Archive für Beiträge mit Schlagwort: Wirtschaft

München, 2. Juni 2015 (ADN). „Bei der Aktionärsdemokratie verhält es sich so ähnlich wie in der richtigen Demokratie: Es gibt offenbar nicht genug Anreize, sich einzubringen.“ Dieses Fazit zieht die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag. So hätten an den diesjährigen Hauptversammlungen der Dax-Konzerne im Vergleich zu den Vorjahren erneut weniger Aktionäre teilgenommen, um über die Vorschläge des Managements oder die Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten abzustimmen. Die aktuelle Saison der Hauptvertsammlungen endete erst vor wenigen Tagen mit der Deutschen Post und Bayer. 

Die Feststellungen der Tageszeitung basieren auf Untersuchungen des Beratungsunternehmen Barkow Consulting. Es hatte ermittelt, dass die Aktien-Präsenz gegenüber dem Vorjahr leicht um 0,5 Prozent auf 56,4 Prozent gesunken ist. Das sei zwar noch kein Drama. Jedoch habe dieser Wert 2012 noch bei 60, 6 Prozent gelegen, in den Jahren zuvor noch viel höher. Als Negativ-Beispiel wurde die Deutsche Bank genannt, an deren Abstimmung über die Führungsriege nur 30 Prozent der stimmberechtigten Aktien teilgenommen hatten. Ähnlich niedrige Präsenzen waren auch beim Düngemittelhersteller Kali + Salz und beim Energiekonzern Eon zu verzeichnen. Hohe Quoten wurden bei Volkswagen (91 Prozent), bei Henkel (89 bProzent) und bei Continental (81 Prozent) registriert. ++ (dk/mgn/02.06.15 – 130)

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Leipzig, 27. März 2015 (ADN). Die vor einer Woche erschienene Null-Ausgabe der „Leipziger Zeitung“ (LZ) geht inzwischen weg wie warme Semmeln. Die neue Wochenzeitung, die beim Auftakt an einem halben Dutzend Plätzen zu haben war, findet sichtbaren Zuspruch und wachsendes Interesse. Wie Moritz Arand, einer der drei Zeitungsgründer, am Freitag mitteilte, ist die Neuerscheinung in immer mehr Kiosken, Presse-Läden und anderen Geschäften im Angebot. Es seien zunächst 10.000 Exemplare gedruckt worden. Auch fliegende Händler sollen künftig die Zeitung anbieten. Sogar überregional entstehe bereits Nachfrage nach der 32-Seiten-Lektüre. Das sehr heterogen und facettenreich zusammengestellte Redaktionsteam sei ebenfalls ansehnlich aufgestockt worden. Derzeit habe die Mannschaftsstärke rund 30 Mitarbeiter erreicht. Zu dem ambitionierten und erfahrenen Team gehören Journalisten, Historikern,  Politikwissenschaftlern, Desigern, Theologen, Fotografen, Karikaturisten und Künstler.

Das Verhältnis zum Leser und zu den Bürgern der Stadt Leipzig bezeichnet Arand als besonders wichtig. Inzwischen sei Mitte dieser Woche bereits eine erste von regelmäßig geplanten Leserkonferenzen über die Bühne gegangen, auf der spannende Diskussionen stattfanden und von der Impulse ausgegangen sind. Weitere vier sind für April bereits terminiert.

Die „Leipziger Zeitung“ gibt somit das längst fällige Startsignal für einen generellen Wandel der städtischen Pressestruktur. Näheres dazu ist dem Titelbeitrag unter der Überschrift „Ein anderer Beginn“ zu entnehmen. Es sei der beste Zeitpunkt eine gedruckte Zeitung für Leipzig herauszubringen – ohne Verlagshaus und ohne reichen Gönner. Dort heißt es weiter: „Eine Wochenzeitung ist genau die richtige Form, in Leipzig die Medienlandschaft zu ergänzen, eine Lücke zu füllen mit lokalen Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung & Wissenschaft, Kultur Sport und Unterhaltung. Ein Medium, das nicht so flüchtig ist wie eine Tageszeitung, nicht so unverbindlich wie zahllose Internet-Blogs.“ Die Stadt brauche endlich eine neue Zeitung. Diese Feststellung dürfte größte Zustimmung finden. Dass es in der traditionsreichen Hochburg des Buches und der Druckkunst seit Jahren nur eine einzige Tageszeitung gibt, spricht Bände. Die mediale Einfalt und schmale Informationskost in dieser Großstadt, in der es früher ein Dutzend Zeitungstitel gab, ist beschämend und zeugt von einer Armseligkeit spezieller Art. Das hat sogar zu beunruhigenden Fehlentwicklungen geführt. Leipzigs printmediale Einöde bekommt mit der „Leipziger Zeitung“ mehr als einen Farbtupfer. ++ (me/mgn/27.03.15 – 76)

