Mainz, 4. März 2014 (ADN). Den Unterschied zwischen Gutdünken und Willkür zu definieren, dürfte ein sprachsemantisches, vielleicht sogar rechtsphilosophisch anspruchsvolles Vorhaben sein. Solange keine präzise Klärung vorliegt, schalten und walten bundesdeutsche Richter im juristischen Alltag bei der Verteilung von Bußgeldern in Höhe von jährlich rund 100 Millionen Euro äußerst großzügig und subjektiv. Offizielle Richtschnur ist die Gemeinnützigkeit. Ein eindrucksvolles Gegenbeispiel lieferte am Dienstagabend die ARD-Redaktion „Report Mainz“ aus dem bayrischen Teil von Franken in die deutschen Wohnzimmer. Ein Richter des Amtsgerichts Würzburg hatte binnen vier Jahren 20.840 Euro an den ortsansässigen Reit- und Fahrverein überwiesen. Die Report-Rechercheure, denen derartige Verteilungslisten aus neun Bundesländern vorliegen, gingen der Motivation für diesen Geldfluss aus der Justizkasse nach. Von der Schatzmeisterin des Vereins, Annett Herold-Behl, erfuhren sie Einzelheiten zu den Finanzspritzen. Der Amtsrichter, der ihr Ehemann ist, kenne den Verein gut und habe das Geld angewiesen. Da die Tochter der beiden zudem als Geschäftsführerin des Reitvereins fungiert, konnte der Jurist offensichtlich das Geld besonders guten Gewissens gutschreiben.

Weitere interessante Fälle – darunter solche, die auf Systematik schließen lassen – wurden von den Report-Redakteuren aufgedeckt. So erhält die bundesweit agierende Organisation „Bund gegen Alkohol und Drogen“ (B.A. D.S.) jedes Jahr 1, 3 Millionen Euro aus diesen Quellen. Ihr Präsident, Peter Gerhardt, begründet im Interview diesen kontinuierlichen und starken Geldfluss mit „guten Kontakten“ zu Richtern und Staatsanwälten. Damit die Gelder auch todsicher nicht in falsche Hände geraten, bezahlten sie sich solche Summen selbst unter „Amtsbrüdern“ in Gestalt von Vortragshonoraren aus. In den für den B.A.D.S. gehaltenen Referaten klärten die Rechtsexperten sachkundig über die Gefahren von Alkohol- und Drogensucht auf. In den Vorständen der einzelnen Regional- oder Ortsvereinen des B.A.D.S. sitzen hauptsächlich Juristen.

Erste Phänomene derartiger Selbstdienung wurden bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts öffentlich gemacht, berichtete „Report Mainz“. Augenscheinlich hat sich diesbezüglich innerhalb von vierzig Jahren nichts geändert. Die aktuellen Würzburger Vorgänge wurden dem bayrischen Justizministerium nahegebracht. Die Behörde teilte mit: „Es ist selbstverständlich, dass Richter bei ihren Entscheidungen nicht den geringsten Anschein von Parteilichkeit oder ‚Vetternwirtschaft‘ erwecken dürfen.“ Dem fränkischen Vorfall geht nun der Richter am Oberlandesgericht Koblenz, Dr. Peter Itzelt, per Dienstaufsichtsverfahren nach.

Die Empfängerlisten der so mit Geld bedachten Vereine weisen weitere schon äußerlich stutzig machende Auffälligkeiten aus: Ein Katzenverein im Saarland, zwei Karnevalsvereine in Rheinland-Pfalz, ein Zoo in Nordrhein-Westfalen und der Verein der Westerwälder Eisenbahnfreunde. Der Phantasie von Richtern und Staatsanwälten sind augenscheinlich keine Grenzen gesetzt. Einer diesbezüglichen Verordnung ist lediglich eine Empfehlung zu entnehmen. Danach sollten Vereine, die sich um Opferhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Bewährungshilfe oder um Suchthilfe kümmern, berücksichtigt werden. ++ (04.03.14 – 063)

http://www.adn1946.wordpress.com, e-mail: adn1946@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn)

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