgezwungene Tempo des gigantischen Eigentümerwechsels von Firmen, Immobilien und anderen Vermögenswerten.  Zusammen mit seinem Vize, Andreas Taprantzis, verkauft HRADF-Chef Mitropoulos seine Heimat Stück für Stück. So schreiben es Reporter des Düsseldorfer „Handelsblattes“ in der Ausgabe dieses Wochenendes unter der Überschrift „Ein erschöpftes Land“. Um die Titelgeschichte zu erstellen und Szenen dieser griechischen Tragödie zu illustrieren, ist die Wirtschaftszeitung mit einer 20köpfigen Journalistenmannschaft unter dem Kommando von Chefredakteur Gabor Steingart in das Ursprungsland der Demokratie gereist. Die ungewöhnliche Vorgehensweise spricht Bände.  Die Parallelen sind verblüffend. Das ganze mediale Spektakel ähnelt Vorgängen vor zwei Dekaden in der ersten Hälfte der 90 Jahre. Damals sollte ebenfalls eine komplette Volkswirtschaft abgewickelt und in „treue Hände“ gegeben werden. Das Siegel „Volkseigentum“ der damaligen Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde binnen kürzester Frist gebrochen. Die Beute wurde denjenigen zum Fraße vorgeworfen, die damit ihre Konkurrenz liquidieren, materielle Werte rauben und ein ganzes Wirtschaftsgebiet okkupieren wollten. Das gelang perfekt. Unterstützend sprangen politische Handlanger auf die Bühne und überzogen das Land mit einem undurchschaubaren Paragraphen-Dschungel, den angeblich nur sie verstanden. Schon allein deshalb mussten die bisherigen Akteure das Handtuch werfen oder sich unter die Befehlsgewalt der neuen Herren begeben. Wer das nicht tat, flog raus – aus dem Betrieb, aus der Verwaltung oder aus dem Forschungsinstitut. Dort nannten sich derartige Säuberungsaktionen Evaluationen.

Das steht nun Griechenland bevor. Die Parallelen sind frappierend. Das Phänomen der untergehenden DDR zeichnet sich am Horizont von Hellas ab.  Das Land, in dem die Demokratie geboren und zur Blüte geführt wurde, gerät in eine unerträgliche wirtschaftliche und finanzielle Knechtschaft. Andreas Taprantzis schlüpft in die Rolle der seinerzeitigen Augiasstall-Vorsteherin Birgit Breuel, die den Wert der von ihrem Vorgänger Rohwedder auf rund 600 Milliarden DM geschätzte DDR-Wirtschaft binnen weniger Wochen auf einen Verlust von mehr als 250 Milliarden DM Verluste  heruntergeschwatzt hatte.    Man wisse, dass Eile geboten sei, so Trapantzis fast deckungsgleich in der Wortwahl wie Breuel. Dennoch sind nach seinen Worten die Erwartungen zu hoch. Bis Ende dieses Jahres hält er von den geplanten fünf Milliarden Euro Privatisierungserlösen bestenfalls zwei Milliarden Euro für realisierbar. Im November und Dezember will Trapantzis die Kaufbereitschaft der Märkte testen und erste Verkaufsangebote ausschreiben.

Laut „Handelsblatt“ schwankt die griechische Jugend zwischen Aufstand und Ausreise. Die Chance, dass sich die Waage des Schicksals zugunsten einer Erhebung der Bevölkerung neigt, besteht.  Der Verkauf von Staatseigentum verläuft nämlich zäh. Die Arbeitsgesetze und die mächtigen Gewerkschaften schrecken sogenannte Investoren ab.  Ein Vulkan des Volkswillens könnte rasch ausbrechen und die internationalen Krämerseelen im Nu in die Ägäis spülen. ++ (dr/mgn/28.10.11 – 14)

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