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Berlin, 20. Februar 2015 (ADN). Für die Wirtschaft ist die Nähe zur Politik profitabel – und völlig rational. Für die Demokratie ist sie zerstörerisch,. Das stellt die Wochenzeitung „der Freitag“ in einem doppelseitigen Beitrag ihrer jüngsten Ausgabe fest. Das Versprechen auf gleich verteilte Chancen, den Entscheidungsprozess zu beeinflussen, verkomme zur leeren Phrase. Wer einen großen Gehaltsscheck ausstellen kann, habe ungleich bessere Möglichkeiten. „Er kauft sich die Politik“, heißt es schlicht und einleuchtend.

Das sei aber kein unabänderliches Gesetz der repräsentativen Demokratie. Der Einfluss der Wirtschaft ließe sich deutlich beschränken, wenn nur der Wille dazu da wäre. „Doch Wirtschaft und Politik profitieren vom jetzigen system und verschanzen sich hinter dem Grundgesetz.Ihr Verweis auf die freie Berufswahl ist aber bloß eine Nebelkerze“, wird festgestellt.

Seit dem skandalösen und Aufsehen erregenden Wechsel des bundesdeutschen EU-Kommissars Martin Bangemann zum spanischen Telefonica-Konzern mache nicht ein ethischer Verhaltenskodex Schule, sondern eben diese intolerablen Seitenwechsel. Die Parteifarben spielten dabei keinerlei Rolle. Aus jeder Bundesregierung – ob Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb – flüchteten „Volksvertreter“, Minister und Staatssekretäre von der politischen Macht zu den gut gefüllten Geldtöpfen in der Wirtschaft. Eräuter werden die Fälle Daniel Bahr (FDP), Eckard von Klaeden (CDU), Roland Koch (CDU), Hildegrad Müller (CDU), Dirk Niebel (FDP), Ronald Pofalla (CDU), Katherina Reiche (CDU), Walter Riester (SPD), Gerhard Schröder (SPD) und Rezzo Schlauch (Grüne). 

Um der generellen Demokratie-Misere Herr zu werden, wird in dem Bericht ein unabhängiges , demokratisch legitimiertes Gremium verlangt, das sich mit Nebentätigkeiten und Seitenwechsel von Abgeordneten beschäftigt.  Dazu gebe es nur ein Lösungsmittel: den Druck der Bürger. ++ (kr/mgn/20.02.15 – 47)

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Erfurt, 5. Dezember 2014 (ADN). Die Bürger Thüringens fühlen sich abgehängt. Fast die Hälfte der Wähler ist deshalb nicht zur Wahl gegangen. Das stellte der neue Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, am Freitag unmittelbar nach seiner Wahl im Thüringer Landtag fest.  Deshalb müsse die Landespolitik näher an die Menschen heranrücken und sich mit deren Problemen auseinandersetzen.

Der im zweiten Wahlgang mit knapper Stimmenmehrheit gewählte Ramelow bat um Solidarität, Fairness und Respekt im gegenseitigen Umgang. Seine Wahl sei häufig als historischer Moment bezeichnet worden. Dies treffe jedoch nicht zu. Der eigentlich historische Tag habe vor 25 Jahren stattgefunden, als die Erfurter Bürger die Bezirkszentrale der DDR-Staatssicherheitsbehörde (Stasi) gestürmt und besetzt haben. Diejenigen, die unter dieser Organisation gelitten haben, bitte er um Entschuldigung. Namentlich nannte er seinen väterlichen Freund Andreas Möller, der seinerzeit in Stasihaft in Potsdam saß und gequält worden ist. Der nunmehr abgelösten Landesregierung unter Christine Lieberknecht von der CDU zollte der neue Amtsinhaber Respekt. Besonders bemerkenswert sei der Tatbestand, dass es nach 200 Jahren gelungen sei, in Thüringen jüdische Theologie zu einem normalen Lehrfach werden zu lassen.

