München, 25. April 2013 (ADN). Es ist leider nicht gelungen, den Kalten Krieg auch aus den Köpfen zu vertreiben. Das erklärte der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Er glaube nicht, dass dies ein deutsches Problem ist. Es bestehe jedoch in einigen Köpfen in Washington, in Moskau und vielleicht auch an anderen Orten. Deshalb gehe es jetzt darum, das Denken in den Kategorien des Kalten Krieges zu verdrängen und die gewohnten Nullsummenspiele zu beenden. Das beschränke sich nicht nur auf reine militärische Fragestellungen. Diesen Status bestätige die Unfähigkeit zwischen West und Ost, ein derzeit so drängendes humanitäres Problem wie die Syrien-Krise gemeinsam anzupacken.

Nach den Worten von Ischinger ist ein Neuanfang von oben nötig. Beispielhaft nannte er das vor vier Jahren in Szene gesetzte New START-Abkommen, das zwischen Washington und Moskau im Bereich der nuklearen Rüstungskontrolle ausgehandelt und erfolgreich abgechlossen wurde. Konkret bedeute das, Obama und Putin müssten zusammen mit anderen Führern ein solches neues Denken zwischen West und Ost anstoßen.

Um die derzeitige ernste Situation zu illustrieren, sendete der Deutschlandfunk ein umfangreiches Zitat des ehemaligen bundesdeutschen Verteidigungsstaatssekretärs Walther Stützle: „Wenn ich in Moskau säße und hätte für den Staats- und Regierungschef oder für den Ministerpräsidenten Medwedew und den Präsidenten Putin aufzuschreiben, was denn die russische Bilanz ist seit 1990, dann müsste ich ihm sagen: Die NATO hat euch versprochen, sich nicht auszudehnen bis an die russische Grenze; sie hat das Wort gebrochen. Die NATO hat den Kosovo-Krieg geführt, wir haben geholfen, ihn zu beenden – das waren Ahtisaari und Tschernomyrdin -, anschließend haben sie den Kosovo unter sehr fragwürdigen völkerrechtlichen Spielregeln zum Staat erklärt. In Afghanistan haben sie ein Mandat gehabt, um dort eigene Sicherheitskräfte aufzubauen. Dem haben wir zugestimmt. Was ist geschehen ? Sie haben einen Krieg geführt. In Irak haben sie eine Wüstenei hinterlassen und wir haben eine unklare Regierungssituation in Irak. In Lybien haben wir ihnen zusammen mit den Chinesen durch die Enthaltung im Sicherheitsrat möglich gemacht einzugreifen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Was haben sie gemacht ? Sie sind in einen Bürgerkrieg eingestiegen und haben den Mörder Gaddafi ermordet, statt ihn vor den Strafgerichtshof zu bringen. Und in der Raketenabwehr haben sie uns vor zehn Jahren schon unter Clinton versprochen, dass wir das gemeinsam machen. Und was machen sie ? Sie machen es allein, weil sie Bedingungen stellen, die für niemanden erfüllbar sind auf der russischen Seite. Das heißt, Syrien ist unser letzter strategischer Punkt im Nahen Osten und wir können den nicht räumen. Mal ganz abgesehen davon, dass wir nicht zulassen können, so würde ich ihm aufschreiben, wenn ich sein Mitarbeiter wäre, dass die Vereinigten Staaten gemeinsam mit Israel im Nahen Osten alleine bestimmen, was sich tut.“
Diese bemerkenswerte Sichtweise von Stützle, der sich in die Position der russischen Seite hineinversetzt und dafür tiefes Verständnis zeigt, belegt den permanenten Wortbruch der NATO-Strategen gegenüber Russland seit 1990. Aus dieser Logik ergeben sich gravierende Handlungskonsequenzen für das westliche Militärbündnis. ++ (mi/mgn/25.04.13 – 110)

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