Der aus den alten Bundesländern stammende Politiker ist als erster Vertreter der Partei „DIE LINKE“ ins Amt des Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gekommen. Er führt nunmehr eine Koalitionsregierung mit den Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen an. Auch dieser rot-rot-grüne Verbund ist ein Novum im bundesdeutschen Politikbetrieb.

Ramelow präsentierte unmittelbar nach der Wahl sein Kabinett. Die neuen Ressort-Inhaber sind Heike Taubert (Finanzen), Anja Siegesmund (Umwelt/Energie), Benjamin-Immanuel Hoff (Staatskanzlei/Europa/Kultur), Birgit Keller (Infrastruktur/Landwirtschaft), Birgit Klaubert (Bildung), Dieter Lauinger (Verbraucherschutz/Justiz/Migration), Holger Poppenhäger (Inneres), Wolfgang Tiefensee (Wirtschaft/Wissenschaft) und Heike Werner (Arbeit/Soziales/Gesundheit/Familie).

In der Premiere-Pressekonferenz als Minsterpräsident nach der ersten Kabinettssitzung, auf der die Staatssekretärsposten vergeben wurden, informierte Ramelow am frühen Abend über den sofortigen Abschiebestop für Flüchtlinge in Thüringen. Dies sei ein Akt der Menschlichkeit. Ein entsprechender Vorlaufbeschluss sei ergangen und werde am nächsten Dienstag in Kraft gesetzt. Praktizierte Humanität gebiete es, diesen Abschiebestop nicht unter Kostengesichtspunkten zu betrachten. Bei der bevorstehenden kalten Witterung dürfe niemand abgeschoben werden. Im Übrigen sei ein Kassensturz verabredet. Eine Änderung der Stellenpläne werde kostenneutral erfolgen. Auf die Frage nach der angekündigten Reform der Verfassungsschutzbehörden reagierte der ehemalige Gewerkschaftermit dem knappen Satz: „Wieviel Konfetti dort schon entstanden ist, weiß ich nicht.“ ++ (re/mgn/05.12.14 – 338)

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Gera, 4. Juli 2014 (ADN). Das erste städtische Verkehrsunternehmen Deutschlands ist in der thüringischen Stadt Gera kollabiert. ÜberEinzelheiten informierten am Freitag auf einer Betriebsversammlung Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffe und der Geschäftsführer der Geraer Verkehrsbetriebe (GVB), Ralf Thalmann. Der Insolvenzantrag wurde am Vortag beim lokalen Amtsgericht gestellt.

Die Juni-Gehälter wurden noch an die rund 300 Mitarbeiter gezahlt. Der Betrieb auf den 20 Buslinien und drei Straßenbahnlinien geht vorerst weiter. Das Busnetz umfasst 236 Kilometer und das Bahnnetz 21 Kilometer. Die GVB haben pro Jahr16,4 Millionen Fahrgäste. Thalmann wird von der GVB-Sektion Unternehmenenskommunikation mit den Worten zitiert: „Dieser Schritt schmerzt uns sehr“. Er legte Wert auf die Feststellung, dass keineswegs schlechte Arbeit oder mangelndes Engagement der Belegschaft Ursache für die verfahrene Situation ist. Insolvenzverwalter Jaffe informierte über bereits aufgenommene Gespräche mit der Stadtverwaltung Geras über eventuelle Finanzierungsmöglichkeiten. Eine Blaupause zur Sanierung eines so vielgliedrigen Unternehmens gebe es in Deutschland nicht.

Die GVB sind eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Gera AG. Von dieser Muttergesellschaft bekam der Verkehrsbetrieb regelmäßige Ausgleichszahlungen, weil die Einnahmen beispielsweise aus  Fahrkartenverkauf und Landeszuweisungen nicht ausreichten. Angesichts des vorangegangenen wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Stadtwerke, sind diese Geldquellen versiegt. Sie sind auch durch kurzfristige Fahrpreiserhöhungen nicht ersetzbar, weil die GVB Teil des Tarifgefüges Mittelthüringen sind und deshalb nicht plötzlich ausscheren können. Der Domino-Effekt der wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ließ sich nicht vermeiden und die Pleite trat unweigerlich ein. ++ (wi/mgn/04.07.14 – 184)

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6. Juni 2014 (ADN). Russlands Präsident Wladimir Putin hat alle Karten in der Hand. Zu diesem Schluss kommt der deutsch-französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser angesichts der heißen Diskussionen im Zusammenhang mit dem Treffen zahlreicher Staatschefs in der Normandie und mit dem Konflikt um die Ukraine gegenüber dem Deutschlandfunk am Freitag. Keiner wisse derzeit, was Putin will und wieweit er gehen wird.  Es sei geradezu passend, dass diese Auseinandersetzung in der Normandie am sogenannten D-Day anlässlich des 70. Jahrestages der Eröffnung der zweiten Front durch US-amerikanische und britische Truppen im Zweiten Weltkrieg geführt wird. Immerhin wäre der Krieg nicht ohne die Rote Armee gewonnen worden. „Und das muss man auch in Deutschland immer wieder sagen“, so Grosser.

Er antwortete auf die Frage, wie Europa sich gegenwärtig gegenüber Russland verhalten soll: „Es ist sehr schwer. Gestern und vorgestern gab es französische Industrielle, die zu Hollande gegangen sind, genau wie die deutschen, und sagen, wir können keine Wirtschaftssanktionen machen, wir haben zu viele Interessen der Industrie, der Banken und so weiter in Russland. Keine Sanktionen bitte, sonst werden wir gegenbestraft.“ ++ (vk/mgn/06.06.14 – 156)

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Barcelona/München, 28. März 2014 (ADN). „Wir sollten uns am Begriff der Nation des Philosophen Johann Gottfried Herder orientieren.“ Diese Empfehlung gibt der frühere katalanische Regierungschef Katalaniens, Jordi Pujol, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, das am Freitag veröffentlicht wurde. Der Begriff „Nationalismus“ störe. Nach Auffassung von Herder seien alle Nationen gleichwertig und ihre Unterschiedlichkeit dürfe keinesfalls Anlass geben, sich gegeneinander zu wenden. „Die Katalanen sind keine engstirnigen Nationalisten, sie gehören vielmehr zu den proeuropäischen Nationen“, so Pujol. Diese Haltung seiner Landsleute liege in der vom Seehandel geprägten Wirtschaft begründet, die immer vielfältige Beziehungen zu anderen Ländern hatte. Das gelte auch auf kulturellem Gebiet. Katalonien sei in der Geschichte südlicher Vorposten des karolingischen Reiches gewesen, eine Art Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft.

Pujol, der von 1980 bis 2003 an der Spitze der Regionalregierung Kataloniens stand und gegen den Widerstand der konservativen Zentralregierung für eine Sezession von Spanien kämpft, hat keine Furcht vor einer Abspaltung von Spanien und der Europäischen Union (EU). Sie sei ein Präzedenzfall, über den man rechtzeitig Einigung erzielen müsste. „Falls unsere Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit ein Votum für die Unabhängigkeit abgibt, so werden weder Brüssel noch Madrid  diesen Wunsch ignorieren können“. In Spanien handele es sich bei weitem nicht nur um eine Krise der Wirtschaft. Es gehe um eine Krise aller staatlichen Institutionen, der Parteien, der Justiz, der Verwaltung, sogar der Monarchie.

Als deutliches Zeichen für den Stimmungsumschlag nannte Pujol einen konkrete Vorgang: Als das Verfassungsgericht, das die in Madrid regierende konservative Partido Popular (PP) angerufen hatte, 2010 das neue Autonomiestatut für Katalonien aufhob. „Dieses Statut, das unsere Rechte bei Selbstverwaltung und Kultur festschreiben sollte, war bereits von den Parlamenten angenommen worden, unsere Bevölkerung hatte in einem Referendum zugestimmt, der König hatte es unterzeichnet. Doch die Partido Popular organisierte eine Kampagne dagegen, die die Katalanen in einem schlechten Licht darstellte, die von uns daher als aggressiv und erniedrigend empfunden wurde. Wir sahen daher dem Konsens aufgekündigt, der Spanien auch mental zusammengehalten hat.“ ++ (vk/mgn/28.03.14 – 087)

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Marseille/Buenos Aires, 1. Februar 2014 (ADN). Die internationale Konferenz „Die Ökonomie der Arbeiter“ endet nach zweitägigen Beratungen und Diskussionen am Sonnabend in Marseille. Das seit dem Jahr 2007 regelmäßig unter der Regie der „Offenen Fakultät“ der Universität Buenos Aires organisierte Treffen fand erstmals in Europa statt.  Tagungsort in der französischen Stadt am Mittelmeer ist die von Arbeitern besetzte Teebeutel-Fabrik Fralib. Die  Vorgängerveranstaltungen waren ausnahmslos in Lateinamerika – Argentinien, Brasilien und Mexiko – ausgetragen worden.

Zu den Aktivisten auf diesem Gebiet gehört der Sozialwissenschaftler Andres Ruggeri. Er leitet an der Universität Buenos Aires eine Arbeitsgruppe, die seit dem Jahr 2002 den Sektor „Reaktivierte Betriebe“ erforscht. Diese systematischen Untersuchungen des Wandels kapitalistisch geleiteter in selbstverwaltete Firmen begannen zu Zeiten der tiefen Krise in Argentinien vor mehr als einem Jahrzehnt. Dort gibt es aktuellen Statistiken vom November 2013 zufolge inzwischen 310 Betriebe mit Selbstverwaltungsstruktur, in denen 15.500 Arbeiter tätig sind. Wie der Sozialforscher gegenüber der Tageszeitung „neues deutschland“ (nd“) weiter erklärte, liegen aus den anderen lateinamerikanischen Staaten weniger exakte Zahlen vor. In Brasilien gebe es einer Erhebung zufolge 70 reaktivierte Betriebe mit rund 8.000 Beschäftigten. In Uruguay, wo derzeit Daten erfasst werden, ist mit etwa 30 Betrieben und rund 2.000 dort Tätigen zu rechnen. Er vermutet, dass es in den USA und in Ostasien auch Beispiele gibt, über deren Existenz jedoch wenig bis nichts bekannt ist. Zu den Chancen selbstverwalteter Unternehmen in Europa sagte Ruggeri: „Die staatlichen Institutionen sind einflussreicher, die ökonomischen und repressiven Kapazitäten der Mächtigen sind wesentlich größer.“ Die reaktivierten Betriebe in Europa entstünden oftmals aus Konflikten gegen Standortverlagerung nach Osteuropa und Asien.     

Europa hat in der jüngeren Vergangenheit wenig Erfahrung mit wirtschaftlicher Selbstverwaltung gesammelt. Eine Ausnahme ist Jugolawien. Dort wurde im Jahr 1953 die Selbstverwaltung als Eigentumsform sogar in der Verfassung verankert. Drei Jahre zuvor hatte die Tito-Regierung ein Dekret erlassen, wonach in 215 großen Kombinaten Arbeiterräte gegründet wurden. Sie durften über sämtliche innerbetrieblichen Angelegenheit mitbestimmen.

Aufgrund der Wirtschaftskrise in Südeuropa befinden sich Selbstverwaltungs- und Genossenschaftsmodelle insbesondere in Spanien, Griechenland und der Türkei im Aufwind. Sie stehen auch im Mittelpunkt eines Konferenz-Workshops in Marseille.

In Deutschland, wo genossenschaftlich im tatsächlichen Sinne und der Mitarbeiterbeteiligung verpflichtete Firmen  lediglich ein Schattendasein fristen, wurden derartige breitenwirksame Bestrebungen wirtschaftlicher Selbstverwaltung mit diversen Mitteln zum Scheitern gebracht. Als herausragendes Symbol dessen gilt die berühmt-berüchtigte Treuhandanstalt (THA). Sie machte nach der Friedlichen Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) unzählige Versuche der Betriebsbelegschaften zur Übernahme ihrer Unternehmen, zunichte. Die meisten Firmen wurden trotz hoffnungsvoller Signale zur Selbstbefreiung durch die Betriebsangehörigen einfach stillbelegt und in die Insolvenz getrieben.  ++ (sv/mgn/01.02.14 – 032)

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Köln/Berlin, 8. Dezember 2013 (ADN). Sieben Jahre ließ der öffentlich-rechtliche Westdeutsche Rundfunk (WDR) eine Anfrage zur Struktur und Methodik seiner Auftragsvergabe unbeantwortet. Es ging darum, ob bestimmte Firmen, die mit Rundfunkräten in Verbindung stehen, Aufträge des WDR erhielten, und wenn, in welchem Umfang, und ob es jeweils eine Ausschreibung gab.“ So beschreibt die Wochenzeitung „der Freitag“ in ihrer jüngsten Ausgabe die Problemlage, deretwegen sie sich im Jahr 2006 an den größten Sender der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) mit Sitz in Köln gewandt hatte. Die neunseitige Antwort des WDR liegt nun vor. Sie ist das Ergebnis einer Auskunftsklage und eines fünfjährigen Prozesses.

Die Sendeanstalt hatte in dem angefragten Zeitraum 2002 bis 2006 jährlich 6,8 Millionen Euro an den Kölner Stromlieferanten Rheinenergie AG für die Versorgung mit Elektrizität gezahlt. Wie es der Zufall will, gehört Herbert Reul sowohl dem Aufsichtsrat von Rheinenergie als auch dem WDR-Rundfunkrat an. Die Gefahr eines Interessenkonflikts wegen seiner Doppelfunktion sieht Reul nicht, da die Lieferverträge mit Rheinenergie zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer Beschlussfassung im Rundfunkrat gewesen seien, berichtet die Berliner Wochenzeitung. Sie zitiert den Mehrfach-Manager wörtlich: „Über die entsprechenden Vergabeverfahren war ich weder informiert, noch war ich daran in irgendeiner Form beteiligt“. Deshalb habe „auch kein Anlass zur Anzeige einer dauerhaften Interessenkollision“ bestanden. Das sieht nämlich das WDR-Gesetz vor.

Nachdem nun die Auskunftsklage eingereicht und zudem im Landtag von Nordrhein-Westfalen (NRW) diskutiert worden war, änderte sich plötzlich zum Jahreswechsel 2009/2010 das WDR-Gesetz. Ein Passus wurde einfach gestrichen. Sein Inhalt bestand darin, dass „kein Mitglied“ und kein Stellvertreter im Rundfunkrat „unmittelbar oder mittelbar“ mit der Anstalt für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen dürfe, weder als Inhaber noch als anderweitiger „Vertreter eines Unternehmens“. Nach Wegfall der Vorschrift heißt es jetzt nur noch, Mitglieder des Rundfunkrates dürfen keine wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen verfolgen, die geeignet sind, die Erfüllung ihrer Kontrollaufgabe „dauerhaft zu gefährden“. Stellvertretende Rundfunkratsmitglieder werden zudem von dem Verbot, mit dem WDR Geschäfte zu machen, nicht mehr erfasst. Folgerichtig wurde aus dem CDU-Mitglied und Vollmitglied des Rundfunkrates Reul flugs ein stellvertretendes Mitglied. Die Passfähigkeit zwischen Soll und Ist wurde wiederhergestellt: Das korruptionsverdächtige, von der Wochenzeitung in Gestalt einer eindrucksvollen großformatigen Grafik illustrierte Spinnennetz war repariert. Der Darstellung sind weitere ominöse Verwicklungen zu entnehmen. Zu den darin mit roten Linien gekennzeichneten Partnern oder auch potentiellen „Paten“ des WDR gehören desweiteren die Aachener Bank, Westfalenhallen Dortmund/Best Western Hotel, Koelnmesse und AV-Gründerzentrum NRW GmbH.

Der WDR erhielt von den insgesamt 7,5 Milliarden Euro, die pro Jahr durch Rundfunkgebühren eingenommen wurden, im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro – also rund ein Siebentel. Aus dieser Summe vergibt Europas größte Rundfunkanstalt mit ihren 48 Rundfunkräten viele Aufträge an private Unternehmen und natürliche Personen. Inzwischen wächst der Widerstand allgemein gegen den neu geregelten Rundfunkbeitrag, der mittlerweile auf den Rekordbetrag von 7,8 Milliarden Euro geklettert ist. Die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunksender liegen damit weit über dem von den Bundesländern genehmigten Finanzbedarf. Die Wirtschaft verlangt Befreiungen von dem Beitrag und die Justiz erwartet eine Klagewelle. Sie wird erst die Ufer der Gerichtssäle erreichen, wenn die Bescheide über den seit Beginn dieses Jahres anders definierten Rundfunkbeitrag die Adressaten erreicht haben. Die Verwaltungsgerichte sind im Übrigen noch mit Klagen gegen Bescheide nach den alten Regeln beschäftigt. ++ (kr/mgn/08.12.13 – 336)

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Berlin, 7. Oktober 2013 (ADN). Noch immer sitzen Westdeutsche an den Hebeln der Macht auf dem Territorium der vor 23 Jahren verblichenen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Das stellte kürzlich die „Berliner Zeitung“ anlässlich des als Nationalfeierag von Helmut Kohl verordneten 3. Oktober fest. Sie bezieht sich auf eine Recherche der Wochenzeitung „Die Zeit“, derzufolge nach fast einem Vierteljahrhundert drei Viertel aller Abteilungsleiter aus den Ost-Landesministerien aus dem Westen kommen. In sämtlichen Bundesgerichten trügen ausnahmslos Westdeutsche Verantwortung. Ein ähnliches Bild gäben die 88 Hochschulen und Universitäten im Osten ab. Nur fünf würden von Ostdeutschen geleitet.

Gleiches prägt die politische Spitzenlandschaft. In Sachsen-Anhalt beispielsweise sind fünf Minister aus den alten Bundesländern, nur vier aus den neuen. Sogar viele Bundestagsmandate für ostdeutsche Wahlkreise werden von Westlern wahrgenommen. So sind sieben von 20 Bundestagsabgeordneten des Bundeslandes Brandenburg in Westdeutschland geboren. Um das Mandat des ausgeschiedenen Ost-Abgeordneten Wolfgang Thierse in Berlin-Pankow bewarben sich vier Westler. Die „Berliner Zeitung“ interpretiert dieses Phänomen: „Und wenn sich in Pankow ausnahmslos Westsozialdemokraten um Thierses Nachfolge bewarben, dann ist dies mindestens ebenso sehr ein Hinweis auf die Abstinenz der Ostdeutschen wie auf den Machtanspruch der Westdeutschen.“ Dieser Trend werde durch die von Forschern bestätigte Entwicklung verstärkt, dass Eliten dazu neigen, sich zu reproduzieren und den Nachwuchs aus dem eigenen sozialen Milieu zu holen.
Auch die Eigentumsverhältnisse in der Wirtschaft und im Immobilienbereich nehmen diesen Kurs. Das geschieht ebenso wenig zufällig, sondern wird systematisch betrieben. Insofern erfüllt sich die Weissagung eines Gregor Gysi vor mehr als zwei Jahrzehnten Schritt für Schritt in gespenstischer Gewähr. Mit lakonischem Unterton behauptete er damals, die Einheit Deutschlands sei erst vollendet, wenn kein Ostdeutscher mehr in den Grundbüchern der neuen Bundesländer zu finden ist. Das Ziel ist bald erreicht und das Gros der Ostdeutschen, denen vor 23 Jahren ganz nebenbei auch der Nationalfeiertag 7. Oktober abhanden gekommen ist, steht demnächst völlig entmachtet und mittellos da. ++ (pl/mgn/07.10.13 – 274)

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